Emma
Ziemlich früh am nächsten Morgen wurde ich wach, weil mir unfassbar warm war. Viel zu warm für Ende September. Ich drehte mich aus Wincents Arm und sah ihn an. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn und er zitterte am ganzen Körper. „Hey, was is mit dir?", fragte ich ihn und strich über seine Stirn. „Du glühst richtig...", stellte ich fest. Nur langsam öffnete er seine Augen und sah mich an. „Mir is kalt", bibberte er. Seine Bettseite war komplett nass geschwitzt. Ich rollte mich aus dem Bett und holte Wasser und ein Fieberthermometer, das ich ihm direkt in den Mund steckte. Es war wohl doch keine gute Idee bei dem Wetter laufen zu gehen, aber das würde ich ihm noch zu einem andern Zeitpunkt vorhalten. Ich suchte ihm trockene Klamotten aus dem Schrank und half ihm beim Umziehen. „Rutsch rüber auf meine Seite", meinte ich und zog sein Bettzeug ab.
„Du hast Fieber, Babe", stellte ich fest, als das Thermometer piepste. 39,2. „Als ob, ich hab doch kein Fieber...mir tut vielleicht bisschen der Hals weh, aber sonst...", protestierte Wincent. Ich hob nur eine Augenbraue, als ich ihm das Testergebnis vor die Nase hielt. „Ich hab doch kein Fieber...ich bin doch kein Kind mehr", murmelte er und kuschelte sich tiefer in die Kissen. Woher auch immer seine Annahme kam, man dürfte nur als Kind Fieber bekommen. „Ich will ja kein Klugscheißer sein, aber ich hab dir gestern noch gesagt, dass das Joggen bei dem Wetter keine gute Idee ist...du hast dich ordentlich erkältet würd ich meinen", philosophierte ich. „Ja, Mama...", brummelte er, „machst du mir einen Tee?" Ich musste schmunzeln. Das ging ja schon gut los. „Natürlich", erwiderte ich, nahm die Bettwäsche und verschwand in der Küche. Ich setzte Wasser auf, schmiss die Waschmaschine an und schrieb eine Nachricht an Linda. Die war sicher schon auf der Arbeit.
E: Als hätte ich es vorausgesehen, hat der Prinz sich auch noch erkältet, so richtig mit Fieber...Wie soll ich das überstehen? 😩🥴
L: Oh du Arme! Ich denk an dich! 😘 Ich weiß nicht, ob ein Katalog vom Bestattungsunternehmen die richtige Bettlektüre ist?🤔
Ich musste lachen. Dieses Biest! Er wird es schon überstehen. Aber er wird dem Leiden Christi alle Ehre machen.
Mit Tee, Schmerztabletten und kalten Umschlägen bewaffnet ging ich zurück ins Schlafzimmer. Obwohl Wincent fröstelte riss ich trotzdem kurz alle Fenster auf und ließ frische Luft ins Zimmer. „Ich brauch frische Luft...", murmelte es neben mir. „Du bist so ein Spinner, echt. Musst du alles kommentieren?", grinste ich. Wie ein kleines Kind streckte Wincent seine Arme zu mir aus, dass ich zu ihm ins Bett kam. Was ich nicht unbedingt als eine gute Idee ansah. „Du schwitzt...und du steckst mich noch an", meinte ich und setzte mich an die Bettkante. „Außerdem bin ich mit Amelie verabredet, ich muss wenigstens kurz ins Büro fahren und meinen Laptop holen", erklärte ich. Er zog einen Schmollmund. Garantiert würde er versuchen mich zu überreden hier zu bleiben oder ihn mitzunehmen. Beides verneinte ich.
Ich ließ ihn kurz alleine, um mich in Bad fertig zu machen und suchte mir dann Klamotten aus dem Schrank. Während ich mich umzog, erklärte ich ihm, wie die folgenden Tage zu laufen haben. „Ich weiß, du hasst mich dafür, aber du bist krank und du bleibst im Bett. Und lass mich ausreden", befahl ich ihm, als ich bemerkte, dass er mich am liebsten unterbrechen wollte. „In zwei Wochen sind die ersten Proben und wenn du die machen willst, musst du jetzt eben die Arschbacken zusammen kneifen. Ehrlich, du hast Fieber und du bleibst liegen. Haben wir uns verstanden?", fragte ich abschließend. Wincent nickte, schwach, aber er nickte. „Du weißt, wenn du zu früh wieder anfängst, legt sich das auf deine Stimmbänder und du weißt, was das bedeutet...nämlich keine Tour im November", sagte ich. Eventuell war das etwas übertrieben, aber anders würde er das wohl nicht verstehen. Ich öffnete die Schlafzimmertür und ließ Carlos rein, der vor der Tür miaut hatte. „Schau, hier ist dein Krankenpfleger bis ich wieder da bin. Hast du irgendwelche Wünsche? Soll ich was einkaufen?", fragte ich. Wincent schüttelte mit dem Kopf. Aber mir kam eine andere Idee.
„Emma?", sagte er noch und ich ging kurz zurück an sein Bett. „Ich liebe dich", flüsterte er, bevor seine Stimme brach und das Ganze in einem Hustenanfall endete. Ich sollte wohl auf jeden Fall bei der Apotheke vorbei. „Ich dich auch, Schatz", erwiderte ich, nachdem er sich beruhigt hatte. Dann ließ ich die Beiden alleine und stieg ins Auto. Ich fuhr in meine alte Wohnung, holte meinen Laptop und alles, was ich sonst die nächste Zeit brauchen könnte und holte anschließend diverse Erkältungsmittelchen in der Apotheke. Auch wenn Wincent meinte, er bräuchte nichts, kaufte ich im Supermarkt alles ein, was er gerne mochte. Und Obst und Gemüse- da musste er jetzt einfach durch. Als ich Zuhause wieder ausstieg fiel mein Blick wie automatisch auf Angelas Haus und tatsächlich stand sie gerade vor der Tür.
Ich haderte mit mir, ob ich rüber gehen sollte, und überlegte, was ich sagen könnte, aber dann tat ich einfach, was mein Bauch mir sagte. Ich hatte das Gefühl, sie fand unser Aufeinandertreffen auch komisch, aber ich versuchte das auszublenden. „Wincent ist krank. Du hast doch bestimmt ein leckeres Rezept für eine Hühnersuppe oder irgendwas, was er früher immer bekommen hat, wenn er krank war?", fragte ich und direkt musste sie lächeln. „Willst du kurz reinkommen?", fragte sie und eigentlich wollte ich diese Konversation so kurz wie möglich halten. „Also eigentlich muss ich...", fing ich an, wurde aber direkt von ihr unterbrochen. „Komm schon, ich such dir schnell das Rezept raus", meinte sie und schob mich schon ins Haus. Sie sprach mit mir wie immer, als hätte es den gestrigen Tag und ihre Auseinandersetzung mit Wincent gar nicht gegeben, und ich hatte wirklich Mühe mir nichts anmerken zu lassen. Dachte sie er würde mir nichts davon erzählen? Hielt sie unsere Beziehung für so oberflächlich?
Sie kramte in ihren Kochbüchern und schrieb mir das Rezept auf einen Zettel. Dazu erzählte sie völlig unbedarft von früher, wie Wincent war als Kind und was er brauchte, wenn er krank war. Ich platzte fast. Aber ich wollte nicht das Schwiegerbiest sein, für das sie mich doch gestern noch hielt. Sie klärte mich auf, gab mir Tipps zum Fiebersenken und lächelte mich an, als ich mit dem Papierhaufen an der Tür stand. Und da konnte ich mir meinen Kommentar doch nicht mehr verkneifen.
„Ich weiß, wie du über mich denkst. Und ich kann das vielleicht auch ein bisschen verstehen, nach dem was war. Aber die Zeiten haben sich geändert. Ich weiß, dass ich Fehler gemacht hab und das wird mir nie wieder passieren. Wincent ist alles, was ich habe, und alles, was ich brauche. Und ich fände es schön, wenn du dein ‚okay' gibst. Ich will nicht zwischen euch stehen, das ist weder gut für unsere Beziehung noch für eure. Aber wenn du das nicht kannst, dann sag es mir bitte gleich, bevor ich mich noch tiefer in etwas stürze, was keine Zukunft hat", sagte ich und ich war überrascht, dass mir dabei nicht die Tränen kamen. Entsetzt sah Angela mich an, aber sie blieb stumm. Das war das Zeichen für mich nach Hause zu gehen. Ich hatte alles gesagt und alles gegeben, mehr konnte gerade Niemand von mir erwarten.
DU LIEST GERADE
Nur mit Dir
FanfictionDas hier ist der zweite Teil rund um Emma und Wincent. Es war schwierig mit den Beiden; dieser Pakt ihrer Freundschaft- plus, von der jeder sagte, dass es nicht gut gehen könnte. Und jeder sollte Recht behalten. Erst verliebt sich der eine, dann der...