Kapitel 98

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Emma

Mittlerweile war es nur noch knapp eine Woche bis zur Hochzeit und langsam aber sicher überkam mich der Stress und die Panik. Linda stand mir zwar jeden Tag zur Seite, aber langsam war auch sie genervt, weil Marco genervt war, weil der ständig Adam nehmen musste. Der Abholtermin meines Brautkleides war allerdings etwas, worauf ich mich freute. Ich parkte vor Lindas Haus und ich sah genau, dass sie- mal wieder- ziemlich genervt war. Zumindest solange, bis sie bei mir im Auto saß, dann grinste sie mich an. „Wir holen dein Brautkleid, Maus", strahlte sie und steckte mich damit direkt an. „Jaaaaaa", erwiderte ich und startete den Wagen. Als wir den Laden betraten überkam mich direkt wieder dieses besondere Gefühl. Ich konnte es gar nicht richtig beschreiben, aber ich fühlte mich als würde ich schweben. „Emma, schön dich zu sehen", begrüßte uns die Verkäuferin. Es war die gleiche wie bei unserem ersten Termin, als ich innerhalb von 30 Minuten mein Traumkleid gefunden hatte. Ich umarmte Marie zur Begrüßung und hätte jetzt schon heulen können. Wir bewunderten kurz mein Kleid, wie es noch am Bügel hing, aber dann ging ich schnell in die Umkleidekabine und zog mich aus. 

„Oh ein Glück, du hast nicht abgenommen", sagte Marie. Äh, danke, dachte ich. Ob das wohl die Worte waren, die die Braut eine Woche vor der Hochzeit hören wollte? Ich glaube nicht. „Ich mein nur, sonst hätten wir nochmal was ändern müssen", schob sie nach, als sie meinen irritierten Blick bemerkte. Ich hatte auch nicht vor abzunehmen, ich war zufrieden mit mir, wie ich war. Auch wenn gefühlt täglich meine Bauchmuskeln weniger wurden. Egal, nicht das Thema, holte mich meine innere Stimme aus meinen Gedanken zurück, als mir mein Kleid hingehalten wurde. Marie schloss den Reißverschluss und es passte perfekt. Mir stiegen Tränen in die Augen, als ich mich im Spiegel betrachtete. „Wow, es ist so toll", schniefte Linda neben mir. Ich konnte mich kaum lösen von diesem Anblick, aber irgendwann saßen wir doch wieder hochzufrieden im Auto. Normalerweise würden wir jetzt noch einen Sekt trinken, aber Linda hatte keine Zeit mehr, also ließ ich sie direkt wieder Zuhause raus. „Ich bring dir dein Kleid dann am Abend vorher vorbei", meinte sie noch und lief in Richtung Haustür.

Wincent und ich machten um den besonderen Zauber des Hochzeitsmorgens kein Trara. Wir waren uns einig, dass wir beide natürlich Zuhause schlafen und uns morgens gemeinsam fertig machen. Dieses Getue um „man soll die Nacht vor der Hochzeit getrennt verbringen" leuchtete mir noch nie ein. Wir teilten das Bett seit Jahren und ausgerechnet diese eine Nacht sollte uns Pech bringen? Definitiv nicht. Außerdem schlief ich immer so schlecht ohne Wincent und das wollte ich dringlichst vermeiden, um nicht völlig zerstört auf meiner Hochzeit zu erscheinen. „Na, erfolgreich gewesen?", meinte Wincent, als ich wenig später wohl noch immer debil grinsend wieder Zuhause aufschlug. „Jup", nickte ich und küsste ihn kurz zur Begrüßung. „Ich bin so gespannt, was du ausgesucht hast", sagte er und strich mir über die Wange. Er sah mich mit diesem Blick an, mit dem er versuchte mich weichzukochen. „Du wirst es die eine Woche noch aushalten, da bin ich mir sicher", lachte ich. Wincent setzte einen gespielten Schmollmund auf, den ich ignorierte und stattdessen in der Küche einen Kaffee aufsetzte. Eine Zeit lang hörte ich Wincent noch im Wohnzimmer, aber dann war es still. Das irritierte mich. 

„Wince?", rief ich nach ihm, „deine Mum weiß Bescheid wegen der Übernachtungsgäste oder? Und deine Oma auch?" Ich wollte nicht einfach nur wissen, wo er war, also schob ich diese Fragen vor. Aber ich bekam keine Antwort. „Wince?", rief ich wieder und ging ins Wohnzimmer. Dort stand er wie angeschossen und starrte auf den Boden. Dachte ich, erst als ich näher kam, entdeckte ich mein Handy in seiner Hand. „Babe?", sprach ich ihn an und dann erwachte er aus seiner Starre und funkelte mich an. „Was soll die Scheiße?", fragte er und ich wusste überhaupt nicht, wovon er redete. „Seit wann geht das schon? Wie lange trefft ihr euch schon hinter meinem Rücken?", prasselten seine Fragen auf mich ein und ich wusste immer noch nicht, worauf er hinaus wollte. „Wovon redest du?", fragte ich nach. Wincent knallte mir mein Handy vor die Füße und stellte sich ans Fenster und sah hinaus.

Ich nahm mein Handy in die Hand und las Simons Namen auf dem Display. „Du verstehst das völlig falsch", begann ich eine Erklärung, die er gar nicht hören wollte. „Ach komm bitte, ernsthaft?", bluffte Wincent mich an ohne sich umzudrehen. „Das ist...", versuchte ich weiter zu reden, aber er ließ mich nicht zu Wort kommen. „Was?", fragte Wincent und sah mich enttäuscht an, „nicht das wonach es aussieht? Er will sich mit dir treffen, Emma, und das hört sich nicht so an, als wäre ihm diese Frage schwer gefallen". Große Scheiße, ich wusste nicht wie ich schnell irgendetwas Vernünftiges sagen sollte, was er mir glauben würde. „Ich hab ihm nur einmal geschrieben und ihm für unsere schöne Zeit gedankt...schließlich tat die auch irgendwie einen Beitrag dazu, dass wir jetzt hier stehen", sagte ich leise. „Du hast was?", fuhr mich Wincent wieder an, „warum schreibst du dem? Weißt du nicht mehr, was er dir alles angetan hat?" Doch, natürlich wusste ich das, aber damit hatte ich abgeschlossen. 

„Weißt du, Emma, ich dachte wir hätten all unsere schlechten Angewohnheiten abgelegt und können uns vertrauen...und was machst du? Schreibst wieder deinem Ex? Ernsthaft? Wir wollten heiraten!", redete Wincent auf mich ein. Was heißt hier wollten? 

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