Kapitel 29

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Emma

Zwei Wochen später waren wir in unserem neuen Alltag ziemlich gut angekommen. Also wenn man das als Alltag bezeichnen wollte. Wir schliefen jeden zweiten Tag bei mir, damit Carlos Ansprache hatte, und standen nie vor Mittag auf. Danach ne Runde Joggen und Yoga, irgendwann mal was essen und bis wir uns aufgerafft hatten zu arbeiten war es meist nicht vor 17 Uhr. Amelie kotzte regelmäßig im Strahl, wenn ich mich so spät meldete, aber irgendwie hatte sich unser Rhythmus ganz schön verschoben. Unser so genannter Feierabend begann nie vor zwei Uhr in der Nacht und so ging das Tag für Tag weiter. Die Novembertour plante sich auch nicht von alleine und so konnten wir uns auch keinen freien Tag erlauben. „Wo is denn schon wieder mein iPad?", brummelte Wincent und durchforstete das Papierchaos auf meinem Esstisch. Ich war gerade in einem Skypedate mit Amelie und verstand kein Wort mehr von ihr. „Sorry", murmelte ich und half ihm kurz suchen. 

„Kann es sein, dass das doch bei dir liegt?", fragte ich. Wir waren schließlich die letzten Tage in Wincents Wohnung gewesen. „Och ne, ey", stöhnte er und ließ sich auf die Couch fallen. „Das nervt mich, dieses ständige Hin- und Her. Das Zeug, was ich brauche, ist immer genau da, wo ich nicht bin", brummelte er. Amelie hielt sich schon die Hand vor den Mund, um nicht zu lachen. Ich hatte mir das die letzten Tage schon gedacht und wollte auch irgendwann in einer ruhigen Minute mit Wincent darüber reden, aber nicht so. „Mach einfach was anderes und schieb das auf Morgen", schlug ich vor und widmete mich meinem Telefonat mit Amelie. Sonst würden wir auch nie zum Ende kommen. Dass er stattdessen bockte wie ein Vierjähriger und sich mit Carlos auf die Couch verzog war mir in diesem Moment auch egal. Bis ich mit Amelie fertig war, war es wieder kurz nach elf und ich kam mit zwei Gläsern Wein auf der Couch an. Carlos hatte sich auf Wincents Bauch zusammen gerollt, und der tippte auf seinem Handy rum. „Du alter Brummbär", meinte ich schmunzelnd und nahm ihm sein Handy weg, dass er mich ansah. Er nahm sein Glas und stieß mit mir an. „Prost", machte ich und trank einen großen Schluck.

Ich überlegte, wie ich am besten anfangen sollte, aber gab mich schnell geschlagen. Also redete ich einfach drauf los. „Wir haben zwei Wohnung am gleichen Ort. Das ist ziemlicher Luxus....und ziemlicher Quatsch...", fing ich an und hatte seine Aufmerksamkeit direkt. „Carlos ist immer alleine, wenn wir bei dir sind, und du vergisst grundsätzlich irgendwas Zuhause, wenn wir hier sind." Mir fielen noch zig Sachen ein, die momentan unseren Alltag bestimmten, und ich sprach auch unseren total verschobenen Schlafrhythmus an. Er musste mir Recht geben. „Warum teilen wir das nicht ordentlich auf? Also das Wohnen und Arbeiten. Warum muss beides zur Hälfte in beiden Wohnungen stattfinden?", fragte ich ihn. „Aber ich mag das lange Arbeiten mit dir", murmelte er. 

„Ach Wincent", seufzte ich, „meinst du nicht es würde uns gut tun, wenn wir tagsüber arbeiten und nachts mal wieder schlafen? Es geht mit großen Schritten auf die Tour zu...ich finde wir sollten uns mal nen vernünftigen Lebensrhythmus anschaffen". Wincent legte seinen Kopf schief und hob eine Augenbraue. Als würde er mich fragen wollen, ob ich wirklich das Wort 'vernünftig' in den Mund genommen hatte. Ich musste lachen. „Ich will doch nur beides etwas besser trennen, das heißt ja nicht, dass wir spießermäßig 9to5 arbeiten müssen. Lass uns doch einfach hier bei mir ein Büro einrichten, dann haben wir immer alles vor Ort, was wir zum arbeiten brauchen. Und den Rest lassen wir bei dir. Ich fänds schön, wenn unser Feierabend mal vor Mitternacht beginnen würde und du nicht ständig noch am Handy hängst, wenn wir eigentlich schon auf der Couch liegen", erklärte ich mich. Wincent überlegte. Zumindest kurz.

Eigentlich gab es nicht wirklich viel zu überlegen, denn er musste mir einfach Recht geben. „Du hast Recht", gab er leise zu. „Bitte?", machte ich, um ihn weiter aufzuziehen, „ich hab dich nicht richtig verstanden". „Du hast Recht", wiederholt er lauter. Er hasste es, wenn er das so zugeben musste. Mein inneres Ich feierte eine kleine Party, aber ich bemühte mich nach außen nicht ganz so offensichtlich zu triumphieren. Ich kuschelte mich in seinen Arm und legte meine Hand auf seine Brust. „Jaja, ich weiß wie sehr du dich feierst, weil du wieder mal eine großartige Idee hattest", meinte er und zog das ‚großartig' besonders in die Länge. Ich stützte mich hoch und sah ihm direkt in die Augen. „Ich bin eben großartig", schmunzelte ich und jetzt konnte er seinen ernsten Blick auch nicht mehr bewahren. „Ha, da hat sich doch glatt ein kleines Lächeln in dein Gesicht geschlichen", stellte ich fest. Augenrollend sah er mich an. 

„Halt die Klappe", meinte er und drückte mir einen Kuss auf die Lippen, der sich gewaschen hatte. Niemals würde ich ihn so im Griff haben können, wie er mich im Griff hatte. Keine zehn Minuten später lag ich schweratmend unter ihm. Wincent schob sich neben mich und zog die Decke zumindest halb über uns. Überlegend starrte er in die Luft. „Wenn wir ein richtiges Büro haben...und du meine Sekretärin bist...springt dann vielleicht der ein oder andere Quickie auf dem Kopierer für mich raus, oder?", meinte er und grinste mich an. Ich griff nach dem Kissen unter meinem Kopf und zog es ihm über. „Du bist du ein Spinner, ey", lachte ich. 

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