Kapitel 44

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Wincent

So ruhig und entschlossen wie ich heute Mittag noch war, so aufgeregt war ich jetzt, als wir vor dem Haus meiner Mum standen. Ich hatte sie selbst nicht mehr gesprochen, seit ich zum Proben gefahren war. Und da waren wir ja auch irgendwie komisch auseinander gegangen. Hätte ich doch einfach nur meine Klappe gehalten. Hätte ich doch nur einmal länger nachgedacht. Dann hätten jetzt nicht die zwei wichtigsten Frauen in meinem Leben so ein Problem miteinander. Ich atmete nochmal tief durch und drückte Emmas Hand, bevor ich klingelte. Langsam öffnete sich die Tür und meine Mum sah irritiert zwischen uns hin und her. „Wir müssen reden", sagte ich bestimmt, bevor sie etwas sagen konnte. In meinen Gedanken machte meine Ansage gerade soviel Sinn, dass ich sie unbedingt laut aussprechen musste. Ich zerrte Emma hinter mir her und setzte mich an meinen Platz am Esstisch. Meine Mum saß mir gegenüber und sagte nichts. Sie wusste genau, was los war. Gedanklich war ich schon mitten in meinem Monolog, als ich Emma neben mir hörte. 

„Was hast du für ein Problem mit mir?", fragte sie, „was hab ich getan?" Ich sah zu meiner Mum rüber, die wohl nach den richtigen Worten suchte. „Bitte, Mama, was is dein Problem? Wir müssen das klären", bat ich sie. Sie sah erst Emma an und dann mich. „Ich, also...", fing sie an und seufzte. „Ihr habt da, glaub ich, echt zu viel gesponnen...ich wollte das doch nicht...ich wollte nur, dass du darüber nachdenkst, ob sie wirklich die Eine ist, Wincent", sprach sie mich an. „Weil ihr noch nicht lange zusammen seid und weil ihr momentan beide die rosarote Brille tragt. Das ist normal, ich weiß das, nur darum ging es. Dass ihr nichts überstürzt. Ihr seid noch so jung, genießt das doch", redete sie weiter und wandte sich an Emma. „Ich mag dich, wirklich, und ich hab gesehen, was du alles für ihn tust. Und ich hab auch gesehen, wie glücklich er ist, seit du da bist. Das war nie der Punkt! Es ging nur darum, dass ihr darüber nachdenken solltet, ob ihr euch gleich so richtig aneinander binden wollt. Nur darum ging es", beteuerte sie. Ich sah zu Emma rüber, der schon wieder die Tränen über die Wangen liefen.

„Dann hast du dich echt missverständlich ausgedrückt, Mama", murmelte ich. Oder hatte ich nicht richtig zugehört? Oder nur das gehört, was ich hören wollte? „Ich hasse das, wenn wir nicht miteinander reden und du weißt, wie schwer mir das gerade fällt, aber dann musste ich wohl auch nochmal drüber nachdenken, was ich zu dir gesagt hab. Und dass ich das eigentlich nicht so gemeint hab. Weil letztendlich will ich einfach nur, dass du glücklich bist", hörte ich meine Mum sagen und als ich sie ansah lächelte sie. Emma sagte immer noch nichts. Sie hatte meine Hand fest umklammert und schniefte vor sich hin. „Es tut mir leid, Emma", sagte meine Mum. „Mir auch", erwiderte sie und schaute zu mir rüber. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich drückte ihr einen langen Kuss auf die Lippen und verschwand kurz in der Küche um Kaffee zu machen. Ich musste kurz einen Moment durchatmen. Ich ärgerte mich, dass wir das nicht früher geklärt hatten, dann hätten wir uns alle nicht gegenseitig so hochgeschaukelt. Bis ich in der Küche fertig war, waren Emma und Mum schon in ein Gespräch vertieft. Also diese Zwei, ey. Die passten schon eigentlich echt gut zusammen. „Angela, weißt du, ich hab keine Familie. Klar, ich hab Linda und Bea und dafür bin ich auch unendlich dankbar, aber ich hätte es nicht ertragen mich nicht mit der Familie meines Freundes zu verstehen. Und ich weiß wie wichtig ihm seine Familie ist, dass es mich fast aufgefressen hätte... Ihr könnt euch so glücklich schätzen, dass ihr euch habt- da wollte ich nicht Schuld sein, dass das zerbricht", gestand Emma.

Damit drückte sie bei meiner Mum auf jeden Fall den richtigen Knopf. „Wir sind deine Familie, Emma. Es tut mir leid, dass ich es dir noch schwerer gemacht hab, als es eh schon ist", hörte ich sie sagen und als ich wieder in der Tür erschien, lagen sie sich in den Armen. Ein Glück. Und was ein Stress! „Jetzt ist aber mal wieder gut", witzelte ich und stellte Beiden einen Kaffee vor die Nase. „Ich glaube Alkohol wäre besser gewesen...", kommentierte meine Mutter und holte eine Flasche Schnaps und drei Gläser. Falls noch jemand an unserem Verwandtschaftsverhältnis gezweifelt hätte, wäre hier Beweisstück A. Emma nahm schmunzelnd ihr Glas. „Auf uns", sagte sie und schaute erst zu mir und dann zu meiner Mum. „Auf euch", erwiderte sie, „und sorry". Wir prosteten uns zu, bevor wir uns den Shot in den Rachen kippten. Ich schüttelte mich kurz und goss gleich noch eine zweite Runde ein. Und irgendwie klebten wir auf einmal fest. Dafür, dass wir eigentlich nur kurz rüber gehen wollten, um das Problem zu lösen, saßen wir ganz schön lange zusammen. Wir bestellten später noch Pizza und hatten echt einen schönen Abend. Ich war ganz schön angeheitert, als wir uns auf den Heimweg machten. Ich legte meinen Arm um Emma und drückte sie fest an mich. „Ich bin froh, dass wir das geklärt haben", meinte ich. „Ich auch", erwiderte sie, „aber tut mir leid, dass ich dich da so mit reingezogen hab und dass ich vielleicht bisschen drüber war...wir hätten das so viel einfacher haben können". Ich stellte mich ihr gegenüber und sah sie an. „Hauptsache es is jetzt gut, oder? Und dann lass uns das abhaken", schlug ich vor und küsste sie kurz. Emma nickte.

„Trotzdem sorry....ich hab dir echt scheiß Sachen an den Kopf geknallt, das war nicht fair", murmelte sie. Ich seufzte. „Leider war es die Wahrheit...", meinte ich, „aber sind wir uns einig, dass das vorbei is? Ich will nicht, dass wir dieses Kapitel jedes Mal wieder rausholen, wenn wir uns streiten..." So war Emma auch eigentlich nicht. Und ich auch nicht. Aber wenn irgendwann nochmal unsere Gefühle so mit uns durchgehen würden, konnte ich wohl auch für nichts garantieren. „Jap, sowas von vorbei. Versprochen", erwiderte Emma und schob mich in die Wohnung. „Gut", nuschelte ich an ihre Lippen, bevor ich sie wieder küsste. So dirigierte ich sie durch die Wohnung und zog uns nebenbei die Klamotten aus, bis wir im Schlafzimmer angekommen waren. Als ich die Matratze unter mir spürte, spürte ich auch augenblicklich den vielen Schnaps. Emma saß auf mir und verteilte Küsse an meinem Hals. Alles um mich drehte sich, als ich die Augen öffnete. Ich hielt sie fest und sah sie an. „Ich glaub ich bin n bisschen voll", lachte ich, „ich bin überfordert mit zwei Emmas über mir". Sie ließ sich neben mich fallen und kuschelte sich an meine Brust. „Ist das nicht der Traum eines jeden Mannes?", fragte sie und ich sah zu ihr runter. „Aber nicht in diesem Zustand...da krieg ichs ja nicht mal mit einer auf die Kette", murmelte ich und drehte mich auf die Seite. Ich schlang meine Arme um sie und vergrub meine Nase in ihren Haaren. „Aber wenn du willst und ich nicht gerade besoffen bin, können wir das gerne mal ausprobieren", flüsterte ich.

Emma lachte leise. „Du weißt, dass du mich dann teilen musst...mit einer Frau...", meinte sie. Wenn mein Hirn nicht so benebelt wäre, hätte ich jetzt ziemlich heißes Kopfkino. „Okay, lassen wir das...mein Kopf dreht sich eh schon, dann macht das die Vorstellung von dir und einer anderen Frau nicht unbedingt besser...", gab ich zu. Meine Lider wurden plötzlich so schwer und ich driftete mehr und mehr ab. „Nur fürs Protokoll, das war jetzt kein Einverständnis für einen Dreier, okay? Wince? Vergiss das ganz schnell wieder...", hörte ich in der Ferne Emma noch sagen, aber ich konnte nicht mehr antworten. 

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