Kapitel 11

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Die ganze Trauer, welche sich bei dem Anblick dieses Bildes in mir ansammelte, schluckte ich hinunter. Starr waren meine Augen auf dieses Bild gerichtet, von welchem ich meinen Blick nicht mehr lösen konnte. Warum kannte ich dieses Foto nicht? Anscheinend musste es jemand neu hinzugefügt haben...

Unsicher sah ich in die Augen der Geschwister, welche mich momentan noch besorgt anblickten. Werden sie mich nachher hassen? Mich alleine lassen? Das wollte ich nicht... Ich wollte nicht wieder allein in dieser Dunkelheit leben... Ich hatte das Gefühl, dass ich ohne die beiden nicht klar kam. Ich brauchte einfach eine stützende Hand.

"J-ja...", brachte ich schliesslich aus mir heraus, worauf Nuri nur leise seufzend das Buch zuklappte und behutsam zu Seite legte. Klopfend zeigte sie auf den Platz vor sich und sah mich auffordernd an. Hilfesuchend sah ich zu Yugyeom, welcher sich nur schmunzelnd im Stuhl zurücklehnte und das ganze still schweigend betrachtete.

"Komm Kookie. Anscheinend muss ich doch noch belehren." Aufmunternd nickte sie mir noch einmal zu, worauf ich mich ihr vorsichtig näherte. Bei ihr wusste man nie was als nächstes kam... Innerlich bereitete ich mich schon auf die grösste Standpauke meines Lebens vor. Ich hatte das Gefühl, dieses Mädchen vor mir kannte mich zum Teil besser als ich mich selbst und das war irgendwie komisch...

Nuri nahm meine Hände in ihre, während ich es vermied in ihre Augen zu sehen. Unsere verschränkten Hände legte sie auf ihren überkreuzten Beinen ab. "Also... Ich weiss ja nicht, was du für Erfahrungen gemacht hast, dass du so auf deine Sexualität reagierst, aber das werden wir jetzt beheben."

Nuri kam mir teilweise so viel reifer rüber als ich selbst... Obwohl ich eigentlich der Ältere von uns beiden war. "Wie du sicherlich mitbekommen hast leben wir im 21. Jahrhundert. Es ist egal ob du jetzt Bi, schwul oder sonst was bist. Es spielt keine Rolle, verstehst du das? Vor mir sitzt nämlich immer noch der kleine, schüchterne Junge... Du bist immer noch du."

Mit einem mulmigen Gefühl krallte ich mich regelrecht in Nuris Hände, während ich nervös mein Bein auf und ab bewegte. Nur weil du jetzt auf das gleiche Geschlecht stehst, darf man dich nicht verurteilen... Es ist nicht komisch, dass du so solche Gefühle hast und du bist auch nicht abartig. Du bist immer noch der gleiche Mensch, welcher du früher einmal warst. "

Als Nuri eine kleine Pause einsetzte, sah ich schüchtern zu ihr hoch. Doch anstatt in ihren Augen hass, Wut oder sonstige Emotionen zu sehen, strahlten ihre Augen pure Liebe aus. Liebe und Verständnis... All dies, was ich in den letzten Jahren suchte und nie fand...

"Weisst du was ich denke? Ich denke, dass selbst deine Hyungs nichts gegen deine Sexualität hätten. Man sieht ihnen auf den vielen Bildern an, dass sie dich bedingungslos lieben und ich denke, dass dies auch jetzt so sein wird... So wie ich vermute hast du ihnen nichts erzählt, oder?" Fragend lagen ihre Augen undurchdringlich auf mir, worauf ich nicht anders konnte als leicht zu nicken.

Mitleidig sah sie zu mir hinunter, bevor ich nicht anders konnte und mich weinend in ihre Arme warf. Sofort spürte ich ihre Hände auf meinem Rücken, welche beruhigend auf und ab fuhren. Mein mit tränen überströmtes Gesicht vergrub ich in ihrer Schulter, während ich mich an die zierliche Frau vor mir krallte.

In diesem Moment war ich so froh wie noch nie, die beiden an meiner Seite zu haben. Ich fühlte mich einfach respektiert und so gemocht, wie ich wirklich war. "M-meine Eltern... haben mich r-rausgeschmissen...", begann ich leise zu erklären, bevor ich von einem schluchzen meinerseits unterbrochen wurde.

"Deine Eltern haben dich rausgeschmissen, weil du auf das gleiche Geschlecht stehst, richtig?", kam von Yugyeom die Frage, welcher wütend seinen Kiefer aufeinander presste. Zögerlich drehte ich mich in Nuris Armen so, dass ich auch ihn in meiner Sicht hatte. Ein wenig verzweifelt wischte ich mir die Tränen weg, bevor ich unmerklich nickte.

Ein empörtes Schnaufen entkam den beiden Geschwistern. "Wie kann man so etwas machen?! Es ist immer noch das eigene Kind...", erklärte Nuri aufgebracht, worauf Yuygeom die Augen verdrehte. "Es sind nicht alle Menschen so, aber leider gibt es immer noch viele, welche unsere Ansicht nicht teilen."

Wütend verschränkte dieser die Arme vor der Brust, bevor er wieder zu mir sah. "Haben deine Hyungs, denn jemals etwas abschätzendes über schwule gesagt?" Nachdenklich erwiderte ich seinen Blick und genoss gleichzeitig die andauernden Streicheleinheiten von Nuri. In meinem Kopf liess ich verschiedenste Erinnerungen durchrasen, aber dennoch fand ich nichts dergleichen.

"I-ich glaube nicht...", erklärte ich schniefend und richtete mich auf. Immer noch nervös spielte ich mit meinen Fingern herum. "Na siehst du... Ich kenne deine kleine Familie zwar nicht, aber so wie du von ihnen erzählst würde ich sie nicht so einschätzen."

Stumm nickte ich wieder, bevor ich mich zu einem dankbaren Lächeln zwang. Nuri, welche dies wohl bemerkte, wechselte wieder auf ein anderes Thema. "Wir reden später noch einmal darüber. Aber deine Sexualität ist wirklich nichts worüber du dich schämen musst." Tief seufzend krabbelte ich von der Jüngeren runter. Um ehrlich zu sein hätte ich nicht gedacht, dass ich mich von einem zehn Jahren jüngeren Teenager belehren lasse...

Ein letztes Mal wischte mir die Jüngste unter uns die Tränen weg und sah sich neugierig um. "Was hat dieser Tae dir eigentlich hinterlassen?" Sofort verschwand mein eben ehrliches Lächeln aus meinem Gesicht, was die Geschwister wieder beunruhigt zu mir sehen liess. Schmerzhaft erzwang ich mir ein Lächeln auf und sah auf meine Finger hinunter.

"Nichts...", war meine leise Antwort. "Es war nichts mehr in der Tasche." Komplett aus der Bahn geworfen spürte ich die Augen der beiden auf mir. "Bist du dir sicher? Vielleicht hast du es auch nur übersehen?" Mein Kopfschütteln reichte Nuri als Antwort, worauf sie sich auf die Unterlippe biss und die Augenbrauen zusammen zog...

"Alles gut es macht mir nichts aus...", erwiderte ich leise und richtete meine Augen auf die fünf anderen Sachen. Die andern haben an mich gedacht und dies reichte mir vollkommen... Mehr brauchte ich doch nicht, oder?

"Lüg dich nicht selber an Jungkook...", wiess Yugyeom mich zurecht, während er vom Stuhl aufstand und auf die Sporttasche auf dem Boden zu lief. Ohne gross mit den Wimpern zu zucken, legte er sie auf meinem Bett ab und inspizierte sie genau. Nachdenklich tastete er die Innenräume der Tasche ab. "Das bringt doch nichts... Vielleicht sollte ich es einfach akzeptieren.", murmelte ich leise und versteckte meine Hände wieder unsicher im Hoodie.

"Warte! Was ist mit den kleinen Seitentaschen da?", fragte Nuri ihren Bruder aufgeregt und lehnte sich zur Tasche hinüber. Mit einem Zug öffnete sie eine kleine Tasche am Rand. Neugierig lauschte ich dem Geräusch des Reissverschlusses. Diese kleinen Taschen habe ich überhaupt nicht gesehen...

"Aha fang!", hörte ich es plötzlich und fing überrumpelt den Gegenstand auf, welcher Nuri mir zuwarf. Mit grossen Augen starrte ich mein ehemaliges Handy an, welches sich gerade in meinen Händen befand. "Das ist mein Handy.", teilte ich den anderen hibbelig mit und lächelte sie glücklich an.

"Hier ist noch was.", meinte Yugyeom zu uns, während er noch ein anderes Seitenfach öffnete. Vorsichtig zog er ein kleines Schmucksäckchen aus diesem heraus, worauf ich dieses verwundert betrachtete. Sofort streckte ich meine Arme nach diesem aus und nahm es behutsam an mich. Neugierig öffnete ich es, vorauf mir als erstes ein kleiner Zettel entgegensprang, direkt dahinter ein Armband.

'Finde das Gegenstück. Wenn du es hast, wirst du auch mich gefunden haben...'

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My Time / TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt