Kapitel 88

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In einem solchen Augenblick würde mein Gehirn wahrscheinlich auf Hochtouren laufen, doch jetzt... Ich wusste es nicht genau. Viel zu verzaubert war ich von diesem Augenblick, möglicherweise auch ein wenig überrumpelt und verwirrt, weil er mich einfach so auf die Stirn küsste. Mein Kopf war wie leergefegt.

Ich wusste nicht wirklich wie mir geschah, denn... all meine Sorgen, welche mich noch vor ein paar Minuten begleiteten, waren plötzlich einfach weg. Das Einzige, an was ich noch denken konnte, war Tae.

Einfach das er gerade bei mir war, bedeutete mir so unglaublich viel. Er war einfach wieder zurück zu mir gekommen, ohne dass ich ihn darum bat. War das möglicherweise schon ein Schritt in die richtige Richtung oder besser gesagt einen Schritt in die Richtung unserer Freundschaft, welche wir früher so sehr pflegten? Könnte es uns wirklich gelingen, dass wir wieder so wie früher miteinander umgehen könnten?

Das war wirklich etwas was ich mir unglaublich sehr wünschte. Trotz meiner Gefühle für ihn musste ich nicht mehr haben. Es reichte mir vollkommen aus, wenn ich ihn in meinem Leben wusste. Ich wollte ihn einfach nur bei mir haben, möglicherweise auch wieder die Sachen erleben, welche wir früher schon immer zusammen taten. Ich wollte wieder dorthin zurück...

Ich wollte Taehyung wieder ohne Bedenken umarmen. Ohne die Bedenken, dass er mich plötzlich wieder von sich stossen würde. Ich wollte nicht wieder verletzt werden. Das war das Letzte, was ich in diesem Moment brauchte. Ich wollte einfach mal wieder glücklich sein. Mit meinen Hyungs... Mit Yugyeom und Nuri und vor allem mit Tae...

Ich wollte nicht, dass sie noch einmal einfach so gingen. Dass sie mich einfach plötzlich wieder alleine liessen. Sie sollten das nicht machen... Ich wollte nicht noch einmal alleine sein... Die einzigen Wünsche, welche ich in diesem Moment hatte, waren einfach nur, dass meine kleine Familie bei mir blieben würde und dies gesund. Genauso wie Taehyung bei mir bleiben sollte. Er sollte mich einfach wieder in seine Arme nehmen, mich an seinen warmen Körper pressen und mir sanft über den Rücken kraulen.

Von mir könnten wir auch Jungwon in unseren Familienkreis integrieren. Gerade weil er auch Taehyungs Sohn war. Selbst ich hatte den Kleinen bereits ins Herz geschlossen. Mehr als ich zuerst dachte und dies auch nur in wenigen Tagen. Aber der Kleine bedeutete Taehyung viel und dies übertrug sich fast schon automatisch auf mich.

In der Zeit, in welcher ich mal wieder mit meinen Gedanken umherkämpfte, sahen Taehyung und ich uns ununterbrochen in die Augen. Ich konnte einfach nicht wegsehen. War dies normal? Fühlte sich Liebe wirklich so an? Wusste ich überhaupt wie sich Liebe anfühlte?

Meine Gedanken waren so gesehen ein einziges Gedankenwirrwarr. Und ich wusste mal wieder nicht, wie ich damit umgehen sollte. Nicht einmal Taehyungs Augen geben mir einen Hinweis. Möglicherweise war das etwas, mit dem ich selbst umgehen musste? Dass ich wie eine Art innerer Pool für mich finden musste. Mein Gleichgewicht, damit ich mich nicht selber in den Untergrund zog.

Doch woher wusste ich wie ich dies hinkriegen konnte? Wenn ich doch selbst nicht einmal mit meinen einfachsten Problemen klar kam... Ich wusste nicht wie und mein Herz wusste es genau so wenig...

Nur die Tränen erkannte ich. Die Tränen, welche in den letzten Monaten meine Augen definitiv zu viel verliessen. Genauso wie auch in diesem Moment, in welchem ich absolut nichts dagegen tun konnte. Ich wusste nicht wie... Wie konnte man die Tränen aufhalten? Wie konnte ich das, wenn ich mich dabei so absolut schrecklich fühlte. Als würde es mich in zwei Stücke zerreissen, wie als würde ich an meinen eigenen Tränen ersticken...

Es machte mir Angst. Genauso wie es mir Angst machte, dass Tae mich immer noch ganz ruhig ansah. Inzwischen fuhr er mir noch sanft über meine Wange, was ich mehr als sichtlich genoss. Einfach seine Nähe war wie Balsam für meine Seele.

Mit grossen Augen musterte ich inzwischen meinen Gegenüber. Ich liess meine Augen vorsichtig zu seinen Haaren hinaufgleiten, welche mal wieder leicht verstrubelt aussahen, aber dafür so unglaublich weich. Seine Haare waren leicht gewellt, was den süssen Anblick nur noch verstärkte. Sein ganzes Gesicht verschmolz zu einem wunderschönen Bild oder besser gesagt zu einem wunderschönen Menschen. Tae war schon immer ein Traummann, aber er war mein Traummann...

Vorsichtig rutschte ich ein Stück näher zu ihm hinüber, was er wachsam beobachtete. Kurz hielt er inne, bevor er unbeirrt weiter über meine Wange strich und dabei einzelne meiner Tränen verwischte. Er war irgendwie so liebevoll... Ganz anders als ich ihn vor zehn Jahren, in meinen letzten Wochen vor dem Unfall, noch in Erinnerung hatte.

Und genau das war etwas, was mir die Tränen nur noch mehr in die Augen rieb. Ich wusste nicht, wie ich ihn einschätzen konnte. Ich wusste überhaupt nichts was Tae anging. Ich wusste nicht was er von mir wollte, wie er zu mir stand oder wie er mich sah. Ich hatte mal wieder absolut keine Ahnung, obwohl ich erst neulich mehr Antworten bekam als mir zuerst lieb war.

"W-warum?", hauchte ich mit verzweifelter Stimme in diese angenehme Stille hinein, welche ich damit zerstörte. Wie als wurde ich aus meiner kleinen Seifenblase gezogen, welche daraufhin platzte und mich wieder in das Hier und Jetzt schleuderte.

Deshalb sah ich dem Älteren noch kurz hilflos in die Augen, bevor ich seinen Blick nicht mehr erwidern konnte. Zu stark war seine Präsenz, welche auf mir lag. Ich fühlte mich dann immer so unsicher, fast wie ein kleines Rehkitz, welches noch die Unterstützung seiner Mutter benötigte. Genauso fühlte ich mich...

"Warum was?", kam es genau so leise und unerwartet zurück. Doch im Gegensatz zu meiner Stimme hörte man einen Hauch von Stärke und Selbstsicherheit hinaus. Ruckartig sah ich ihn seine Augen hoch und musste mich fast dazu zwingen nicht klein bei zu geben. Kurz sah ich zwischen seinen Augen hin und her, versuchte irgendetwas in ihnen zu finden.

"W-warum tust du das? Warum kann ich dich nicht einschätzen oder besser gesagt verstehen? Ich weiss nicht was du von mir willst oder wie ich mit dir Umgehen sollte..." Meine Stimme klang wie ein Karussell, dass sich mehrmals überschlug und plötzlich wieder zu seinem alten, jedoch schwachen Klang zurückfand.

"Ich weiss nicht... wie... wie ich dich einschätzen sollte... Was ich machen sollte. Mich ganz normal verhalten, so wie wir es von früher kennen?" Fragend sah ich ihn an, worauf er mir einfach nur stur in die Augen sah und nicht wirklich die Anstalten machte irgendetwas zu sagen. "Oder soll ich mich lieber ein wenig zurücknehmen und dir deinen Freiraum lassen...?"

Hin und her gerissen krallte ich mich in sein Oberteil. Was sollte ich denn tun? Wie sollte ich das Ganze handeln? Zudem machte mich mein schneller Atem mehr als nur nervös. Genauso wie mein Gegenüber, welcher nun kein Lächeln mehr auf den Lippen trug, mich eher ernst ansah, jedoch überhaupt nicht den Anblick machte irgendetwas zu sagen.

"Du weisst genau, wie wohl ich mich immer bei dir gefühlt habe. Sobald ich in deinen Armen lag war alles wieder gut, aber was ist mit dir? Woher weiss ich, dass du dich genauso wohl fühlst, wie ich es auch bei dir tue? Woher weiss ich, dass du mich in den nächsten Tagen nicht verlassen wirst?", schluchzte ich schon fast und liess dabei einfach meine Tränen über die Wangen rollen, genauso wie ich einfach meine Gedanken aussprach. Es fühlte sich einfach nur richtig an....

"I-ich will nicht, dass du gehst... hörst du? Das darfst du nicht. Nicht wenn ich dich gerade erst wieder habe...", murmelte ich leise und verfestigte meinen Griff. Aus flehenden Augen sah ich zu Taehyung hinauf, welcher mich immer noch stumm musterte. Er sollte einfach nur irgendetwas sagen. Bitte...

Doch Blicke und Taten sagten manchmal mehr als tausend Worte, dies traf in diesem Moment am besten auf uns zu. Mit grossen Augen sah ich direkt in seine. Sah seinen Kampf, welchen er mit sich selbst führte. Er war verwirrt. Genauso überfordert mit der ganzen Situation wie ich. Nur das ich nicht noch mit einer komplett aufgelösten Person rechnen musste. Taehyung hatte sich selbst im Griff, ganz anders als ich es tat...

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My Time / TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt