Kapitel 49

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Mit einem leisen Quietschen öffnete ich das schwarze Tor vor mir. Vorsichtig setzte ich schliesslich einen Fuss vor den anderen und betrat somit den Friedhof. Eine halbe Ewigkeit war ich nun schon nicht mehr hier... Automatisch verfestigte sich mein Griff um die roten Rosen in meinen Händen, worauf das Papier, in welches sie eingewickelt waren, leise raschelte.

Jedes Mal wenn ich einen Friedhof betrat, fühlte ich mich automatisch komisch. Um ehrlich zu sein wusste ich überhaupt nicht wie man meine Gefühle zu diesem Zeitpunkt beschreiben könnte. Auf eine besondere Art und Weise fühlte ich mich hier wohl, wie als wäre es ein Teil von meinem Zuhause. Doch auf der anderen Seite fühlte ich mich so unerwünscht. Ich gehörte hier nicht hin und das Gefühl als würde mich etwas einengen, stieg mit jeder Minute an.

Schwer schluckte ich, bevor ich mich endlich aufmachte und nach dem Grab meiner Grosseltern Ausschau hielt. Seit meinem letzten Besuch waren viele neue Grabsteine hinzugekommen, was mich nur noch einmal mehr daran erinnerte, dass der Tod uns doch näher war als wir möglicherweise dachten. Denn ein kleiner Blick bestätigte, dass hier nicht nur ältere Menschen lagen...

Es lief mir immer wieder kalt den Rücken hinunter, wenn ich nur einmal daran dachte, dass auch ich hier liegen könnte. Dass ich die Erde von unten betrachten könnte... Doch ich habe gekämpft. Mit mehr Kraft als ich mir je hätte erdenken können und genau dies würde ich auch jetzt noch weiterhin tun. Ich würde alles dafür machen, dass meine Familie und ich endlich wieder glücklich sein können. Das haben wir nämlich verdient...

Jeder Mensch hätte dies verdient. Das Recht auf ein schönes Leben. Ein Leben, an welches man sich immer wieder gerne zurückerinnern könnte. Doch da kam wieder das Schicksal ins Spiel... Diese tückische Macht, welche von der einen auf die andere Minute alles verändern konnte und dies ohne nur einmal mit der Wimper zu zucken. Wenn es das Schicksal ist, kann man nichts mehr daran ändern...

Mit schweren Schritten lief ich schliesslich den Weg entlang, welcher mich direkt zu meinen Grosseltern führen sollte. Mit grossen Augen überflog ich jedes einzelne Grab, welche mir so wunderschön gepflegt entgegenglänzten. Ob dies von meinen Grosseltern auch noch so schön aussehen würde? Ausser meinen Eltern und mir gab es niemanden mehr. Wir waren die letzten Verwandten.

Sobald ich den Grabstein erblickte, überflog eine Gänsehaut meinen trägen Körper. Ein dunkler glänzender Stein traf auf meine Augen, welcher sofort meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Mit beschleunigtem Schritt schlängelte ich mich zwischen den verschiedenen Grabsteinen hindurch, bevor ich mich vor dem meiner Grosseltern kniete.

Fest presste ich die Rosen an mich, während ich mir alles genau einprägte. Eine goldene Gravur leuchtete mir entgegen, welche mir die Namen meiner Grosseltern widerspiegelte. Weiter liess ich meine Augen zu dem grossen Engel wandern, welcher schützend über den Namen meiner Grosseltern prangte. Dankend nickte ich diesem kurz zu, bevor ich die Blumen in ein leeres Gefäss stellte, welches sich direkt neben dem Grab befand.

Ein sanftes Lächeln umspielte meine Lippen, während ich das Grab weiterhin betrachtete. Tatsächlich kümmerte sich wohl jemand regelmässig um dieses, da kleine feine Blumen eingepflanzt waren, die alles fröhlich schimmern liessen.

"Hallo Oma... Hallo Opa...", begrüsste ich die beiden mit leiser, brüchiger Stimme. Ein leicht unwohles Gefühl schlich sich in meine Bauchgegend hoch. Ich wusste nicht wie das ging... Konnte ich einfach so mit ihnen reden? Hätte ich vielleicht eine kleine Chance, dass sie mich verstehen könnten...

"I-ich denke, dass ich mich zuerst bei euch entschuldigen sollte. Ich habe euch so lange nicht besucht... Das tut mir wirklich leid. Ich hoffe wenigstens, dass meine Eomma und mein Appa für euch da sein konnten..." Schniefend zog ich meine Nase hoch und stellte mich wieder normal hin. Stumm liess ich meine Augen über das Grab wandern, bevor ich meine Arme um mich schlang und dabei meine Jacke fester um mich zog.

"Ich hab mich schon oft gefragt wie es euch da oben geht. Ist es im Himmel besser als hier unten?", murmelte ich leise vor mich hin und blickte in den, mit Wolken bedeckten, Himmel hinauf. "Ich wäre fast zu euch gekommen. Wisst ihr das? Bekommt ihr mit, was ich hier unten alles anstelle...?"

Ein leises Seufzen entfuhr mir, während ich mir stumm eine einzelne Träne von der Wange wischte. "Ich hatte es nicht immer einfach... Ich wünsche mir so sehr, dass ich wenigstens noch euch an meiner Seite hätte." Mit wässrigen Augen sah ich wieder nach unten und richtete meine Augen wieder auf den Grabstein meiner Grosseltern. "Ich bräuchte gerade deine Wärme und Liebe, welche du mir immer gabst Oma. Dein Lachen und deine blosse Anwesenheit fehlt mir so sehr..."

"Opa...", kam es leise wimmernd aus mir, während ich mich versuchte irgendwie zusammenzureissen. "Ich wünsche mir so sehr wieder eine kräftige Umarmung von dir zu verspüren. Wie du mich einfach fest in den Arm nimmst und mir das Gefühl gibst, mich nie wieder loslassen zu wollen. Ich fühlte mich immer so sicher bei dir..."

Aufgewühlt kaute ich auf meiner Unterlippe herum, während ich meine Hände in die Taschen meiner Jacke steckte. "Ich weiss doch nicht was ich tun soll...", wimmerte ich weiter vor mich hin und verfing mich regelrecht in dieser Trauer, welche mich umhüllte und nicht loslassen wollte. "H-hättet ihr mich so akzeptiert, wie ich bin? Hättet ihr es besser gemacht als meine Eltern?" Wieder rannte mir eine kleine Träne über meine Wange, welche ich mit meinem Finger auffing und kurz darauf beobachtete.

"Ich hab dagegen angekämpft wirklich... aber ich konnte nichts dagegen tun. I-ich vermisse ihn doch nur so unglaublich Oma. Du... du hättest doch jetzt bestimmt einen guten Spruch auf Lager, welcher mich aufheitern könnte, oder?"

Hoffnungsvoll starrte ich mehrere Minuten einfach den Grabstein an, in der Hoffnung, dass ich irgendein Zeichen von meinen Grosseltern erhalten würde. Erst nach mehreren Minuten erklang ein klägliches Schluchzen von mir. Was hatte ich mir eigentlich dabei gedacht... Es war niemand hier und schon recht nicht meine toten Grosseltern. Sie waren nicht mehr bei mir...

Immer mehr Tränen rannten über meine Wange, welche ich auch überhaupt nicht mehr versuchte irgendwie aufzuhalten. Ich war einfach nur so unglaublich verzweifelt... Ich wusste wirklich nicht mehr weiter...

"W- wie kann ich mich entlieben? Wie kann ich meinem Herz sagen, dass es aufhören soll an dieser Person zu hängen?", fragte ich die beiden ein wenig energetischer und fuhr mir kurz verzweifelt durch die Haare. "Wieso geht es nicht... Wieso kann ich nicht loslassen...?", fragte ich sie nun viel kraftloser und sah zu den Blumen, welche das Grab zierten.

"Ich liebe einen Jungen... hört ihr? Und ich kann absolut nichts dagegen machen.", erzählte ich ihnen doch schlussendlich und starrte einfach nur einen Fleck vor mir an. "Es tut mir leid..." Wieder überfuhr mich eine leichte Gänsehaut, welche mich meine Arme schützend um mich liegen liess. "Ihr hättet ihn ganz bestimmt gemocht. Man kann überhaupt nicht anders als ihn nicht zu mögen.", teilte ich den beiden mit einem kleinen Schmunzeln auf den Lippen mit, was eigentlich überhaupt nicht zu meinem verweinten Gesicht passte...

Langsam kniete ich wieder zum Grabstein hinunter und fuhr einmal sanft und bedacht mit meinen Fingerspitzen über dieses. "I- ich werde euch stolz machen. Das verspreche ich euch...", flüsterte ich leise in die Stille hinein und wischte mir einmal mit dem Handrücken über meine nasse Wange. "Dann könnt ihr wenigstens im Himmel erzählen, dass euer Enkel am Kämpfen ist und mit aller Macht versucht wieder sein Glück zu finden..."

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My Time / TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt