Leise weinend drückte ich mich seitlich an Tae. Seinen linken Arm hatte er um mich geschlungen, während er gerade den Schlüssel aus meiner Manteltasche fischte und damit die Tür aufsperrte. Müde schloss ich meine tränenden Augen, welche durch das ganze Weinen bereits brannten. Doch trotz allem konnte ich einfach nicht aufhören...
Je mehr ich versuchte meine Tränen zu unterdrücken, desto stärker wurde mein Heulkrampf. Desto erbärmlicher fühlte ich mich nur noch, da ich absolut nicht wusste, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte. Wie ich mit dieser ganzen Last auf mir weiterleben sollte. Wie ich diese Verluste verarbeiten sollte...
Ich verstand es wirklich nicht... Wieso musste es mich treffen? Weshalb meine einst so friedvolle und liebevolle Familie? Was haben wir falsch gemacht, damit es uns so treffen musste? Damit wir so bestraft wurden... Ich wollte doch wie jeder andere Mensch auch ein ganz normales Leben führen.
Mit weiterhin geschlossenen Augen liess ich mich einfach von Taehyung in das Haus führen, in welchem wir vorübergehend in Daegu lebten. Ich spürte einfach nur seine Anwesenheit neben mir und wie er so unglaublich zärtlich mit mir umging. Ich verspürte die Wärme der Wohnung, welche mich sofort umhüllte als wir ins Innere traten. In diesem Moment vertraute ich ihm mehr als je zuvor. Ich liess das Ganze einfach über mich hin gehen und liess Tae freie Hand.
Schniefend öffnete ich erschöpft meine Augen und löste mich eher unfreiwillig von Tae, um mich aus meinem Mantel zu befreien und diesen einfach nur achtlos auf den Boden zu werfen. Aus dem Wohnzimmer drangen die Stimmen meiner Hyungs, Nuri und Yugyeom in meine Ohren, was ich aber nicht wirklich wahrnahm.
Meine Augen waren einfach nur stumm weinend auf Tae gerichtet, während ich diesem zusah, wie er sich aus seinen Sachen schälte. Sobald er dies erledigte, drehte er sich zu mir um, worauf ich instinktiv wieder zu Boden sah. Meine Hände verschränkte ich vor meinem Körper und spielte unsicher mit diesen herum. Was sollte ich denn tun...?
Nur ein leises Seufzen von Taehyung vernahm ich, bevor er die letzten Meter zu mir überwandte. Stur sah ich weiterhin auf den Boden, während ich mir kurz eine übriggebliebene Träne wegwischte. In der Zwischenzeit bekam ich nur noch schwach mit, wie sich Tae zu mir hinunterkniete, meine Schuhe öffnete und mir aus diesen hinaus half. Ich fühlte mich irgendwie überhaupt nicht anwesend.
Erst als Tae wieder unmittelbar vor mir stand und mich, ohne ein Wort zu sagen, in die Arme zog, konnte ich mich erst wieder aus meiner kleinen Blase holen. Aus einer Blase, in welcher man sich fühlte als würde es keine Zeit mehr geben, keinen Schmerz oder überhaupt irgendwelche Emotionen. Man lebte einfach und versuchte das Beste daraus zu machen.
Doch hier... Jetzt in diesem Moment wurde mir mal wieder bewusst, dass dem überhaupt nicht so war. Ich konnte diesen ganzen Mist nun mal nicht rückgängig machen. Ich musste versuchen damit zu leben, genau wie es Taehyung auch in den letzten Jahren tat. Mit dem ganzen Schmerz und den vielen Emotionen musste ich versuchen mein Bestes zu geben. Doch ich wusste einfach noch nicht, wie ich dies hinkriegen sollte.
Leise schluchzend krallte ich mich wieder an Tae und versteckte mein Gesicht in seinem Hoodie. Versuchte mich mal wieder zu entspannen und mich irgendwie zu beruhigen. Dabei verhalf mir Taes Nähe wahrscheinlich mehr als ich zuvor dachte. Obwohl es mich doch eigentlich überhaupt nicht verwundern sollte... Tae konnte das früher immer noch genau so gut wie heute. Er hatte einfach diese besondere Wirkung auf mich...
"Ist schon gut Kookie...", flüstert er mir leise in mein Ohr, während er mir beruhigend durch die Haare fuhr. Mich weiterhin sanft an sich presste und mir damit einfach nur mitteilte, dass er gerade bei mir bleiben würde und mich nicht verlässt. Sein ruhiger Atem streifte immer wieder meine Haare, während er mir mit seiner freien Hand kleine Muster auf den Rücken zauberte. Er gab mir das was ich in diesem Moment am meisten brauchte...
"Was ist hier los?!", vernahm ich plötzlich die aufgebrachte Stimme von Jin, worauf ich auch endlich meine restlichen Hyungs wahrnahm, welche uns beide skeptisch beobachteten. Als ich dann auch noch mein verweintes und wahrscheinlich auch rotes Gesicht anhob, gingen bei ihnen die Alarmglocken an.
Sofort kamen alle auf mich zu, was mich fast ein wenig überforderte. Leise schluchzend löste ich mich aus Taes Umarmung und schlang meine Arme dafür schützend um meinen Körper. Aber sobald ich in den Armen von Jin lag, schwellte auch dieses Gefühl ab. Ich versuchte mich wirklich zusammenzureissen, gerade weil sie alle nicht wussten, weshalb ich mich gerade in einer solchen Verfassung befand.
Plötzlich tauchte Yugyeoms besorgtes Gesicht vor meinem auf, worauf ich ihn versuchte kläglich anzulächeln. Besorgt versuchte auch er mich anzulächeln und zog verwirrt die Augenbrauen zusammen, bevor er mir, genauso wie Tae es vorhin noch tat, behutsam durch die Haare fuhr.
Leise schluchzte ich weiterhin vor mich hin und liess meinen Tränen einfach freien Lauf. Kuschelte mich einfach nur an meine Familie und liess meine Hyungs laut durcheinander reden. Liess es zu, dass sie sich um mich kümmerten. Liess es zu, dass sie mich alle in eine kleine Gruppenumarmung zogen. Doch ich wusste nicht wirklich, wie ich mich fühlen sollte. Ich konnte das Ganze nicht so geniessen, wie ich es eigentlich sollte...
Zögerlich zwang ich mich schliesslich aus der Umarmung meiner Familie, worauf sie mich mal wieder besorgt ansahen. Versuchten mir, alleine mit ihren Blicken, irgendwie zu helfen, was aber masslos scheiterte. Stumm musterte ich sie einen kurzen Augenblick. "Ich will... will zu meinem Bruder...", kam es ganz leise aus mir, worauf Jimin, welcher mir über die nasse Wange fuhr, in seiner Bewegung inne hielt. Verwunderte Blicke lagen auf mir, aber auch genauso auf Tae...
"Zu wem möchtest du?", fragte Jin noch einmal zögerlich nach. Alle wussten, dass ich ein Einzelkind war. Ich hatte eigentlich keinen Bruder... Ich hatte nur meine Eltern. "Zu Jimin? Yoongi? Oder doch Hoseok?" Stumm schüttelte ich einfach nur meinen Kopf. Nein nicht zu ihnen... Auch wenn alle meiner Hyungs genauso die Bruderrolle einnahmen.
"Wo ist Nuri und Jungwon?", fragte ich leise weiter, ohne auf die Fragen der anderen einzugehen. Ihre Blicke sprühten nur so vor Verwirrung. Aber ich wollte es ihnen gerade nicht erklären, dazu fehlte mir die Kraft. Ich wollte einfach nur Jungwon in meine Arme schliessen und ihm sagen, dass ich ihn lieb habe. Wenn es unsere Mutter schon nicht tun konnte, wollte ich das immerhin für sie übernehmen...
"Jungwon ist bei Nuri auf der Couch, im Wohnzimmer.", erklärte mir Hoseok, worauf ich, ohne zu warten, in das angrenzende Zimmer lief. Sofort stachen mir die beiden Personen entgegen, welche ich suchte. Nuri, welche anscheinend schon vieles von vorhin mitbekam, sah mich bereits beim Eintreten besorgt an.
Die Beiden sassen in eine Decke eingewickelt auf der Couch. Während Nuri anscheinend vorhin mit dem Handy beschäftigt war, sass Jungwon auf ihr und kuschelte sich an ihren Oberkörper, die Arme fest um sie geschlungen. Anscheinend schien er schon zu schlafen. Waren wir erst so spät nachhause gekommen?
Verunsichert blickte ich die beiden schweigend an. Was hatte ich hier bitte vor? Der Kleine wusste doch überhaupt nicht, dass ich sein Bruder war, geschweige denn dass er überhaupt jemanden aus seiner leiblichen Familie kannte. Möglicherweise erzählte ihm Tae auch überhaupt nichts von unserer Mutter. Vielleicht wollte er damit noch warten... Woher wusste ich, dass ich ihm so nahe kommen durfte?
Doch nur ein paar Sekunden später schien mir Taehyung meine Entscheidung abzunehmen. Denn ohne, dass ich es bemerkte, stand er plötzlich neben mir und verschränkte meine Finger mit seinen. Schenkte mir ein kurzes Lächeln, was mein Herz mal wieder in paar Oktaven höher schlagen liess und mich einen Augenblick wieder von meinem Gefühlschaos erlöste...
Ohne ein Wort zu sagen zog der Ältere mich zu Jungwon und Nuri hinüber, wobei uns zweit genannte immer noch verwirrt ansah. Entschuldigend versuchte ich sie kurz an zu lächeln, was aber eher scheiterte als dass es sie beruhigen sollte. Stumm sah sie uns beiden zu, wie Taehyung sich neben sie setzte und seinen Sohn aus liebevollen Augen betrachtete. Ihm kurz zärtlich über die Wange fuhr, bevor er sich wieder mir zuwandte.
Mit einem leichten Ruck, welcher mich jedoch ziemlich aus der Fassung brachte, zog er mich schliesslich auf seinen Schoss, so dass ich seitwärts auf seinen Beinen sass und ihn einfach nur verwirrt ansah. Was stellte er nur mit mir an? Oder besser gesagt weshalb suchte er nun doch so stark meine Nähe? Warum verhielten wir uns teilweise schon fast wie ein Pärchen?
🥀⌛🍃
DU LIEST GERADE
My Time / Taekook
FanfictionWas geschieht, wenn man nach zehn Jahren aus dem Koma erwacht? Wenn man dachte, dass man nur ein paar Tage weg war und alles noch beim Alten wäre. Doch dann schlägt einem die bittere Wahrheit ins Gesicht, welche einem in diesem Moment den Atem raub...