Sie ging in der Gewissheit...

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Kompletter Prompt, Stichwort kann man das nicht mehr nennen: Er/sie ging in der Gewissheit, nie mehr die Sonne zu sehen.

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„Nur nicht so schüchtern." Donn führte sie hämisch grinsend zu einem pechschwarzen Fahrstuhl. Wenigstens war dieser nicht durchsichtig, wie der, den sie jeden Tag nutzte, um zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen. Die Türen glitten geräuschlos auf, der Geruch nach Schwefel hüllte sie ein. „Dann mal ab mit dir in die Hölle", witzelte der Sohn ihres Chefs. Lissa schluckte. Er meinte mit Sicherheit das Büro seines Vaters, über den er sich an den Tagen zuvor mit Schimpfwörtern und Begriffen lustig gemacht hatte, bei denen ihr im Nachhinein noch die Ohren klingelten. Mit gesenktem Haupt folgte sie ihm hinein. Sie hatte es sich mit ihrer kindischen Aktion selbst eingebrockt. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass ihr Kollege nicht auf den Knopf für die Etage drückte, wo Hadal residierte, sondern auf einen der untersten, die tiefer als das Erdgeschoss lagen. Er nahm sie mit in den Keller? Das war nicht sein Ernst!

„Wo bringst du mich hin?" Lissas Stimme zitterte ein wenig, verriet ihre Angst. Dort unten gab es keine Tiefgarage und Cassandra hatte ihr geraten, sich von der Ebene fernzuhalten.

„Das wirst du schon noch merken." Er trat einen Schritt auf sie zu, nahm eine ihrer Haarsträhnen zwischen die Finger. „Wer weiß, vielleicht gefällt es dir dort unten ganz allein mit mir", flüsterte er mit heiserer Stimme. Sie wich zurück, stand mit dem Rücken zur Wand. Nicht nur wortwörtlich. „So große Angst? Das hättest du dir vorher überlegen sollen." Er lachte leise. Lissa senkte das Kinn auf die Brust, verharrte so, bis der Fahrstuhl stoppte und sich die Türen wie Schlangen zischend öffneten. Brütende Hitze, wie in einer Sauna direkt nach dem Aufguss, schlug ihnen entgegen. Das Mädchen keuchte auf. Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn.

„Na komm schon, Engelchen." Donn packte sie am Arm, zog sie aus dem Lift, der sich augenblicklich schloss. Die schwüle Hitze drohte sie niederzuzwingen, doch der Mann zerrte sie vorwärts, einen dunklen Gang hinein. Die Wände schwarz gestrichen, der Boden tiefrot gefliest. Sehnsüchtig sah sie zurück in die Richtung, aus der sie kamen. Wohin der Sohn ihres Arbeitgebers sie führte, es bedeutete nichts Gutes. Abrupt blieb sie stehen, wehrte sich gegen den eisernen Griff um ihren Unterarm.

„Vergiss es, Donn. Du hast deinen Spaß gehabt. Lass mich endlich los." Lissa fühlte, wie ihr Herzschlag immer weiter beschleunigte. Das Blut rauschte in ihren Ohren, ihr Atem stockte. Würde ihr jemand zu Hilfe kommen, wenn sie laut aufschrie? „Ist hier jemand?", rief sie in die Dunkelheit hinein.

„Aber nicht doch Engelchen." Donn riss sie vorwärts, drückte sie mit dem Rücken gegen eine Wand. „Ich dachte, du wolltest ein wenig Zeit mit mir verbringen. Das ist die Gelegenheit für dich." Sein Atem strich über ihr Gesicht, in seinen eisblauen Augen glitzerte es. Wie Sonnenstrahlen, die auf die Wasseroberfläche eines Gebirgssees trafen.

„Da kann ich mir einen angenehmeren Zeitvertreib vorstellen", knurrte sie, holte nur oberflächlich Luft. Sein Aftershave roch verführerisch. Nutze er überhaupt eins oder war es sein Deo, dass sich in ihrem Geruchssinn für die Ewigkeit einbrannte. Sie hatte ihn noch nie mit dem Ansatz eines Bartes gesehen. Ihr Blick fiel auf seine sanft geschwungenen Lippen. Wenn er sie doch endlich für etwas anderes als zum Reden nutzte!

„Bist du dir da sicher?" Er beugte sich vor, ließ ihren Arm los. Das Verschwinden des eisernen Griffs um ihren Unterarm riss sie aus ihrer Trance. Wieso sagte sie ihm nicht gehörig die Meinung? Bevor sie sich bewusst dazu entschloss, rammte sie ihm die Stirn gegen eine Wange. Donn stöhnte auf, taumelte zwei Schritte zurück.

„Du bist nur ein Kollege. Obendrein der Sohn vom Chef. Mit dir irgendwo allein zu sein, bedeutet nur Ärger." Sie drehte sich um. Bloß weg von hier.

„Du kleines Biest", knurrte er ihr ins Ohr, wand seinen Arm um ihren Bauch wie die Schlange um ihre Beute. „Du kommst jetzt schön mit mir mit." Lissa schlug um sich, trat nach hinten aus. Dennoch schien er sie mühelos mit übermenschlicher Kraft tiefer den dunklen Gang hineinzuzerren. „Ob es dir gefällt oder nicht, du bleibst brav an meiner Seite."

„Lass mich bitte los, Donn. Ich werde nie wieder versuchen, dich hereinzulegen", wimmerte sie. Was hatte sie sich da nur eingebrockt? Galle brodelte auf, bahnte sich langsam einen Weg nach oben. „Bitte, mir wird schlecht."

„Keine Angst, wie sind schon am Ziel." Der Mann stoppte vor einer Doppeltür, deren Griffe rot aufglühten. „Willkommen am Tor zur Hölle." Sein Lachen hallte im Gang wider, wurden von den Wänden zu ihnen zurückgeworfen. Sie presste die Hände auf die Ohren, versuchte verzweifelt, den Klang auszublenden, der ihr kalte Schauer über den Rücken jagte.

„Geh hinein", er stieß die Tür auf. Dichter Qualm quoll ihnen entgegen. Lissa hustete, stolperte vorwärts, als Donn sie in den Raum hineinstieß. „Ein Fluchtversuch bringt dir nichts, also denke nicht einmal daran." Er war ihr lautlos gefolgt, stand direkt hinter ihr. „Und jetzt vorwärts." Widerstand war zwecklos. Lissas Augen füllten sich mit Tränen. Sie ging in der Gewissheit, nie mehr die Sonne zu sehen.

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Dem Tode zu naheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt