Preisschild

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„Du sagtest, dass der Engel für euch arbeitet, der in meiner DNA herumgepfuscht hat." Lissa wanderte im Raum auf und ab. „Wo steckt er? Ich will mit ihm reden."

„Call-Center-Bereich. Engel können Menschen alles Mögliche andrehen." Donn erhob sich vom Sofa und streckte sich gähnend. „Ich kann dich gern zu ihm führen. Er hat meinem Vater eh schon in den Ohren gelegen, weil er dich treffen möchte."

„Wie funktioniert das eigentlich mit der Manipulation der Kinder? Wie schaffen sie es, dass die Babys mit Engelsblut in ihren Adern geboren werden? Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass die Frauen ihre Ehemänner mit einem gefiederten Psychopathen für einen One-Night-Stand hintergehen und deren Kinder mit einer reinen Seele geboren werden."

„Das fragst du besser ihn." Donn flüchtete regelrecht zur Tür hinaus.

„Du weißt, wie sie es anstellen, oder?" Lissa hechtete ihrem Freund hinterher. Beim Aufzug packte sie ihn am Arm und drängelte sich vor ihn, um ihn vorwurfsvoll anzusehen. Er presste die Lippen aufeinander und wich ihrem Blick aus. Von dem bekam sie vorläufig keine Antwort. Sie knurrte leise. Das war mal wieder typisch.

Im Bürogebäude führte er sie in eine Abteilung, die sie sonst gemieden hatte. Von oben betrachtet sah der Großraum vermutlich wie eine Ansammlung offener Schuhkartons aus. Das übliche Layout für ein Call-Center. Halbhohe Wände, die die Mitarbeiter voneinander abschirmten. Die Geräuschkulisse der telefonierenden Dämonen und Engel ließ sich nur als unangenehm beschreiben. Ein heilloses Durcheinander unterschiedlicher Stimmlagen.

„Hier möchte ich aber nicht arbeiten", murmelte Lissa. Sie wusste, dass kaum ein Büro so weiträumig und angenehm eingerichtet war, wie das, das sie sich mit Donn teilte, aber gegen dieses Großraumbüro war ein Kaninchenstall noch geräumiger.

„Ob du es glaubst oder nicht. Die haben sich alle freiwillig dafür gemeldet." Ihr Freund schüttelte sich angewidert. „Keine Ahnung, wieso sie das getan haben. Ich kriege hier eindeutig Platzangst. Lass uns Samael zu einer Kaffeepause rausholen und schnellstmöglich mit ihm in die Kantine verschwinden." Donn lief zielstrebig auf einen Mann mit kastanienbraunen Haaren und haselnussbraunen Augen zu, der ihnen freundlich entgegenblickte.

„Wie komme ich zu der Ehre, euch beide hier begrüßen zu dürfen?" Er trat langsam an Lissa heran, die Arme wie zu einer Umarmung erhoben. „Vor allem dich." In seinen Augen glitzerte es feucht. Ohne darüber nachzudenken, überwand sie den letzten Abstand und umarmte Samael. „Danke", hauchte er ihr ins Ohr.

„Lissa hat einige Fragen an dich. Ich würde vorschlagen, wir setzen uns in die Kantine."

„So lange möchte ich meine Arbeit nicht zurücklassen. Kurz vor den Feiertagen ist hier die Hölle los. Aber wir könnten den kleinen Ruheraum auf dieser Etage nutzen."

Gleich darauf stellte Donn zwei dampfende Becher vor ihnen auf den Tisch, an dem sie Platz genommen hatten. „Mir fällt da gerade ein, ich muss noch etwas für meinen Vater erledigen. Ihr kommt ja auch ohne mich zurecht." Kaum hatte er es ausgesprochen, verschwand er auch schon.

Der Engel schaute ihm schmunzelnd hinterher. „Du musst ihn entschuldigen. Er mag das Thema nicht so sonderlich."

„Woher weißt du, worüber ich mit dir reden möchte?" Verwirrt blinzelte Lissa.

„Du möchtest wissen, ob ich mit deiner Mutter geschlafen habe und du daher Engelsblut in dir trägst. Dem ist nicht so." Samael atmete tief durch. „Es gibt drei Möglichkeiten, ein Kind mit reiner Seele zu schaffen. Die unter den älteren Engeln beliebteste ist, mit einer Frau zu schlafen, kurz nachdem es zur Empfängnis gekommen ist. Die Frau bekommt davon nichts mit, denkt nach dem Aufwachen nur, dass sie einen besonders schönen Traum hatte. Schau mich nicht so entsetzt an. Ich habe so etwas nie getan." Er trank einen Schluck von seinem Tee. „Die zweite Variante ist ein gestohlener Kuss. Ebenfalls, wenn die Frau schläft und ebenso ohne ihr Einverständnis." Er schüttelte missbilligend den Kopf. „Ich habe die dritte Variante genutzt. Mit dem Einverständnis deiner Mutter ihren Bauch berührt und dabei ein Gebet gesprochen, um dir Glück und Gesundheit zu wünschen."

Lissa starrte finster in ihre heiße Schokolade. „Lass mich raten, kaum einer nutzt die dritte Alternative."

„Leider." Samael seufzte. „Luriel gehört zu den wenigen Engeln, die sich dafür entschieden haben, immer das Einverständnis einer Frau einzuholen."

„Donn meinte, der Alte wird ihm etwas antun, nur weil er mir geholfen hat." Sie pustete nachdenklich den Dampf von ihrer Tasse. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie der Engel sich erhob und sie mit einem traurigen Blick musterte.

„An jeder unserer Taten hängt ein Preisschild. Manche Aktionen kosten wenig, anderen kosten das Leben. Ich fürchte, für Luriel wird es zu teuer. Er wird es sich nicht leisten können." Der Engel drehte sich kopfschüttelnd um und lief zurück an seinen Arbeitsplatz.

Dem Tode zu naheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt