Nerven aus Stahl

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Nerven aus Stahl, die benötigten Lissa und Donn, seitdem die Kollegen erfahren hatten, dass die zwei ein Paar waren. An ungestörte Arbeit brauchten sie keinen Gedanken zu verschwenden. Jedes Mal, wenn sie annahmen, dass endlich Ruhe herrschte, tauchten die nächsten Störenfriede aus den Tiefen der Hölle, wie Lissa mittlerweile zähneknirschend die Büros der unteren Ebenen nannte auf, um ihnen zu gratulieren oder sie ein wenig zu foppen. Vor allem Donn bekam den Spott ab, ertrug ihn allerdings, ohne mit der Wimper zu zucken, seitdem Lissa ihn vor den Augen der Kollegen in der Kantine geküsst hatte. Er schien eher mit sich und der Welt im Reinen zu sein.

„Wollen wir abschließen?", schlug sie vor, nachdem ein weiteres Dreiergespann gerade ihr Büro verließ. Sie warf einen Blick auf den Papierstapel. „Sonst kommen wir heute zu nichts."

„Ich habe eine noch bessere Idee." Donn packte seine Sachen zusammen, steckte einige Dokumente in eine Tasche. „Im botanischen Garten gibt es einen Raum, der mit allem möglichen technischen Krimskrams ausgestattet ist. Unter anderem mit leistungsstarken Computern und einem breiten Sofa." Er zwinkerte Lissa zu. „Reich mir mal bitte dein Grafiktablet rüber, damit wir es mitnehmen können. Bei den Gewächshäusern suchen sie uns bestimmt nicht. Schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Wir haben Ruhe und du kannst an deinem Projekt mit dem Heilpflanzen-Flyer weiterarbeiten."

„Das ist mal ein Plan, der mir gefällt." Sie reichte Donn das Tablet und die Zeichnungen, die sie aus einer Schublade zog. „Ich muss sie eh noch digitalisieren. Sicher, dass wir dort Zugriff auf ein Grafikprogramm haben?"

„Ja." Er nickte heftig, dann grinste er diabolisch. „Dort kannst du selbst auf das firmeneigene Überwachungssystem und die selbstgedrehten Erotikvideos zurückgreifen, obwohl ich bezweifle, dass du die unbedingt sehen möchtest."

Lissa schüttelte angewidert den Kopf. „Unsere Kollegen in Aktion zu sehen, darauf kann ich verzichten. Bin einigen schon dankbar, dass sie nicht mitten im Flur übereinander herfallen." Sie warf Donn einen Blick zu. „Sag mal, die Videos sind nicht zufälligerweise die Folge des Überwachungssystems?"

Sein Grinsen wurde so breit, dass der Joker voller Neid erblassen würde, wäre er nicht eine ausgedachte Figur. „Richtig geraten. Aber es stört die Bande nicht. Du kennst sie ja. Es würde mich nicht einmal wundern, wenn einige es absichtlich machen würden." Er tippte sich ans Kinn. „Zum Glück habe ich meine Schwester noch nicht mit Andhaka auf einem der Videos gesehen. Dürfte allerdings eher an ihm als an ihr liegen."

„Du siehst dir das an?" Lissas Augen weiteten sich.

„Ja, ich schaue mir zuweilen die Überwachungsvideos an, aber nicht um darauf Kollegen zu sehen, die ein ausgeprägteres Sexleben zu haben scheinen als eine Stuart-Breitfußbeutelmaus in der Paarungszeit."

„Wie bitte was?" Lissa klappte der Kiefer runter.

„Das ist eine Beutelmausart aus Australien. Die Männchen begatten in der Paarungszeit so viele Weibchen wie möglich. Bis zu vierzehn Stunden pro Tag. Danach crasht ihr Immunsystem. Meist sterben sie, bevor ihre Jungen geboren werden." Er schüttelte amüsiert den Kopf. „Das kann Dämonen nicht passieren."

„Dass sie Kinder bekommen?" Lissa fiel ein, dass sie noch nie eine Dämonin mit Babybauch gesehen hatte.

„Das ist sehr wohl möglich und passiert öfter, als du vermutest. Wir haben so einige Mitarbeiter, die sich momentan eine Auszeit zur Erziehung ihrer kleinen Chaoten nehmen. Als Paare wohlgemerkt." Donn stand auf und umrundete die Schreibtische. Sein Blick schweifte kurz über ihren Körper und er leckte sich einmal über die Lippen. „Jetzt sollten wir aber von hier verschwinden. Mein Vater müsste bald von seinem Ausflug in die Hölle zurückkommen und ihm möchte ich jetzt gerade nicht in die Arme laufen."

„Wieso eigentlich? Glaubst du, er hat etwas gegen unsere Beziehung?" Lissa knabberte nervös an ihrer Lippe. Dass Hadal womöglich nicht begeistert davon sein könnte, dass sie etwas mit seinem Sohn anfing, hatte sie nicht bedacht.

„Quatsch. Der schleppt dich bloß zu unserem Firmenarzt und lässt dir Vitamine verschreiben, die sich positiv auf die Fruchtbarkeit auswirken. Er hätte nichts dagegen einzuwenden, wenn Cassy oder ich ihn endlich zum Großvater machten." Donn schlang einen Arm um sie und dirigierte sie aus dem Büro zum Aufzug, der sie in die Tiefgarage brachte.

Während der Fahrt zum botanischen Garten ließ sie Donns Worte auf sich einwirken. Eine Schwangerschaft? Jetzt? Die Sorge um ein Baby in neun Monaten? Dann würden sie etwas Stärkeres als Nerven aus Stahl benötigen.

Dem Tode zu naheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt