Auf ein Neues

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Lissa starrte auf ihren Schreibtisch. Hadal hatte befohlen, dass sie zurück in das Büro kehrte, das sie sich seit dem ersten Tag mit Donn teilte. Alles stand an seinem vorherigen Platz, nichts hatte sich verändert. Seufzend setzte sie sich. Ihre Begeisterung für ihren Job schwand zusehends. Selbst nachdem Andha ihr erklärt hatte, welche Pflanzen Donns seltsames Verhalten hervorgerufen hatten, fand sie keine Ruhe. Sie hatte es satt, dass der Sohn ihres Chefs es nicht für notwendig erachtete, sich bei ihr zu entschuldigen.

„Wird schon schiefgehen", murmelte sie. Mit einem schnellen Griff an ihren Anhänger vergewisserte sie sich, dass die Kette dort hing, wo sie hingehörte. Sie hatte diese seit der Schnäppchenjagd nicht mehr abgenommen. Das anfängliche Fieber und die pochenden Kopfschmerzen waren verschwunden. Auch dank Cassandras aufopfernder Pflege. Die Kollegin war ihr nicht von der Seite gewichen. Lissa schätzte sich glücklich mit ihren Freunden. Auf die beiden war Verlass, im Gegensatz zu jemand anderes, der in dem Moment die Tür aufstieß und wie ein aufgeblasener Pfau in den Raum spazierte.

„Lässt du dich auch mal wieder blicken? Ich dachte schon, du lässt mich die ganze Arbeit alleine verrichten." Donn stützte sich an seinem Schreibtisch auf, starrte sie einen Moment finster an.

„Würde dir recht geschehen." Lissa schaltete den Computer ein, zog die Tastatur zu sich heran. „Leider hielt dein Vater es für notwendig, dass ich hier sitze. Dabei fand ich es bei Andha weitaus angenehmer."

„Halte dich gefälligst von Andhaka fern", knurrte ihr Gegenüber. Einen Moment fürchtete sie, er würde über die Tische auf sie zu springen, doch er ließ sich auf seinen Stuhl fallen. „Es wäre nicht gut, wenn er Cassandra mit dir betrügt." Lissa zog eine Augenbraue hoch. Hatte ihr Kollege nun endgültig den Verstand verloren?

„Ich habe nicht vor, meiner besten Freundin den Freund auszuspannen. Das wäre vermutlich eher deine Spezialität", stichelte sie. Wieso hatte sie Hadals Sohn jemals attraktiv gefunden? Seine Freundlichkeit, mit der er sie zwischendurch bedacht hatte, war nichts als eine Farce. Wertschätzung, Herzlichkeit, das waren Fremdworte für ihn.

„Warum sollte ich Cassandra den Partner ausspannen? Das wäre eher etwas für Gil." Donn linste über den Bildschirm zu ihr herüber. Der Schalk war in seinen Blick zurückgekehrt. Er ließ Lissa keine Zeit, um über seine Worte nachzudenken, überraschte sie mit der nächsten Aussage. „Außer dir interessiert mich niemand. Ich dachte, das hätte ich dir gezeigt."

„Indem du mich bespringst? Darauf kann ich verzichten", zischte sie. Selbst wenn ein psychoaktiver Stoff die Aktion verursacht hatte, solange Donn sich nicht entschuldigte, gab es für sie keinen Grund, ihm freundlich gegenüberzutreten. Das verdiente der Mistkerl nicht.

„Fandest du es denn so schlimm?" Er stand auf, umrundete den Schreibtisch. Lauernd wie ein Raubtier wartete er, starrte sie an. Lissa lief es eiskalt den Rücken hinunter. Sie drückte sich tiefer in ihren Schreibtischstuhl. Was plante ihr Kollege dieses Mal? Eine Gemeinheit, wie zu Anfang ihrer Zusammenarbeit? Ein neuerlicher Versuch, sie zu küssen? Würde er es erneut wagen? Sie verschränkte abwehrend die Arme.

„Das fragst du noch? Wie oft habe ich dir gesagt, dass du mich in Ruhe lassen sollst? Hältst du dich daran? Nein, natürlich nicht. Der Sohn vom Chef nimmt sich das, was ihm gefällt." Sie ließ ihn nicht aus den Augen. Sein Schmunzeln brachte ihr Blut nur noch mehr zum Kochen.

„Wie du sagst, ich nehme mir das, was mir gefällt." Donn beugte sich vor, sah ihr tief in die Augen. „Und das, was mir gefällt, bist nun einmal du. Was macht es da schon, dass mir jemand aphrodisierende Kekse verpasst hat? Ich hätte ihre Wirkung gern mit dir geteilt."

„Darauf kann ich ebenfalls verzichten." Lissa brach den Blickkontakt. Zu sehr brachte er ihr Innerstes durcheinander.

„Ich verstehe. Hatte ich mit meiner ursprünglichen Einschätzung doch recht. Nicht sonderlich hübsch, künstlich und absolut überflüssig. Wie eine Plastikblume." Er wandte sich zum Gehen. „Falls du dich dazu entscheidest, doch etwas für dein Gehalt zu tun, auf dem Laufwerk findest du einen Ordner mit unseren momentanen Aufgaben. Da du mir so nett zu verstehen gegeben hast, dass du nichts für mich empfindest, werde ich jetzt anderweitig Trost und ein wenig Gesellschaft suchen." Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, ließ Lissa mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen zurück. Was bildete sich dieser Lackaffe ein? Sie riss eine Schublade auf, zerrte ihre Materialien hervor. Dabei fiel ihr Blick auf die schwarze Plastikrose.

„Das wirst du mir sowas von büßen!", knurrte sie ungehalten. Sein Glück, dass sie nichts zur Hand hatte, um ihm über seinen hohlen Schädel zu ziehen. Er verdiente es mit jedem Wort, das er äußerte, mehr. Ob Sohn des Chefs oder einfacher Mitarbeiter. Sein Verhalten war nicht akzeptabel. Trotz alledem öffnete sie auf dem Computer den Ordner, schaute die Aufträge durch. Wie zu Anfang würde sie auf sich alleingestellt sein.

„Na dann, auf ein Neues!"

Dem Tode zu naheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt