Geräuschkulisse

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Die Geräuschkulisse war gewöhnungsbedürftig. Gequälte Schreie, die von überall auf sie einzuprasseln schienen. Das Knistern von Flammen, die den Geruch von verbranntem Holz verbreiteten, der kaum gegen den Gestank nach verfaulten Eiern ankam. Schwefel. Donn hatte sie tatsächlich in die Hölle verschleppt. Lissa riss die Augen auf. Die Hitze schien ihr regelrecht die Kleidung von der Haut zu brennen. Bei jedem Atemzug sog sie brennende heiße Luft ein. Panisch schlug sie um sich. Eine Hand schloss sich um ihren Unterarm.

„Keine Angst. Dein Körper gewöhnt sich gleich daran." Donn zog sie an seine Brust und streichelte ihr sanft über den Rücken. Eine angenehme Kühle ging von ihm aus und sie schmiegte sich erleichtert an ihn. „Ein neuer Beweis, dass du nicht rein menschlich bist." Er küsste sie auf den Scheitel. „Kein Mensch könnte dies überleben, doch du passt dich bereits an."

Verwirrt hob sie den Kopf, schaute ihren Freund fragend an. Das Atmen fiel ihr leichter als zuvor und auch die Hitze wirkte eher wie die Wärme eines Sommertags. „Wie ist das möglich?"

„Keine Ahnung, aber das können wir später herausfinden. Erst einmal sollten wir dem Höllenfürsten einen Besuch abstatten. Zu dieser Zeit sollte er sich im Thronsaal aufhalten." Donn nahm ihr die Tasche ab und ergriff ihre Hand. „Bleib immer dicht bei mir. Wenn du das Labyrinth von unserem Training schon verwirrend fandest, die Gänge hier sind um einiges schlimmer."

„Schon allein wegen der Gestalten, die hier unten herumirren", fügte eine ihr bekannte Stimme an ihrem Ohr hinzu. Eisig, völlig leidenschaftslos.

„Gestalten wie du, Aswa?" Sie drehte sich nicht zu dem Dämon um, sondern ließ sich von Donn vorwärts ziehen. Ihr Blick schweifte unruhig umher. Schatten lösten sich von den fast schwarzen Wänden, krochen wie Blutegel auf sie zu. Lissa lief ein kalter Schauer über den Rücken.

„Eher Gestalten wie diese. Überreste von Menschen, deren Seelen seit Jahrhunderten hier unten langsam verrotten. Ihre Taten zu Lebzeiten nicht schlimm genug, um in der Seelensuppe zu landen, dennoch so grausam, dass sie keine Erlösung verdienen." Aswa legte ihr eine Hand zwischen die Schulterblätter, schon sie sanft vorwärts, als sie zu lange an einer Stelle verweilte.

„Wenn du es genau wissen willst, das waren meist Priester, die ihren Glauben über das Wohl der ihnen anvertrauten Menschen gestellt haben. Ein Teil der Prediger schwimmt allerdings in der Suppe. Oft die, die in Internaten als Lehrer angestellt waren und sich dort entgegen ihrer eigenen Gebote verhalten haben. Du kannst dir sicher denken warum sie hier unten gelandet sind. Aswas Lieblinge übrigens. Die bringt er persönlich in die Hölle." Donn führte sie in den nächsten Gang, wo sie das Wimmern und die Schreie weniger wahrnahm. Die Geräuschkulisse hier war weitaus angenehmer.

„Die verdienen es auch nicht anders", brummte der Dämon. „Ich muss weiter, die Arbeit ruft. Nur eine Frage, wieso hast du Lissa hierhergebracht?"

Donn knurrte nach einem Seitenblick auf seine Freundin eine Antwort auf Latein. Aswas Augen weiteten sich im Licht der Fackeln, dann nahm er wieder seine gewohnt leidenschaftslose Haltung an. Gleich darauf verschwand er in einer Rauchwolke.

Sie liefen zu zweit weiter. Nach einer Weile drang Gelächter und Gesang an Lissas Ohren. Donn seufzte und verschränkte seine Finger mit ihren. „Dann treten wir mal dem Teufel persönlich unter die Augen. Ich hätte es wirklich gern noch um einige Wochen aufgeschoben, aber es lässt sich nicht ändern." Er führte sie um einen schroffen Felsen herum, der die Sicht auf einen Höhlenraum verdeckt hatte, der einem Saal aus einem Horrorfilm glich. Menschliche Skelette in überdimensionalen Vogelkäfigen, die an schweren Eisenketten von der Höhlendecke hingen, begrüßten die Ankömmlinge mit leeren Augen. An viele Stellen im Boden brodelte es in Magmapfützen. Dämpfe stiegen auf, erinnerten Lissa mit ihren undurchsichtigen Nebeln an die Nebelschwaden im Nobiskrug. Dämoninnen räkelten sich am Fuße eines fast deckenhohen pechschwarzen Throns, der mit Totenschädeln verziert war, in deren Augenhöhlen jemand funkelnde Rubine gesteckt hatte. Auf dem Herrschersitz saß Hadal, der gelangweilt den Blick durch den Saal schweifen ließ, bis er seinen Sohn und dessen Begleitung entdeckte. Er richtete sich auf, winkte beide mit einer energischen Armbewegung zu sich. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er ihrer verschränkten Hände gewahr wurde. „Nun mein Sohn, was verschafft mir die Ehre eures Besuchs. Ihr seid wohl kaum gekommen, um mir von eurer Beziehung zu erzählen."

Donn zog den Papyrus hervor, reichte ihn an seinen Vater. Dieser strich über den angesengten Rand. Sein Lächeln verschwand. „Das hatte ich befürchtet", murmelte er. „Jetzt führt wohl kein Weg mehr daran vorbei. Sie werden meine zukünftige Schwiegertochter nicht in die Hände bekommen."

Zustimmendes Knurren erklang von allen Seiten. Die Dämoninnen, die sich zuvor zu Hadals Füßen wie rollige Katzen geräkelt hatten, standen auf und fletschten die Zähne. Aus allen Ecken kamen weitere Wesen der Hölle dazu, stellten sich ehrfürchtig in Reihen vor ihrem Herrn auf.

Dem Tode zu naheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt