Intrigenspiele

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Misstrauisch beobachtete Cassandra nun schon eine geschlagene Viertelstunde die Neuankömmlinge. Allesamt so ansehnlich wie der Rest der Arbeitnehmer. Lissa wischte sich zum wiederholten Male die schwitzigen Hände an ihrer Hose ab. Was hatte die Freundin nur?

„Die schon wieder", brummte Andhaka, der sich an ihrem Tisch niederließ. „Wieso hat der Boss die Gurkentruppe hergeholt? Wir schaffen den Job auch ohne deren Einmischung."

„Die Gegenpartei rüstet auf." Lissa spürte Donns Atem über ihre Haare gleiten. Seit der Übernachtung bei ihren Eltern ließ er sie kaum aus den Augen. „Da können wir nicht zurückbleiben."

„Wer sind sie?" Das Mädchen drehte sich um, sah den Sohn des Bosses fragend an. Er schüttelte nur den Kopf.

„Halte dich von ihnen fern." Donn setzte sich neben sie, packte sie am Arm. „Ich meine es ernst. Die taugen nichts.

„Möchte mal wissen, wer Jilaiya eingeladen hat." Andha starrte eine der Neuankömmlinge feindselig an. Lissa folgte seinem Blick. Eine kleine Schwarzhaarige, die sich geschmeidig wie eine Katze bewegte, lächelte sie süffisant an.

„Kasdeya ist auch dabei." Cassandra verzog das Gesicht, als ob sie in eine Zitrone gebissen hatte. Die Nase kraus, die Lippen zu einem schmalen Strich gezogen, sah sie noch immer unglaublich schön aus. „Freust du dich nicht, deine alte Bettgespielin wiederzusehen, Donn?" Lissa zuckte unmerklich zusammen, schielte aus dem Augenwinkel zu ihrem Kollegen. Er hatte mal etwas mit dieser feurigen Rothaarigen, die aussah, als ob sie allein mit ihrem Blick jemanden zu Asche niederbrennen konnte, gehabt? Mit der hielt sie niemals mit. Enttäuschung zerstörte ihre anfängliche Hoffnung, der Mann würde mehr in ihr sehen.

„Nicht auch noch das hinterhältige Luder." Donn stöhnte auf, fasste sich demonstrativ an den Kopf. „Die hat mir gerade noch gefehlt. Was hat mein Vater sich nur dabei gedacht? Warum nicht Balam oder Caym mit ihren Legionen?" Er seufzte, schob das Tablet weg, das vor ihm stand. „Mir ist der Appetit vergangen."

„Kannst ja nachher mit dem Alten reden. Wenn ich mich recht entsinne, müsstest du heute noch einen Termin bei ihm haben." Cassandra tauschte ihren leeren Teller mit Donns vollem aus. „Da du ja satt bist, hast du sicher nichts dagegen, wenn ich den Rest esse." Zufrieden steckte sie sich ein Stück der Lasagne in den Mund. „Möchtest du auch noch was, Lissa?"

„Nein danke. Ich habe zur Zeit keinen großen Hunger." Ihre Gedanken wanderten weg von den Fremden, zurück zu ihren Eltern. Die Krankheit, die den Körper ihres Vaters zerfraß. Die Sorgen, die ihre Mutter in sich hineinfraß.

„Den Termin habe ich mit Lissa zusammen. Obwohl, wenn ich sie so anschaue," er stockte, strich ihr sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht, „ich bringe dich mal besser zu deinen Eltern. Mein Vater wird das schon verstehen."

„Ich kann doch nicht schon wieder fehlen", wehrte sie ab. Es standen Arbeitnehmern nur wenig Urlaubstage zu. Das betraf nicht nur dieses Unternehmen, sondern war gang und gäbe. Wenn sie ständig freinahm, verlor sie womöglich den Job. Sie starrte auf die Tischplatte. Schritte, das Klacken von hochhackigen Schuhen, näherten sich.

„Hallo Donn, hast du mich vermisst?" Eine verführerische, leicht rauchige Frauenstimme drang an ihr Ohr. Die Rothaarige setzte sich auf den Schoß ihres Kollegen, schlang einen Arm um seinen Rücken.

„Nein, ich habe dich nicht vermisst, Kasdeya. Runter von mir", knurrte er wie ein tollwütiger Hund. Er schubste die Frau auf den Boden. „Verzieh dich und komme mir nicht mehr zu nahe."

„Das wirst du bereuen", zischte sie wie eine Schlange. Ihr Blick fiel auf Lissa. „Gibst dich jetzt wohl lieber mit gewöhnlichen Me..." Donn packte Kasdeya grob in die Haare, spie ihr einige Worte in einer fremden Sprache entgegen. Die Rothaarige nickte, verzog sich stumm zu ihren Freunden.

„Was meinte sie damit?" Lissa sah der Frau unsicher hinterher. Sie strahlte eine dunkle Aura aus, schien von Neid und Eifersucht zerfressen.

„Kümmere dich nicht darum. Kasdeya spinnt ein wenig", kam Andhaka Donn zu Hilfe, der mehrmals hintereinander die Fäuste ballte und wieder lockerte. „Sie versteht nicht, dass Mädchen wie du wertvoller sind als Schlampen wie sie selbst."

„Ich gebe Donn nur selten recht, das weißt du, Lissa", meldete sich Cassandra zu Wort, den Blick auf die Neuen gerichtet, die die Köpfe zusammensteckten und miteinander aufgeregt tuschelten. „Aber halte dich von Kasdeya und ihren Freunden fern. Sie lieben es, Intrigen zu spinnen."

„Komm, lass uns mal zu meinem Vater gehen." Donn zog Lissa vom Stuhl hoch, verschränkte seine Finger mit ihren. „Wir müssen dringend mit ihm reden."

Das Mädchen folgte ihm still an den Tischen mit den anderen Kollegen vorbei zum Ausgang der Kantine. Dort, in einer Sitzecke saßen die Fremden. Jeder einzelne von ihnen starrte es feindselig an. Lissa schluckte. Die Abneigung war offenkundig. Fast schien es, als ob sie die Rädchen in deren Köpfen rattern hörte. Wie sie Gemeinheiten planten. Das ließ nur einen Schluss zu. Die Intrigenspiele hatten angefangen.

Dem Tode zu naheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt