Unter Verdacht

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„Wie bitte? Natürlich habe ich das nicht getan!" Empört schaute Lissa Jilaiya an, die sich wie eine Rachegöttin vor ihr aufgebaut hatte. „Frag mal lieber deine sauberen Freunde, ob die dir nicht einen Streich gespielt haben, um dich gegen mich aufzuhetzen." Die Schwarzhaarige ging ihr seit einigen Tagen vermehrt auf die Nerven. Immer neue Anschuldigungen erfand sie, um sie vor den Kollegen schlecht dastehen zu lassen. Zumindest hatte Hadal es nur schulterzuckend hingenommen, als Jilaiya sie beim Boss wegen etwas angeschwärzt hatte, was nicht auf ihr Konto ging. Ihr Arbeitgeber schien die Sache locker zu sehen und hatte Lissa, nachdem das Biest enttäuscht abgezogen war, beruhigend zugesprochen.

„Früher lief hier alles perfekt, doch seitdem du hier angestellt bist, geht die Firma vor die Hunde." Die Frau warf ihr einen finsteren Blick zu, der selbst Tote vor Schreck zum Leben hätte erwecken können. Was bildete die Zicke sich nur ein?

„Komischerweise sehen meine Kollegen das anders. Die würden euch gern zurück in die Hölle schicken, aus der ihr hervorgekrochen seid." Lissa lieferte sich mit der Schwarzhaarigen ein Blickduell, bis sie ein Räuspern hinter sich vernahm. Abrupt wandte sie sich um und hörte, wie jemand sich eilig entfernte. „Scheint so, als hättest du die Ausgeburt der Hölle verscheucht." Sie schenkte Donn ein zaghaftes Lächeln. Sie waren am Vorabend zusammen auf dem Sofa eng aneinander gekuschelt eingeschlafen. Ungeplant, zumindest von ihrer Seite. Ihr Kollege dagegen versprühte seitdem eine gute Laune, die ihr unheimlich war.

„Ausgeburt der Hölle? Da gibt es noch weitaus Schlimmere, die du bisher nicht kennengelernt hast." Donn zog sie in eine Umarmung. „Wieso hast du mir nicht gesagt, dass sie dich ständig irgendwelcher Dinge beschuldigt? Mein Vater hat es mir gerade erzählt."

„Weil es eh nichts bringt. Sie will mich wegekeln, genauso wie Kasdeya es gern hätte. Damit ich ihr nicht länger im Weg stehe." Lissa kuschelte sich an, atmete tief ein. „Die Zicke hat es nun mal auf dich abgesehen und setzt ihre Freundinnen ein, um mich zu verleumden."

„Damit du bei jeder Missetat, die sie selbst aushecken, unter Verdacht gerätst." Der Mann brummte etwas in einer fremden Sprache, dann küsste er sie auf die Stirn. „Ich werde mit meinem Vater reden. Es kann so nicht weitergehen. Ich weiß ja, warum er sie geholt hat, aber ewig drauf warten, dass das Unvermeidliche eintrifft und wir ihre Hilfe benötigen, bringt auch nichts."

„Weshalb hat er sie überhaupt gebeten, herzukommen?" Lissa rätselte seit Wochen herum, warum die Gruppe fast zügellos jeden terrorisierte, der ihnen in die Quere kam.

„Das darf ich dir nicht sagen. Noch nicht." Er seufzte leise. Seine Brust hob und senkte sich stark. „Bald wirst du es erfahren. Bald ist der richtige Augenblick da. Versprich mir nur eins. Sei mir dann bitte nicht böse." Er zog sie enger an sich, sodass ihre Rippen von der Umarmung schmerzten.

„Warum sollte ich dir dann böse sein?" Sie kämpfte sich aus seiner Umklammerung frei. Wieso sprach er so oft in Rätseln, statt ihr einfach direkt ins Gesicht zu sagen, worum es ging?

„Das wirst du dann schon merken." Er wandte sich ab. „Komm, wir sollten mal in unser Büro zurückkehren. Die Arbeit macht sich nicht von allein."

„Hätte nichts dagegen, wenn sie das täte. In letzter Zeit saufen wir echt ab." Lissa schüttelte sich bei dem Gedanken daran, wie hoch der Stapel mit Aufträgen angewachsen war. Es schien fast so, als ob man sie dauerbeschäftigen wollte.

„Tja, da kannst du dich bei meinem Vater bedanken. Er ist der Auffassung, wenn wir uns vor lauter Arbeit im Büro verbarrikadieren, dich niemand irgendwelcher Sachen beschuldigen kann. Weil du einerseits bei mir und andererseits zu beschäftigt bist, um Unfug anzustellen."

„Unfug ist doch eh eher deine Spezialität." Sie pikste ihren Kollegen in die Seite. Seitdem er sie nicht mehr anbaggerte, genoss sie seine Gesellschaft mit jedem Tag mehr. Er hatte sich seit der Sache mit dem Keks und der Backpfeife sehr zum Guten gewandelt.

„Da hast du auch wieder recht. Allerdings," er lächelte verschmitzt, „wenn ich jetzt etwas anstelle, dann gerätst mit Sicherheit du wieder unter Verdacht."

„Wird echt Zeit, dass Kasdeya und ihre Schoßhündchen verschwinden", murrte sie. „Ich möchte mich hier endlich wieder frei bewegen können, ohne von allen Seiten angegiftet zu werden."

„Das wirst du. Wie gesagt, ich werde mit meinem Vater reden." Er schlang einen Arm um ihren Rücken. „Aber erst kümmern wir uns um die Arbeit."

„So pflichtbewusst kenne ich dich gar nicht. Wo ist der Donn geblieben, der mir das Leben schwergemacht hat?", stichelte sie, genoss gleichzeitig seine Nähe. Wenn er sich ihr gegenüber weiterhin so lieb und besorgt verhielt, nahm sie die Anschuldigungen der Zicken gern in Kauf.

Dem Tode zu naheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt