Bauchpinseln

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Misstrauisch beobachtete Lissa Kasdeya und deren Freundinnen. Statt sie wie sonst mit Beleidigungen zu überhäufen, hatten sie sich dieses Mal auf den Austausch von Komplimenten beschränkt. Wobei Lissa es als Heuchelei der Frauen ansah, als diese sie hübsch nannten und ihr sagten, wie gut ihr doch das Kleid stand. Donn hatte es mit ihr zusammen gekauft. Es passte ihr perfekt und sie fühlte sich wohl darin, obwohl sie sonst lieber Hosen trug. Dennoch traute sie den Frauen nicht. Sie verhielten sich auffällig freundlich.

„Lass dir von denen den Abend nicht vermiesen." Andhaka setzte sich zu ihr, seinen Blick über die Zicken schweifen lassend. „Lilith scheint sich Kasdeya vorgenommen zu haben, nach dem, was ich gehört habe."

„Gut möglich. Beim linken Auge ist das Make-up dicker aufgetragen und einen Tick dunkler. Da muss sie wohl etwas kaschieren." Donn stellte die gerade geholten Getränke auf dem Tisch ab und rutschte auf der Bank zu ihr durch.

„Wasser? Für euch beide?" Andha runzelte die Stirn. „Erzähl mir nicht, dass du dem Alkohol abgeschworen hast. Das wäre mal was ganz Neues."

„Nein. Ich habe nur angeboten, deine Liebste morgen zum Klassentreffen zu fahren. Ich gehe davon aus, dass ihr zwei am Ende der Nacht nicht mehr nüchtern sein werdet." Donn nahm einen Schluck aus seiner Flasche. „Mir gefällt es noch immer nicht, dass ihr Lissa mitnehmen wollt."

„Ach, daher weht der Wind. Hatte mich schon gewundert, dass du für uns den Chauffeur spielst." Andhaka kratzte sich am Nacken. „So sehr, wie ich Cassandras Abschlussklasse verabscheue, aber von denen geht für Lissa keine Gefahr aus. Von denen haben sich alle auf Verführungstechniken spezialisiert."

Donn knurrte zur Antwort etwas, das sich verdächtig nach einem Fluch anhörte und schlang einen Arm um Lissa. Vertrauensvoll lehnte sie sich an seine Schulter. Die langsame Musik, die an diesem Abend im VIP-Bereich des Nobiskrugs gespielt wurde, hatte eine hypnotische und entspannende Wirkung auf sie. Würde ihr Kollege sie jetzt auf seinen Schoß ziehen, würde sie nicht einmal protestieren.

Entsetzt über ihre Gedanken riss sie die Augen weit auf. „Entschuldigt mich bitte einen Moment."

„Wo willst du hin?", knurrte Donn, der sie weiterhin festhielt.

„Ich muss mal. Und wenn du mich nicht bald loslässt, wird es hier gleich ein wenig feucht." Das war gelogen. Sie brauchte einfach nur einen Augenblick allein, um sich der Anziehungskraft des Mannes zu entziehen, der sie wie einen Schatz bewachte. In seiner Gegenwart fühlte sie sich wertvoll, doch bedeutete es gleichzeitig, dass sie immer mehr Zeit mit ihm verbringen wollte. Ein Dilemma, denn er blieb weiterhin der Sohn ihres Arbeitgebers.

„Na meinetwegen," brummte er, „aber nimm Cassandra mit. Bevor sie noch auf die Idee kommt, sich an der Bar volllaufen zu lassen." Sein Blick glitt zur Theke, wo die Freundin gerade einen Shot bestellte.

„Sie hat nicht sonderlich Lust auf das Klassentreffen." Andhaka grinste breit. „Deshalb soll Lissa ja mitkommen, damit es nicht zu langweilig wird."

„Ihr könnt euch gern gleich weiter unterhalten, aber kann mich bitte jemand durchlassen?" Jetzt spürte sie doch ihre Blase und ging ihr das Getrödel der Männer auf die Nerven. Andha entschuldigte sich und stand auf. Lissa marschierte zum Tresen und hakte sich bei Cassandra ein. „Tut mir leid, aber du musst mal eben den Barkeeper verlassen. Ich brauche dich mal."

„Soll ich dir den Rücken streicheln, während du auf Toilette gehst?" Die Freundin kicherte angeheitert.

„Sehr witzig. Na los, komm schon." Sie zog die Frau hinter sich her zu den Waschräumen, wo ihnen Kasdeya in den Weg trat.

„Kein Wunder, dass Donn seinen Blick nicht von dir abwenden mag. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dir dies einmal zu sagen, aber du passt wirklich besser zu ihm als ich. Deine natürliche Ausstrahlung ist erstaunlich."

„Danke. Könntest du mich jetzt bitte durchlassen?" Lissa presste die Beine aneinander. Wieso hatte sie auf der Arbeit so viel Tee getrunken und warum wollte der jetzt mit aller Gewalt raus?

„Aber sicher doch." Die Rothaarige trat anstandslos zur Seite. Lissa eilte an ihr vorbei, dicht gefolgt von Cassandra.

„Was ist denn bitte mit Kasdeya los?", fragte sie etwas später, als sie zurück zur VIP-Lounge liefen. „Seit wann ist die so nett? Das stimmt doch hinten und vorne nicht."

„Der Meinung ist Donn ebenfalls und mir ist da auch nicht wohl zumute. Es schmeichelt mir zwar, wenn sie oder die anderen Frauen mir Komplimente machen, nur traue ich ihnen nicht."

„Zu recht. Das Bauchpinseln ist verdächtig. Die führen etwas im Schilde und ich fürchte, dass wir es schon bald erfahren werden. Doch morgen begleitest du mich erstmal zum Klassentreffen. Dort wird keine von den Zicken auftauchen."

Ein beruhigender Gedanke. Lissas Blick wanderte zu Donn, der ihr entgegen sah und nachdrücklich auf den Platz neben sich wies.

Dem Tode zu naheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt