Am Ende des Tunnels

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Die Partyspiele hatten es in sich. Lissa keuchte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie hatte nicht erwartet, auf der Weihnachtsfeier von Aswa quer über den Parkour gescheucht zu werden. Nur mit Mühe war sie einem der Pendel ausgewichen und hatte sie es bis ans Ende geschafft. Sie warf dem Dämon, der mit verschränkten Armen auf sie wartete, einen finsteren Blick zu. „Blödmann", zischte sie, als sie im Schneckentempo an ihm vorbeischlich.

„Kurze Pause, dann geht es zur nächsten Spielstation." Der Mann zuckte ungerührt mit den Schultern. „Du hast es doch geschafft, also maule nicht herum." Er reichte ihr grinsend eine Flasche Wasser. „Donn meinte, du wärst erst in zwei Monaten dafür bereit. Ich war davon überzeugt, dass du es jetzt schon schaffen würdest. Habe ich die kleine Wette wohl gewonnen."

„Was war denn der Wetteinsatz?" Sie kannte die Dämonen zu genau. Keine Wette ohne Einsatz.

„Es wird ihm nichts anderes übrigbleiben, als die Rolle des Patenonkels zu übernehmen." Aswa ließ seinen Blick liebevoll über Lilith gleiten, die zähneknirschend ein Klemmbrett und einen Stift in den Händen hielt. Die Dämonin schaute sehnsüchtig auf den Parkour, den sie sonst mühelos ablegte.

„Du wirst Papa? Glückwunsch." Lissa umarmte den Hünen. „Donn hatte sowas wegen ihres Bäuchleins angemerkt. Mir war das nicht einmal aufgefallen."

„Danke, meine Süße ist noch nicht so lange schwanger, also behalte es bitte für dich." Er senkte seine Stimme. „Ich bin eh froh, dass Hadal nicht ihr Vater ist. Der würde mich die nächsten drei Jahrhunderte in die Hölle verbannen, wenn Lilith seine Tochter wäre."

„Er wünscht sich Enkelkinder", gab Lissa zu bedenken.

„Ja, aber er zieht es vor, wenn seine Kinder offiziell den Bund der Ehe eingegangen sind, bevor sie mit dem Verhüten aufhören."

„Ziemlich traditionell, wenn man bedenkt, dass er der Teufel ist." Sie schaute sich suchend um. „Wo steckt eigentlich Cassandra? Die habe ich eine Weile schon nicht mehr gesehen."

„Falls du darauf anspielen willst, dass sie und Andha womöglich gerade damit beschäftigt sind, ein Baby zu fabrizieren, muss ich dich enttäuschen. Die Schwester deines Zukünftigen liebt die nächste Spielstation, die du jetzt auch kennenlernen wirst." Aswa schob sie unbarmherzig in den nächsten Raum, in dem ein riesiges ellenlanges Gebilde aus Stoff, das obendrein verknotet aussah, auf sie wartete.

„Was ist DAS?" Verwirrt sah sie ihren Begleiter an. „Das sieht jetzt entgegen eurer üblichen Spielchen nicht gefährlich aus. Oder laufen darin giftige Spinnen und Skorpione herum, denen man ausweichen muss?"

„Nein. Den Tunnel haben wir uns von den Kids ausgeliehen. Es geht darum, schnellstmöglich von einem Ende zum anderen zu krabbeln, ohne sich von den Seitenarmen irritieren zu lassen. Man nimmt leicht mal eine falsche Abzweigung und landet in einer Sackgasse. Die Dämonin, die die schnellste Zeit auf ihren Namen schreibt, bekommt vom Boss eine Woche Urlaub mit einem Partner ihrer Wahl geschenkt." Er lachte leise. „Lilith ist vor allem sauer, weil sie dieses Jahr nicht mitmachen darf. Vielleicht sollte ich ihr mal verraten, dass ich Sonderurlaub beantragt habe, um sie fernab der Kollegen heimlich zu heiraten. Und nach unserer Rückkehr noch mal mit allen zusammen."

„Eine schöne Idee. Das wird ihr sicher gefallen." Lissa studierte eine Weile das Tunnelgebilde, ließ mehrfach ihren Blick vom Tunnelanfang zum Ende gleiten und zählte die Abzweigungen. „Warte hier auf mich." Resolut lief sie zum Anfang und wartete geduldig, bis sie an der Reihe war. Um sich herum roch sie den Alkohol, dem die Dämoninnen schon freudig zugesprochen hatten. Das erklärte womöglich, dass es einigen schwerzufallen schien, den Weg durch das Tunnellabyrinth zu finden.

„Lissa, du bist dran." Zagan wies auf den Tunneleingang und nickte aufmunternd.

Flink wie ein Wiesel fing sie an zu krabbeln. Es war schummrig im Tunnel. Nur wenig Licht drang durch den Stoff, doch sie ließ sich nicht beirren. Im Kopf zählte sie die Abzweigungen mit, die sie zu ignorieren hatte, bis sie zu der kam, wo der Weg weitergehen müsste. Sie robbte immer weiter, bis sie ein Licht am Ende des Tunnels bemerkte. Noch einmal mobilisierte sie ihre Kräfte und kroch schließlich hinaus.

„Es dürfte schwierig werden, diese Zeit zu toppen." Hadal schaute stirnrunzelnd auf seine Stoppuhr. Starke Männerarme zogen sie hoch an eine durchtrainierte Brust. Lissa atmete zufrieden den Geruch ihres Freundes ein.

„Wenn du den Urlaub für uns gewinnst, weiß ich schon, was wir machen können." Donn flüsterte ihr etwas ins Ohr. Ein strahlendes Lächeln schlich sich trotz der Erschöpfung auf ihr Gesicht. Sollten sie eine Reise gewinnen, dann wollte ihr Freund aus eigener Tasche für ihre Mutter bezahlen, damit diese sie begleiten konnte.

Dem Tode zu naheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt