Asche

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Donn trug die Unterlagen zu einem kleinen Gebäude neben den Gewächshäusern, während Lissa nachdenklich hinter ihm herlief. Das Gesprächsthema von zuvor ließ sie noch immer nicht los. „Sag mal, wie stehst du zu dem Wunsch deines Vaters?"

Er hielt in der Bewegung inne und drehte sich zu ihr um. „Nun, so alt wie ich bin, spricht für mich nichts dagegen, Vater zu werden. Allerdings stehen wir erst am Anfang unserer Beziehung und ich möchte nicht, dass du dich zu irgendetwas gezwungen siehst." Er nahm ihre Hand und drückte sie sanft. „Dein Leben hat sich in den vergangenen Monaten so rapide geändert, da wäre eine Schwangerschaft jetzt falsch. Beende erst einmal das College, lerne mit deinen Kräften umzugehen – das ist mir im Moment viel wichtiger." Er beugte sich vor und küsste Lissa auf die Wange. Dann lief er weiter Richtung Tür. Kurz davor hielt er sich an und hockte sich auf den Weg. Etwas hatte seine Aufmerksamkeit geweckt, denn er strich die Grashalme zur Seite und zerbröselte ein wenig Erde zwischen seinen Fingern.

„Was ist?" Lissa hockte sich neben ihn. Er hielt seine Hand hoch. Nun erkannte sie, dass sie sich getäuscht hatte. Die Substanz, die an seinen Fingerspitzen klebte, war feiner als Erde. Grau und fragil. Donn zerrieb noch etwas mehr davon. Wie Farbe verbreitete es sich auf seiner Haut. „Asche? Was hat die hier zu suchen?"

„Das würde mich auch interessieren. Von einer Zigarette scheint sie nicht zu stammen." Er roch an seiner Hand. Sein Blick schoss pfeilschnell umher, bis er an einem Gebüsch in wenigen Metern Entfernung hängenblieb. Energisch drückte er Lissa die Tasche mit dem Arbeitsmaterial an die Brust und steuerte dann auf das Gestrüpp zu. Behutsam befreite er einen Fetzen braunen Papiers aus den Zweigen. „Papyrus." Er hielt ihr das Stück vor die Nase, auf dem ihr unbekannte Schriftzeichen standen.

„Wovon ist das? Es sieht alt aus." Sie legte den Kopf schief, kniff die Augen ein wenig zusammen und betrachtete es genauer. Die Tinte war rissig, bröckelte an einigen Stellen ab.

„Ein alter Vertrag. So wie es aussieht, müssen wir leider doch direkt umkehren und mit meinem Vater sprechen. Ich schließe nicht aus, dass wir bald Kasdeya und die anderen zurückholen müssen. Das hier," er steckte das Papier vorsichtig ein, „ist eine Warnung."

Lissa schüttelte sich unbehaglich. „Vielleicht liegt es ja schon länger dort", versuchte sie ihren Freund zu beruhigen.

„Nein, das hat eindeutig jemand vor wenigen Stunden verbrannt." Donn stand auf, sah sich aufmerksam um. Sein Blick verharrte auf einem Gewächshaus, einer Ecke davon.

Lissa schaute ebenfalls in die Richtung, nahm eine verschwommene Bewegung wahr. „Hast du das gesehen?", wisperte sie?

„Und ob ich das gesehen habe", knurrte er und streckte seinen Rücken. Die Muskeln spannten unter seiner Kleidung. Er schien sich auf einen Kampf vorzubereiten. Doch bevor er auf dein vermeintlichen Feind losstürmen konnte, blendete sie ein gleißender Blitz. „Verdammter Mistkerl", grollte Donn.

Lissa rieb sich die Augen. „Was hat das zu bedeuten?"

„Ich befürchte, unsere Feinde sind auf dich aufmerksam geworden. Deswegen haben sie uns diesen Gruß hinterlassen, wie ich vermute." Er wies auf das mit Asche verschmierte Gras. „Das gefällt mir überhaupt nicht. Wieso sollten sie deinetwegen einen uralten Vertrag verbrennen?" Seine Miene wandelte sich von verwundert zu steinhart. „Wir kehren sofort um." Donn zerrte sein Smartphone aus der Tasche, fotografierte die Beweise, dann zog er sein Shirt aus.

„Was wird das?", fragte Lissa ihn verdutzt. Das war nun wirklich das Letzte, was sie erwartet hatte. Ihr Freund breitete vor ihr seine schwarzen Schwingen aus.

„Als ich sagte, dass mein Vater von seinem Ausflug zurückkehren würde, war das womöglich ein klein wenig übertrieben. Daher müssen wir jetzt auf dem schnellsten Weg zu ihm. Halt die Tasche gut fest." Er schlang seine Arme um Lissa, presste sie eng an seine Brust.

Sie hörte das kräftige Schlagen von Flügeln, der Boden verschwand unter ihren Füßen. Der Wind zerzauste ihre Haare. Immer schneller, immer höher flog Donn, bis er ohne Vorwarnung in einen rasanten Sturzflug überging. Panisch klammerte Lissa sich an ihren Freund, vernahm einzig ein Rauschen in ihren Ohren, dann hüllte Dunkelheit sie ein.

Dem Tode zu naheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt