Obgleich der Kuchen vorzüglich schmeckte, vertrieb er nicht den bitteren Beigeschmack, den die Worte der älteren Frau heraufbeschworen hatten und der seitdem an ihrer Zunge klebte wie ein Kaugummi am Schuh, in das man hineingetreten war.
„Hast du am Samstag schon etwas vor? Ich habe nach langem Warten zwei Karten für den Nobiskrug ergattert." Jake legte seine Kuchengabel auf den Teller, sah Lissa erwartungsvoll an. Sie starrte stumm aus dem Fenster, beobachtete das unbekümmerte Treiben der Menschen, die einem unbekannten Ziel entgegensteuerten. „Das ist ein neuer exklusiver Club," fügte er hinzu, da sie nicht reagierte, „mit strenger Zugangskontrolle. Es kommt einer Ehre gleich, eingelassen zu werden. Vor allem für Collegestudenten wie uns. Wenn du magst, kannst du mich begleiten." Seine Worte verstärkten noch das negative Gefühl, das sie seit der Ankunft fester im Griff hatte als Donn, wenn er sauer auf sie war.
„Ich muss Samstag arbeiten und werde mich danach früh hinlegen", schlug sie das Angebot aus. „Vergangenen Sonntag kam ich schon nicht zum Lernen, also werde ich mich dieses Wochenende mal hinsetzen und das nachholen."
„Ach komm schon. So gut wie du bist, brauchst du gar nicht lernen." Jake ergriff ihre Hand, streichelte mit dem Daumen über ihren Handrücken. Wo war der schüchterne junge Mann von der Autofahrt hin? Ein kalter Schauer rann über ihren Rücken. Angestrengt starrte sie durch das Fenster. Eine große breitschultrige Person lief vorbei. War das etwa? Sie reckte den Hals, um einen besseren Blick zu erhalten, doch er war zu schnell ihrer Sicht entschwunden. Das Pochen hinter ihrer Stirn nahm in Intensität zu. Sie zischte auf, führte die Hand zum Kopf.
„Tut mir leid, Jake, aber wie ich bereits sagte, ich habe keine Zeit. Und ich würde jetzt gern gehen." Sie packte ihre Tasche, kramte das Portemonnaie hervor. Die Tür zum Café wurde geöffnet, jemand trat ein.
„Weißt du überhaupt, was ein wenig Spaß ist? Immer nur lernen und arbeiten. Möchtest du dich nicht einmal etwas entspannen?" Sein Blick, der sonst auf ihr Gesicht gerichtet gewesen war, wanderte nun tiefer zu ihrer Brust. Also doch! Sie stand auf, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Wieso hatte sie sich erst in ihm getäuscht? So wie bei Donn. „Lissa, bitte. Was ist denn mit dir los? Wir könnten so schön etwas zusammen unternehmen." Ja klar, das beschränkte sich vermutlich nicht auf den Clubbesuch. Andererseits würden ihre Kollegen verhindern, dass Jake zu aufdringlich wurde, wenn sie ihre Anwesenheit dort bemerkten. Doch dazu würde es nicht einmal kommen. Rückwärts lief sie zum Tresen, um zu bezahlen.
„Läufst du vor mir weg?" Der junge Mann stand auf, pirschte sich an wie ein hungriges Raubtier. Ein Arm schlang sich von hinten um ihre Taille. Sie schrie entsetzt auf, schlug die Fingernägel in die große Pranke, doch der Kerl hielt sie unbeirrbar fest.
„Lissa hat bereits etwas vor", knurrte eine ihr bekannte tiefe Stimme. Erleichtert atmete sie aus. Gerettet! „Also verzieh dich." Jakes Gesichtsausdruck wechselte von empört über ungläubig zu ängstlich. Er legte schnell einige Geldscheine auf den Tisch und hastete zur Tür. „Wenn ich auch nur höre, dass du Lissa noch einmal belästigt hast, komme ich mit ein paar Freunden bei dir zu einem Gespräch vorbei", rief ihr Retter dem jungen Mann hinterher. Kaum war dieser verschwunden, drehte sie sich um.
„Danke Andha." Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihren Kollegen auf die Wange. „Der Typ hat es einfach nicht kapiert, dass ich kein Interesse habe. Zum Glück warst du in der Gegend."
„Kein Problem, Kleines. Dafür sind wir auch da. Wir schützen einander gegen Bedrohungen jeglicher Art. Soll ich dich nach Hause bringen?"
„Das wäre super, aber erst möchte ich noch etwas für meine Eltern kaufen." Sie wies auf die Vitrine, in der die Köstlichkeiten weiter ihre Runden drehten.
Kurze Zeit später lief sie mit zwei Stück Kuchen zu Andhakas Wagen, der nur wenige hundert Meter entfernt auf sie wartete.
„Ich bin echt froh, dass du zu meiner Rettung aufgetaucht bist." Wenn er wie aus dem Nichts auftauchte, wieso dann nicht Donn? Erschrocken riss sie über den Gedanken die Augen auf. Ausgerechnet der Kerl, den sie am liebsten auf den Mond schießen wollte, sollte sie retten? Was war nur los mit ihr?
„Gern geschehen. Ich habe nur eine Bitte." Er atmete tief ein, pustete die Luft mit einem leisen Pfeifton aus. „Komm wieder zum Mittag in die Kantine. Es ist langweilig ohne dich. Außerdem mussten wir heute sogar Chil an unserem Platz ertragen." Der große Mann schüttelte sich, verzog den Mund, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Sein Blick wanderte zu einem Punkt nicht weit entfernt. Seine Lippen zogen sich nach oben, zu einem dämonischen Grinsen. „Aber wenigstens war es nicht der Sohn vom Chef."
„Das hätte ich aber gern gesehen." Lissa kicherte leise. „Donn und Cassandra am selben Tisch."
„Na danke." Andha stupste sie mit dem Ellenbogen in die Rippen. „Ich esse lieber in Ruhe, ohne irgendwelche Streitgespräche, die die beiden Dickköpfe bereits tausende Male geführt haben. Deine Anwesenheit ist mir da um einiges lieber", fügte er so laut hinzu, dass es vermutlich hunderte Meter entfernt locker zu hören war. Lissa schaute in die Richtung, in die er unentwegt starrte. Ein schlanker Mann, in grauem Shirt und blauer Denim stand dort an eine Wand gelehnt, das rosa Basecap tief in die Stirn gezogen.
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Dem Tode zu nahe
ParanormalEin Mädchen - ein Job. Das Unternehmen? Rätselhaft bis skurril. Die Kollegen? Wie den Covern von Modezeitschriften entsprungen. Der Chef? Zwischen unheimlich und charmant. Der direkte Kollege ein Arsch und obendrein Sohn des Chefs. Was kann da schon...