Verstummendes Gelächter

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Lissa konnte es immer noch nicht fassen. Donn hatte sie am Vorabend geküsst. Wenig später hatten sie kuscheln im Bett gelegen. Nein, sie hatten nicht miteinander geschlafen, sondern einfach nur die Anwesenheit des jeweils anderen genossen. In den Armen des Todes war sie eingeschlafen, auf seiner Brust aufgewacht. Beim Frühstück hatten sie einander stumm in die Augen geschaut. Tausende Gedanken tanzten seitdem durch ihren Kopf. Allen voran die Frage, wie es nun weiterging.

Still betrat sie an seiner Seite die Eingangshalle der Firma seines Vaters. Kollegen tummelten sich wie üblich in der weitläufigen Halle, nicht gewillt, so früh am Morgen an die Arbeit zu gehen. Vor wenigen Wochen hatte sie diese laxe Haltung noch verwundert, doch seitdem sie wusste, dass sämtliche Mitarbeiter Dämonen waren, akzeptierte sie es ohne Murren. Die Meisten von ihnen trieben sich nachts für Aufträge herum, die mehr zu ihnen passten als die Arbeit in einem Unternehmen. Chaos zu stiften, Aktionen von Engeln auszugleichen, das gehörte zu ihrem Metier. Selbst Flaga verließ dafür das Gebäude. Manchmal tauchte sie auch laut Andhaka in die Hölle ab, um nach den Seelen zu schauen, die im großen Kessel der Seelenküche köchelten. Diese diente dazu, Mörder, Vergewaltiger und Kinderschänder auf ewig zu quälen. Ein schöner Gedanke. Vor allem im Vergleich zu der Gegenpartei, die selbst solchen Menschen verzieh, wenn sie ihre Sünden vor einem ihrer Vertreter beichteten und am besten noch einen Obolus spendeten. Der Teufel und seine Angestellten waren da weniger vergebungsgesinnt.

„Komm, lass uns ins Büro gehen." Donn schlang seinen Arm um sie und führte sie zum Fahrstuhl. Händchen zu halten, trauten sie sich nicht. Zu unsicher waren sie, wie die Kollegen über den Sinneswandel, der bei beiden eingesetzt hatte, reagieren würden. Spott und Hohn? Weil es so lange gedauert hatte? Abneigung und Schrecken, weil ausgerechnet der Tod, der sonst nur kurzweiliges Vergnügen gesucht hatte, jetzt eine feste Beziehung anstrebte? Die Worte, die Donn ihr am Morgen ins Ohr geflüstert hatte, ließen sie erneut erröten. Als der Aufzug weit genug nach oben gefahren war, ergriff sie seine Hand. „Keine Sorge, vorläufig erzählen wir ihnen nichts", murmelte er. „Sie werden eh nicht verstehen können, wieso ausgerechnet du, die vernünftigste unter den Frauen im Gebäude, sich mit dem Tod einlässt."

„Weil er einen Weg in mein Herz gefunden hat." Lissa trat aus dem Aufzug und marschierte auf das gemeinsame Büro zu, ohne sich nach Donn umzuschauen. Ihre Wangen glühten mit der Sonne, die am wolkenlosen Himmel nach oben stieg, um die Wette.

„Du hast dich zuerst in mein Herz geschlichen. Deswegen konnte ich dich damals auch nicht sterben lassen", hörte sie ihn hinter sich murmeln. Sie drehte sich abrupt um.

„Bedeutet das, es war gar kein Fehler?" Lissa schluckte, als Donn zu ihr trat, eine Hand an ihre Wange legte und sie sanft küsste.

„Es war nie ein Fehler. Ich habe damals etwas gespürt, als ich an deinem Bett stand. Etwas, das nicht in die Welt der Menschen gehörte. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich dafür verantwortlich bin, dass du nicht rein menschlich bist oder jemand anderes." Der Mann strich ihr liebevoll eine Haarsträhne hinters Ohr. „Aber das ist mir auch egal. Hauptsache, ich darf dich in den Armen halten, dir nahe sein."

Einen Moment blieben sie aneinander gekuschelt stehen, dann räusperte sie sich. „Wir sollten wirklich mit der Arbeit anfangen. Der Stapel wird nicht kleiner."

Bis zum Mittag wühlten sie sich durch die Papierhaufen, beendeten ein Projekt und zogen ein Unkompliziertes vor, das sie in Teamarbeit so weit vorbereiten konnten, dass sie erwarteten, es ebenfalls zum Ende des Tages abschließen zu können. Das Herz schlug Lissa bis zum Hals, als sie an Donns Seite schließlich die Kantine betrat. Der übliche Lärm, das Lachen der Kollegen, ihre lautstarken Gespräche, dröhnten in ihren Ohren.

„Ich weiß, Kleines, wir hätten uns das Essen hinaufbringen lassen sollen", raunte er ihr zu. Seine Nähe gab ihr Kraft und sie stellte sich durchatmend bei der Essensausgabe an.

„Lissa, Donn, kommt sofort her!" Flaga hatte sie entdeckt und winkte sie mit ihrer Suppenkelle zu sich heran. Die Dämonin musterte beide eindringlich, dann lächelte sie. „So ist das also. Dann kommt unser Halunke ab jetzt auch in den Genuss von meinen Leckereien. Du scheinst ihn endlich gezähmt zu haben."

Brüllendes Gelächter der Umstehenden war die Folge. Donn bewegte sich unbehaglich hin und her. Er warf einen Blick in die Runde und sah aus, als ob er kurz davor stand, die Flucht zu ergreifen. Er fasste Lissa bei der Hand, gab ihr mit einem kleinen Ruck zu verstehen, dass er gehen wollte.

Sie entzog sich seinem Griff, betrachtete ihre Kollegen stirnrunzelnd. „Euch wird das Lachen gleich vergehen", murmelte sie und packte Donn am Kragen. Sie lehnte sich vor und drückte ihre Lippen auf seine. Sofort schlang er seine Arme um sie, zog Lissa fest an seine Brust.

Das Gelächter um sie herum verstummte, machte Platz für Laute der Überraschung und ein gelegentliches Räuspern, der Dämonen, die sich an Lissa interessiert gezeigt hatten. Jetzt wussten es alle, doch das kümmerte das Pärchen wenig.

Dem Tode zu naheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt