Klassentreffen

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Kopfschüttelnd betrachtete Lissa die Anwesenden. Sie war von den Besuchen im Nobiskrug halbnackte Menschen gewöhnt, doch an einem Clubabend war das etwas anderes als zu einer ernsteren Angelegenheit wie einem Klassentreffen. Dennoch liefen die Frauen und selbst die Männer hier nur spärlich bekleidet herum.

„Die Kleider sind ja so kurz, dass man sich nicht mal bücken muss, um drunter zu gucken." Donn schüttelte sich neben ihr. „Einige der Weiber tragen nicht mal Unterwäsche."

Ein beunruhigender Gedanke. Lissa lenkte ab, damit sich das Bild nicht in ihrem Kopf festsetzte. „Komisch, ich dachte immer, das würde dir gefallen. Wenn ich da an einige Aktionen von dir zurückdenke." So wie er sie damals unverschämt auf seinen Schoß gezogen hatte.

„Schon klar. Ich habe mich wie ein Idiot benommen," ihr Begleiter packte ihre Hand, „und ich weiß, wie ungern du auf mich hörst. Aber halte dich heute bitte unbedingt in meiner Nähe auf."

Ein Kribbeln schoss ihren Arm hinauf, ausgelöst von seiner Berührung. „Ich dachte, es wäre hier ungefährlich."

„Ungefährlich schon", brummte der Mann. „Zumindest wenn man davon absieht, dass dich einige der Typen am liebsten über die Schulter werfen, in ein einsames Hinterzimmer schleppen und dort wer weiß was mit dir anstellen würden."

„Eifersüchtig?", stichelte sie weiter, obwohl es ihr gefiel, dass er so besorgt um sie war. Doch sie hatte nicht vor, das vor ihm zuzugeben.

„Das kann doch wohl nicht wahr sein!" Andhaka gesellte sich zu ihnen, den Blick zur Fläche gewandt, die von immer mehr Anwesenden zur Tanzfläche deklariert wurde. Cassandra tanzte dort eng umschlungen mit einem Mann, der sie dabei an seine nackte Brust presste. „Dem werde ich gleich mal zeigen, dass er die Pfoten von meiner Freundin zu lassen hat", zischte er wie ein übellauniges Reptil.

„Sie versucht nur, dich eifersüchtig zu machen, damit du ihr später jeden Wunsch von den Augen abliest", kommentierte Donn trocken das Geschehen. „Du kennst sie doch."

Lissas Brustkorb zog sich schmerzhaft zusammen. So entspannt wie er darüber sprach, war zu vermuten, dass er und Cassandra mehr als nur einen Arbeitsplatz miteinander geteilt hatten.

„Wüsste nicht, dass du davon Ahnung hast." Andhaka wischte die Bemerkung Donns mit einer Handbewegung fort. Ihn schien es nicht zu kümmern, dass der Kollege einst sein Konkurrent war.

„Ich kenne meine kleine Schwester halt, obgleich sie nur meine Halbschwester ist." Lissas Begleiter zuckte mit den Schultern. „Mach dir also keinen Kopf. Appetit holt sie sich auswärts, doch gegessen wird zu Hause."

„Ich bin froh, dass ihr mittlerweile besser miteinander klarkommt. Die erste Zeit, nachdem dein Vater sie angeschleppt und uns vorgestellt hatte, seid ihr einander regelmäßig an die Kehle gegangen und habt jeden in euren Streit mit reingezogen. Erst seitdem Cassandra sich mit Lissa angefreundet hat, herrscht endlich Ruhe." Andhaka pikste ihr in die Seite. „Dir haben wir eine Menge zu verdanken, ob du es glaubst oder nicht."

„Ich wollte nicht, dass Lissa zwischen die Fronten gerät. Cassy hat ja erst versucht, sie für ihre Spielchen einzuspannen." Donn seufzte leise. „Doch das war auch meine Schuld. Hätte ich mich von Anfang an besser verhalten, wäre das nicht passiert."

„Deiner Schwester oder unserer süßen Begleiterin gegenüber?" Andha beugte sich runter und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange.

„Pfoten weg", knurrte Donn und zog Lissa an sich heran. „Kannst gerne deine Freundin abschlabbern, aber von meiner," er stockte kurz, leckte sich einmal über die Lippen, „aber von meiner Kollegin lässt du die Finger."

„Wie du meinst. Dann hole ich mir mal mein Mädchen zurück, bevor sie auf Grund meines Desinteresses mit dem Typen durchbrennt." Knurrend stapfte er auf das tanzende Paar zu, warf Cassandra über seine Schulter und verschwand mit ihr nach draußen.

„Sie ist deine Schwester? Wieso hat nie einer von euch ein Wort darüber verloren?" Erleichterung strömte durch Lissas Körper. Zumindest ihre beste Freundin war nie die Bettgespielin von Donn gewesen. Im Gegensatz zu zig anderen Kolleginnen.

„Wir hatten keine Lust, dir zu erklären, wie der Streit entstanden ist. Denn so wie ich dich kenne, hättest du das sicher erfahren wollen."

„Stimmt, also rück mit der Sprache raus." Sie kuschelte sich an den Mann und setzte ihren besten Dackelblick auf.

„So habe ich mir Cassandras Klassentreffen aber nicht vorgestellt." Er seufzte tief. „Aber meinetwegen. Lass uns nach draußen gehen. Dort kann ich es dir in aller Ruhe erzählen."

Dem Tode zu naheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt