Reden ist Silber

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Donn saß mit den Füßen auf dem Schreibtisch an seinem Platz als Lissa etwas später als gewöhnlich das gemeinsame Büro betrat. Sie würdigte den jungen Mann keines Blickes. Stumm wie ein Fisch setzte sie sich an ihren Stuhl und fuhr den Rechner hoch. Das Knuspern und Knistern, das eindeutig zu einer Chipstüte gehörte, ignorierte sie ebenfalls. Er jagte sie nicht auf die Palme, dieses Mal nicht!

Ein Smartphone piepte. Ihres. Sie zog es aus der Tasche, las stirnrunzelnd die Nachricht. Teilte der Idiot ihr ernsthaft per Whatsapp mit, was ihre Aufgabe war? Sie legte das Telefon auf die Tischplatte, weigerte sich, ihm eine Erwiderung zu schicken oder, weitaus schlimmer, zu antworten. Sie hörte ihn auf der Tastatur hämmern.

„Du benimmst dich kindisch", poppte der firmeninterne Chat auf dem Bildschirm auf. Lissa minimierte das Fenster, das erneut aufblinkte. Eine Möglichkeit, das nervige Kommunikationsmittel abzustellen, gab es nicht. Hart verdientes Geld nahm in der Gesellschaft Donns eine ganz neue Bedeutung an.

Sie zog ein Lehrbuch vom College aus der Tasche. Seit wenigen Tagen lernte und arbeitete sie gleichzeitig. Dazu suchte sie ihr unbekannte Themen im Buch heraus und setzte diese in die Praxis um. Learning by doing. Es hatte den Nebeneffekt, dass sie Donn und sein idiotisches Verhalten dabei völlig ausblendete. Solange ihr Chef sich nicht beschwerte, würde sie diese Art des Lernens beibehalten.

Ihr Smartphone klingelte. Sie warf nicht einmal einen Blick hinauf. Wer außer Donn konnte es schon sein? Kopfschüttelnd vertiefte sie sich in ihre Unterlagen. Er bekam sie nicht weichgekocht. Egal, was er anstellte. Eine Weile herrschte Ruhe. Bis jemand wie ein Poltergeist auf die Tür hämmerte. Eben jene flog auf und das rothaarige Grauen stolzierte herein. Kasdeya.

„Donn, mein Schatz. Gehen wir heute Abend zusammen in den Club?", flötete sie, warf dabei kokett ihre Haare über die Schulter nach hinten. Lissa schluckte. Bei der Frau sah jede Bewegung elegant aus, keineswegs einstudiert. „Du kannst dich doch gewiss von diesem Nichts loseisen, um mich zu begleiten." Die Rothaarige umrundete den Schreibtisch, setzte sich auf die Ecke des Tisches, ein Bein grazil über das andere geschlagen. Ihr Rock rutschte dabei einige Zentimeter hoch. Mit den Fingern fuhr sie ihren Oberschenkel entlang. Angefangen beim Knie weiter nach oben.

Hadals Sohn musterte Kasdeya kurz. Desinteresse lag in seinem Blick. Selbst als deren Hand hoch zu ihren spärlich bedeckten Brüsten wanderte, blieb seine Miene kalt und abweisend. Ein kleiner Trost angesichts seines Verhaltens, das er sonst an den Tag legte. Lissa konzentrierte sich erneut auf ihr Lehrbuch. Wenn die beiden nicht gerade in ihrer Anwesenheit vögelten, gab es keinen Grund, das Büro fluchtartig zu verlassen und bei Cassandra Schutz zu suchen.

„Donn, ich rede mit dir", zwitscherte die Frau weiter wie ein aufgeregter Nymphensittich. Viel fehlte nicht und sie sprang dem Mann auf den Schoß. „Du weißt, welches Vergnügen ich dir bereiten kann, wozu meine Zunge fähig ist." Jetzt reichte es aber! Lissa imitierte Würgegeräusche. Dieses eingebildete Flittchen hatte doch nicht mehr alle Tassen im Schrank. Sie arbeiteten in einem Bürogebäude, keinem Edelbordell.

„Warum verziehst du kleines Mauerblümchen dich nicht zu deiner Freundin Cassandra? Dann können die Erwachsenen hier ein wenig Spaß haben." Kasdeya starrte sie finster an, zog die Lippen zu einem Schmollmund. „Sieh es ein, du kannst es nicht mit mir aufnehmen. Donn bevorzugt eine Frau, die ihm jeden Wunsch von den Augen ablesen kann." Wenn das stimmte, wieso verschwand die Schreckschraube nicht in die Hölle, aus der sie stammte? Dem Blick ihres Kollegen nach wünschte er sie genau dorthin. Zu Lissas Verwunderung stand er abrupt auf, hakte sich bei der Rothaarigen unter, die sich unter einem kleinen Juchzer von ihm zur Tür führen ließ.

„Siehst du? Er gehört mir. Du bist ein Nichts, gehörst nicht zu uns." Sie wandte sich Donn zu, schürzte die Lippen. „Nicht wahr, mein Schatz?" Lissa atmete geräuschvoll aus. Mit diesem ewigen Schatz erinnerte Kasdeya sie verdächtig an Gollum. So wahnsinnig, wie sie sich verhielt, passte der Vergleich wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge.

„Zu dir oder zu mir?" Die Frau schmachtete Donn regelrecht an. Wie ein kostbares Schmuckstück, das ihr in ihre Klauen gefallen war. Was sah er nur in dem Biest? Lissa wandte ihre Aufmerksamkeit zum wiederholten Male ihrem Buch zu. Ihre Augen brannten, Tränen drohten zu fallen. Trotz ihrer Wut auf ihn schmerzte es sie, dass er mit Kasdeya mitging.

„Was wird das?", kakelte diese nun wie ein aufgescheuchtes Huhn. Die Tür fiel ins Schloss, ein Schlüssel wurde umgedreht. Sich die Hände reibend lief Donn mit ausdrucksloser Miene zurück zu seinem Schreibtisch. Bevor er sich setzte, warf er Lissa einen fragenden Blick zu, doch sie drehte sich von ihm weg. Sie schuldete ihm keine Erklärung. Nicht, solange er sich nicht entschuldigte. Ihr Kollege ließ sich schulterzuckend auf seinem Platz nieder, tippte wieder auf seiner Tastatur ein paar Worte. Der Chat blinkte auf. Sie erweiterte das Fenster, las die Nachricht, die nur für sie bestimmt war und sie schmunzeln ließ.

„Reden ist Silber." Begleitet von einem Smiley, dessen Mund zugeklebt war.

„Schweigen ist Gold", schickte sie lächelnd zurück. Vielleicht war doch nicht alles zwischen ihnen Vergangenheit.

Dem Tode zu naheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt