Narben

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Angelo's Sicht

Nach einem langen Arbeitstag bin ich endlich zuhause angekommen, Matteo ist unterwegs, wahrscheinlich ist er wieder bei dieser Klara, wie mich das ankotzt. Rose ist auf dem Geburtstag von ihrem Opa und Lucia ist noch bei Kampf, also bin ich alleine zuhause. Zwischendurch ist diese Ruhe auch angenehm, mein Abendessen fällt heute eher mau aus, ein Brot reicht, ich habe keine Lust mir etwas aufwendigers zu machen und ausserdem bin ich hundemüde.

Wärendessen ich esse und noch etwas am Handy hänge höre ich die Haustüre, sicherlich Matteo, das er so früh zurück ist verwundert mich. Ich hätte schwören können das er bis morgens weg bleibt, naja soll mir recht sein, weniger Zeit die er bei Klara verbringt.

Doch als nicht Matteo vor mir steht sondern Lucia bin ich noch verwunderter, was macht sie schon hier? Sie sollte doch erst morgen mittag zurück sein und sich vor der langen Autofahrt ausruhen vom Kampf. Sie wirkt aufgelöst und verwirrt, ihre Augen sind so verschwommen, sonst hat sie immer ihr Ziel klar vor Augen und wird von ihrer Vision angetrieben.

"Angelo, warum? Warum hast
du das nie erzähl? Wir sind alle
für dich da, ich verstehe deinen
Schmerz. Alessio hat mir gesagt..."

Wie lange haben meine Ohren seinen Namen schon nicht mehr gehört? Sehr lange und das sollte auf Ewigkeit so bleiben! Sie soll ihren Mund halten, sie hätte nie von ihm erfahren sollen. Ein alter und lang verdrängter Zorn überkommt mich, meine Worte verlassen ohne nachzudenken meinen Mund.

"Woher kennst du Alessio?! HÖR
AUF ZU SAGEN DAS DU MICH
VERSTEHST!"  Ich schreie sie an, so wie ich es immer tue wenn jemand anfängt über Alessio zu reden. Dad und Matteo habe ich verboten über ihn zu reden und ausgerechnet Sie hat von seiner Existenz erfahren.

"Angelo bitte er hat sich
entschuldigt, es tut ihn leid. Er
wollte dich nicht kränken. Bitte
rede mit ihm, er ist ein guter
Mensch und..."

Spinnt die? Ich soll mich mit ihm versöhnen? Meine Stimme wird zwar leiser aber dir Wut in mir staut sich immer mehr an, ich möchte sie zum Schweigen bringen, am liebsten für immer. Sie soll nie wieder seinen Namen in den Mund nehmen.

"Er ist ein guter Mensch?! Wenn
du das glaubst dann geh doch
zu ihm, verpiss dich. Du hättest
einfach deinen Mund halten sollen
Geh zu ihm und lass dich von
ihm anhimmeln wie toll du bist und das du mir vor Augen hältst wie unvollkommen ich bin!"

Soll sie doch gehen, gehen zu ihm meinen perfekten jüngeren Bruder. Ich brauche sie hier ohnehin nicht.

"Ja vielleicht gehe ich auch zu ihm,
wenigstens ist er erwachsen im
Gegensatz zu dir, du verhältst dich
wie ein Kind"

Sie schreit mich an, normalerweise tut sie das nie, sie bleibt immer die ruhe in Person und überlegt über Strategie nach anstelle harte, kalte und laute Worte heraus zu schreien.

"Dann geh doch! Ich will dich nie
wieder sehen!" Meine Worte sind genauso unbedacht wie alle Worte zuvor, ich sage mal wieder nicht das was ich meine, eine dumme Sünde meiner selbst. Eine Sünde die ich immer und immer wieder begehe, nie sage ich das was ich meine, stattdessen ist es das Gegenteil was ich ausdrücke.

Lucia nimmt ihr Handy und ruft jemanden an wahrscheinlich Klara, die wird wohl kaum Zeit haben wenn sie mit Matteo beschäftigt ist.

Nachdem immernoch keiner ran geht und ich weitere durchdringe Blicke in Lucia versenke, ruft sie erneut jemanden an.

"Alessio kommst du mich abholen,
du hattest recht es war eine dumme Idee mit ihm zu reden."

Im Ernst möchte die mich verarschen? Sie ruft ihn an,  möchte sie das ich sie umbringe und ihm am besten gleich mit.
Das Telefonat beendet schreie ich sie wieder an, Wut das ist das einzige Gefühl was mich gerade vollkommen einnimmt.

"Dein scheiß ernst? Du rufst ihn an
ausgerechnet ihn? Fick dich Lucia,
du kannst vor der Tür warten, raus aus meinen Haus"

Ich packe sie grob an den Schultern und schubse sie zur Türe, ich öffen die Türe und stelle Lucia nach draußen, vor ihrer Nase schlage ich die Türe feste zu und schließe sie ab.
Ich gehe zurück in die Küche, gestresst fahre ich durch meine braunen Haare. FUCK, ich brauche Ruhe doch in meinem Kopf schreit meine innere Stimme.

Immer wieder tut sie mir weh, zuerst bringt sie Dad nachhause, er starb ohne die medizinische Versorgung, das konnte ich unter dem Aspekt verstehen das es sein letzter Wille war, aber das? Sie hat irgendwie Alessio kenne gelernt und er hat ihr auch noch alles erzählt, sie wird denken das ich ein schrecklicher Mensch bin, ein Mensch der sein eigenen Bruder verstößt. Sie hätte nie erwähnen sollen das sie Alessio kennen gelernt hat, sie hätte einfach schweigen sollen und diese dunklen Gedanken in mir hätten einfach weiter ruhen können, ich wäre nicht so aufgelöst und hätte sie nicht schon wieder angeschrien.

Mein Blick fällt aus dem Küchen Fenster, von hier aus sieht man direkt die Straße. Ein schwarzer BMW fährt vor und Lucia steigt ein, auf dem Kennzeichen sind die initialen 'AC' für Alessio Caprelli.

Tränen laufen mir über die Wange, warum weinen ich? Zu viel Druck und Emotionen überkommen mich, so lange habe ich alles verdrängt und jetzt holt mich die Vergangenheit ein.

Sie ist fort, vielleicht für immer und es ist meine Schuld, Dad würde sich im Grab umdrehen wenn er wüsste das ich sie mal wieder aus dem Haus geschmissen habe. Er hat mir immer gepredigt das für sie immer ein Platz in unserem Haus ist, verstehen konnte ich nie was er an ihr findet.

Ich bin so unheimlich gestresst, meine Hände fahren durch meine Haare zu meinem Nacken, dort verweilen sie einen moment. Aus alter Gewohnheit fange ich an wie verrückt an meinem rechten Unterarm an einer alten stark vernarbten Narbe zu kratzen.

Ich kraze solange an der Narbe bis sie blutig ist. Schon immer war das kratzen an meiner Narbe eine Art befriedigung für meine Nerven, immer wenn ich unheimlich gestresst bin kratze ich sie wund, der Schmerz zeigt mir das ich doch Gefühle habe.

Ob ich sie damit endgültig los bin? Ich hoffe es, alle die die versuchen meinen Schmerz zu verstehen sind Narren, keiner weiß wie sehr ich unter dem Tod von Mum gelitten habe und immernoch leide, wie soll jemand wie sie mein leiden verstehen? Sie kennt mich kaum und ausserdem hat sie keine ahnung wie schmerzhaft es ist einen geliebten menschen zu verlieren.

Aber warum zerfrisst mich der Gedanke das sie bei Alessio ist, so viel mehr als der Schmerz der mich all die Jahre heimgeholt hat. Sie ist ein Teil meiner Familie, Dad hat sie zu einem Teil unserer Familie gemacht und ich verstoße sie genauso wie ich es bei Alessio getan habe. Ich bin hier der Narr, fuck ich wollte doch nicht das sie geht, warum hört dieses stechenden gefühl in meiner Brust nicht auf?
Ich wollte doch nur das sie den Mund hält und aufhört in alten Wunden zu bohren.

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Wem tut Angelo auch so leid wie mir? Das plagende Gefühl von Schmerz holt ihn immer wieder ein.😢


Grenzgänger der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt