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Der Protagonist hat endlich sein Buch fertig gelesen und wartet darauf, dass seine Canneloni fertig werden. In der Wartezeit schreibt er über seinen Tag. Tag Nummer 7, damit ist die erste Woche abgeschlossen. Er wachte heute wie gewohnt 30 Minuten vor seinem Wecker auf, was ihn manchmal sehr erstaunte. Irgendwie scheint das mit der inneren Uhr zu stimmen, dennoch stellte er immer zur Sicherheit den Wecker.

Kurz vor dem Aufwachen hatte er mal wieder den größten Schwachsinn geträumt. Er hatte an einem Schreibtisch gegenüber von gut gekleideten Personen gesessen, die sein Gehirn als diejenigen identifizierte, bei denen er am Freitag das Vorstellungsgespräch haben würde. Er sollte dann etwas zeichnen, obwohl der Job nichts mit Kunstfertigkeit zu tun hatte. Seine Zeichnung stellte den Mumintroll dar, worauf sein Gegenüber ihm sagte, der Mumin sei zu lebensfroh für diesen Job.

Das hatte damit zu tun, dass er nach seinem letzten Bewerbungsgespräch eine Absage bekommen hatte, da er zu lebensfroh und vielseitig sei. Das denkt sich der Protagonist nicht aus, so wurde es ihm tatsächlich gesagt. Wahrscheinlich hatte er unterbewusst Angst, dass es am Freitag wieder so ablaufen würde.

Bei der Arbeit angekommen sagte ihm sein Chef, dass er keine Lust auf Arbeit hatte. Der Protagonist wusste nicht, was er darauf antworten soll. Ein "Ich auch nicht" wäre dem Chef gegenüber wohl unangemessen, also schwieg er. Die Zeit ging heute schneller rum als sonst, was daran lag, dass er einiges zu tun hatte und dabei nicht unterbrochen wurde. 20 Minuten vor Schluss sah er auf die Uhr und war überrascht, hatte er doch damit gerechnet, noch mindestens eine Stunde bleiben zu müssen. Sonst sah der Protagonist häufig auf seine Uhr, wenn er bei der Arbeit war.

Eigentlich hatte er sich gestern vorgenommen, sein positives Denken mit auf die Arbeit zu nehmen, das war heute aber gar nicht notwendig. Das war sicher auch davon abhängig, dass sein Chef, aufgrund seiner Unlust, kaum etwas tat und ihn deshalb auch nicht mit neuen Aufgaben unterbrach. Wenn man den Protagonisten alleine lässt, arbeitet er eigentlich ganz effektiv und auch gerne. Leider war das eine Seltenheit.

Auf dem Weg nachhause teilte er seinem Chef noch mit, dass er über die Pfingsten-Woche Urlaub nehmen würde. Das wusste er schon länger, aber da sein Chef sowas ständig vergaß, gab er dieses mal erst eine Woche vorher Bescheid. Einen Unterschied macht es eh nicht, wird er für einen Urlaub nie bezahlt.

Zuhause angekommen, welchselte er ein paar Nachrichten mit seiner Schwester und seiner Freundin. Lange blieb er jedoch nicht zuhause, denn der Protagonist hatte sich vorgenommen, das Buch endlich zu beenden. Genau wie gestern setzte er sich also auf eine Bank am Hafen und begann zu lesen. Relativ schnell stellte sich heraus, dass sich das Ende völlig anders entwickelte, als er es sich zuvor ausgedacht hatte. Das Ende war vollkommen unzufriedenstellend und so dachte der Protagonist, dass es vielleicht sogar besser gewesen wäre, das Buch nicht zu beenden. Irgendwie war ihm das zu simpel, einfach nur zu sagen, dass die Hauptfigur eine Psychose hatte und sich alles, was auf den vorherigen Seiten stand, nur ausgedacht hatte, bzw. halluzinierte. Diese Wendung kam oft genug in Filmen und Büchern vor, neu war es also nicht. Zwar war die psychische Verfassung der Hauptperson immer mal wieder Thema des Buches gewesen, allerdings hätte man sich ein deutlich besseres Ende ausdenken können.

Trotz dieser Unzufriedenheit über das Buch will der Protagonist es als positiv ansehen, dass er nach zwei Jahren endlich fertig geworden war. Im Rahmen seines Studiums hatte er oft so viel zu lesen gehabt, dass er in seiner Freizeit gar keine Lust mehr darauf hatte. Vor allem das letzte Jahr war extrem leseintensiv gewesen, musste er doch etliche Quellen für seine Abschlussarbeit durcharbeiten. Das Ergebnis war meist, dass er gegen Abend so starke Kopfschmerzen hatte, dass er völlig leseunfähig war. Jetzt war der Protagonist froh, dass die Zeit rum war und er wieder mehr Freizeit hatte, die er tatsächlich so gestalten konnte, wie er es wollte.

Oft erinnerte er sich an den Sommer 2022 zurück, als er über ein Stipendium an eine Uni in Finnland gekommen war. Dort sollte er einen Kurs belegen, was er auch fleißig tat. Viel wichtiger war aber alles andere drum herum. Er stellte nach einigen Wochen fest, dass er schon lange nicht mehr glücklich war. Jetzt fühlte er diese Glücklichkeit jeden Tag, als er in Finnland war. Wenige Tage nach seiner Rückkehr war alles wieder wie früher, glücklich war er nicht. Seit dem war er auf der Suche nach dem, was den Unterschied machte. Warum war er in Finnland glücklich gewesen, in Deutschland jedoch nicht?

Die erste Schlussfolgerung war, dass es an der kommerziellen Umgebung liegen müsste. Immerhin war er dort von Marken umgeben, die er sehr gerne mochte. Nicht nur Geschäfte und ähnliches, sondern auch die Getränke- und Brotmarken. Die kleinen Dinge des Alltags waren in Finnland nicht wirklich anders, aber es standen überall andere Marken drauf. Der Protagonist versuchte also, sich diese Kleinigkeiten nach Deutschland zu holen, was jedoch kaum eine Auswirkung auf seine Stimmung hatte. Er wollte auch nicht akzeptieren, dass es an der Natur und den Menschen liegen könnte, immerhin war es unmöglich, diese aus Finnland zu sich zu holen.

Inzwischen glaubt der Protagonist, dem Grund näher gekommen zu sein. Seine Einstellung war in Finnland eine ganz andere. Ohne Ziel verließ er jeden Tag die Wohnung, weil er sich diese mit 3 anderen Studenten teilen musste und er ihre Anwesenheit anstrengend fand. Dadurch war er natürlich viel unterwegs. Außerdem war er sich jeden Tag bewusst, dass seine Zeit vor Ort begrenzt sein würde. Deshalb unternahm er so viel, dass er mit Erriechen der letzten Woche alles erlebt und gesehen hatte, das es so gab.

Das Leben in Deutschland ist ein ganz anderes. Es ist immer gleich. Er hat eine Wohnung, in der er sich wohl fühlt. Er folgt einem festen Tagesablauf. Zwei Jahre später versucht der Protagonist immer noch, sich ein Stück seiner Glücklichkeit aus Finnland nach Deutschland zu holen. Vielleicht ist seine 100 positive Tage Challenge ein erster Anfang dafür.

100 Positive TageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt