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Der Tag verlief heute anders als geplant. Der Protagonist wachte zur gewohnten Zeit auf, obwohl er heute nicht mal einen Wecker gestellt hatte. Das stellte sich jedoch als positiv heraus, denn gegen 9 Uhr schrieb ihm die Sekretärin, dass in der Nacht eine Kundin mehrfach angerufen hatte und unbedingt "Hilfe" verlangte. Das war jedoch unmöglich, denn das Problem lag nicht bei der gebuchten Dienstleistung. Dennoch versuchte er, irgendwie so gut es geht von seinem Bett aus zu helfen, es gab auch einen Plan B. Damit war die Kundin nicht zufrieden und jetzt will sie ihr Geld zurück. Was seltsam ist, denn sie hatte sich ja nun aktiv dagegen entschieden, die Dienstleistung wahr zu nehmen. Die Dienstleistung wurde vollbracht, die Kundin wollte sie nun nur nicht mehr nutzen. Und da es sich dabei nicht um einen Gegenstand handelt, den man bei Nichtgefallen zurück bringen kann, würde sie das Geld auch nicht zurück bekommen. Eine Stunde ging für die Diskussion drauf, das würde sich der Protagonist mit Sicherheit als Arbeitszeit aufschreiben. Ob er dabei nun im Bett lag oder nicht, das ist irrelevant. Vor allem hat er heute eigentlich frei.

Zum Glück war das Wetter so schlecht, Starkregen und Gewitter, dass er nicht zur Arbeit gehen konnte, sonst wäre er wahrscheinlich sogar hin gegangen, um mit der Kundin persönlich telefonieren zu können. Aber man sollte für so einen Schwachsinn nicht immer direkt springen. Der Kunde ist der König ist eigentlich auch eine Lüge, denn eigentlich ist der Kunde vor allem eins: dreist und dumm. Deshalb schrieb die Kundin auch eine Beschwerdemail. Heute sollte seine neue Kollegin arbeiten. Direkt am ersten Arbeitstag eine Beschwerde zu bekommen, ist beschissen, deshalb schrieb er ihr eine Nachricht auf Whatsapp, dass sie die Mail für ihn markieren soll, er kümmert sich dann Montag.

Erst gegen 12 Uhr stoppte der Regen. Dann konnte er endlich zu Netto gehen. Gefrühstückt hatte er schon, er hatte sich sogar ein Ei gekocht. Quasi um das Wochenende einzuleiten. Wochenende, das fand er, hätte er auch verdient, denn er hatte diese Woche vier Überstunden gemacht. Sowieso an seinem freien Tag angerufen zu werden, ist eigentlich nicht in Ordnung, aber er weiß ja, dass das Unternehmen ohne ihn irgendwie aufgeschmissen wäre, zumindest im Moment, wo die neue Mitarbeiterin noch nichts wirklich alleine kann. Außer ihm, der Sekretärin und dem Chef arbeitet da ja keiner und sein Chef hatte vor einem Jahr den Fehler gemacht, fast die komplette Arbeit an den Protagonisten zu geben. Kurzfristig war das sinnvoll, denn er war so oft weg, im Krankenhaus, auf Reha, im Urlaub. Die Aufträge wären anders nicht fertig geworden. Langfristig ist das wirklich schlecht, denn eigentlich ist das Unternehmen in der Position, dass der Protagonist nicht gehen sollte. Die meisten Aufträge sind noch bis Dezember und wenn er vorher gehen sollte, wäre das unpraktisch, weil niemand außer ihm weiß, was er dort überhaupt gemacht hat.

Trotz der zusätzlichen Arbeit und auch der Überstunden hatte er nie mehr als den Mindestlohn bekommen. Und das ist ja das Problem, weshalb er gehen möchte. Seine Arbeit wird zumindest finanziell nicht wertgeschätzt. Von Lob und Dankbarkeit kann er sich keine Lebensmittel kaufen. Obwohl man sowas natürlich abwägen muss, lieber arbeitet man für etwas weniger Geld in einem positiven Umfeld als anders herum. Oder? Kommt wohl auch immer auf den Charakter an. Aber Mindestlohn ist natürlich eine Frechheit, dafür dass das Fehlen des Protagonisten eine kleine Krise im Unternehmen auslösen würde. Deshalb ist er sich inzwischen auch sicher, dass er eine Gehaltserhöhung bekommen würde, wenn er nochmal danach fragen würde.

Bei Netto gab es die Spongebob-Handtücher nicht. Dafür gabs schwedischen Käse, norwegische Schokoladen-Chips und schwedisches Eis. Der Protagonist liebt einen ganz bestimmten dänischen Käse, den blauen Danbo. Aber den gibt es in Deutschland nicht. Manchmal, aber eher ganz selten, gibt es ihn im Grenzshop, aber der ist nun nicht um die Ecke. Er hat jetzt die Hoffnung, dass der schwedische Käse vielleicht so ähnlich schmeckt. Der war teuer, 5€ für den Block. Aber der dänische kostet ungefähr genauso viel. Morgen wird er den Käse zum Frühstück probieren und kann dann berichten, ob sich der Kauf gelohnt hat.

Das Wetter war am Nachmittag so gut, dass er entschied, sich draußen wie geplant an den Hafen zu setzen, zusammen mit dem Buch in der Hand. Dort saß er gar nicht lange, nur etwa 20 Minuten, da wurde er direkt wieder angesprochen. Er starrte fest auf sein Buch, die Leute sollten ihn in Ruhe lassen. Dann sagte diese Person seinen Namen. Es war seine Freundin, die er jetzt schon seit über einer Woche nicht gesehen hatte. Sie machte gerade eine Pause von der Bibliothek, die direkt am Hafen ist, dort schreibt sie an ihrer Masterarbeit. Sie hatte ihn zufällig gesehen und erzählte dann zwei Stunden lang wieder nur von ihrem Crush. Dem Crush, den sie seit September nicht gesehen hatte.

Der Protagonist hat jetzt einen Sonnenbrand. Eigentlich wollte er nur bis Seite 100 lesen, was etwa eine Stunde gedauert hätte. Das ist in Ordnung, davon bekommt er für gewöhnlich noch keinen Sonnenbrand. Aber nach den zwei Stunden ist sein Arm jetzt knallrot. Es war auch nicht besonders leicht, sie wieder los zu werden. Aber irgendwie hatte er es geschafft und in seiner Wohnung angekommen erstmal seine Haut eingecremt.

Während seine Karotten langsam im Topf kochten, saugte er noch schnell. Danach gabs dann Karotten mit Hollandaise und mit Käse gefüllte Röstis. Er hatte jetzt schon viele Wochen keine Karotten gegessen, deshalb freute er sich darauf sehr. Er überlegt jetzt, ob er am Abend noch die restlichen Seiten lesen will, die er nicht geschafft hatte, um bis Seite 100 zu kommen. Seine Freundin hatte nämlich auch gefragt, wie er am Wochenende Zeit hätte, was bedeuten würde, dass er durch ein weiteres Treffen keine Zeit haben würde, um das Buch weiter zu lesen.

Morgen wird der Protagonist seine Handtücher waschen, hoffentlich dieses mal ohne Socke und bei der richtigen Temperatur. Er möchte auch weiter lesen und - sollte er sich nicht spontan mit seiner Freundin treffen - an seinem Buch schreiben.

100 Positive TageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt