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Der Protagonist hatte heute den Spaß seines Lebens. So sollte ein Wochenende sein, zumindest einmal im Monat. Erstaunlicherweise, und er weiß selbst nicht, wie das möglich ist, war er erst um kurz nach 10 Uhr aufgewacht. Davon war er etwas irritiert, aber eigentlich ist das perfekt. Einen Tag ausschlafen, genau das wollte er ja seit Wochen schon.

Zwei Scheiben Brot gabs zum Frühstück, dazu wollte er einen Apfel essen. Der eine hatte wirklich viele braune Stellen und der Protagonist war unsicher, ob er ihn trotzdem essen soll. Dabei hat er die Äpfel am Donnerstag erst gekauft. Zum Glück hatte er noch 6 weitere und der nächste, den er aufgeschnitten hatte, sah normal aus. Und er hat auch normal geschmeckt.

Während er ein paar Youtube Videos sah, überlegte er, wie er am besten zum Hafenfest kommen würde. Er googelte den Fahrplan des Busses und entschied, um 13 Uhr das Haus zu verlassen. Die Haltestelle ist direkt unten etwa 50m von der Eingangstür entfernt. Er hatte geplant, den Bus um 13:23 Uhr zu nehmen und einfach extra Zeitpuffer eingeplant. Als er die Tür hinter sich schloss, fuhr gerade genau der Bus an ihm vorbei. Davon war er irritiert, wieso ist der Bus so früh? Und vor allem kommt der Bus nur alle 30 Minuten, würde er jetzt bis 13:53 Uhr warten müssen?

Zum Glück nicht. Fünf Minuten später kam der nächste Bus, denn extra für das Fest wurde der Fahrplan geändert und der Bus fuhr daher regelmäßiger. Nach 20 Minuten Fahrt kam er am Hafen an und ging Richtung Wasser. Dort war schon eine lange Schlange, jeder musste 5€ zahlen und hat dafür ein Armband bekommen. 5€ Eintritt für ein Fest, auf dem man Geld ausgibt? Der Protagonist empfindet das als Verarschung. Warum muss man Geld bezahlen, um danach noch mehr Geld bezahlen zu dürfen? Aber gut, von den 5€ wird er nicht umkommen.

Als er dann endlich auf dem Gelände war, stellte er schnell fest: zu viele Menschen. Es gab die erste Bude mit Zuckerwatte und Lebkuchenherzen, einige Fahrgeschäfte, Greifarmautomaten und eine Frau, die Lose verkaufte. Er entschied, einmal bis ans Ende zu laufen, ganz am Ende befindet sich nämlich sein Lieblingsplatz. Dort sitzt er gerne, weil man von beiden Seiten das Wasser beobachten kann. Auf dem Weg fand er einen Softeisstand, an dem er sich später ein Eis holen wollen würde.

Nach der Hälfte des Hafens gab es keine Stände mehr. Das führte auch dazu, dass weiter hinten niemand mehr unterwegs war und so konnte der Protagonist die Sonne und das Wasser genießen, ohne dabei von hunderten von Menschen umgeben zu sein. Er stellte sich in den Schatten und sah dabei zu, wie einige Segelschiffe aus dem Hafen heraus fuhren. Gegen 13 Uhr war das angekündigt gewesen, ganz viele alte Schiffe, die inzwischen zum Museum gehören, sollten alle vorbei fahren und von einem Experten erklärt werden. Scheinbar hatten sie mit Verspätung begonnen. Eigentlich interessiert er sich nicht besonders für Boote oder Schiffe, aber sie erinnern ihn an seine Großeltern, die aus Fischerfamilien kamen. Er dachte vor allem an seine Oma, die bestimmt gerne auf einer Bank gesessen und der "Parade" zugesehen hätte.

Den ganzen Tag hatte er schon das Gefühl, er würde heute die Bewerberin, die vor zwei Wochen zum Gespräch vorbei gekommen war, begegnen. Er wusste nicht warum, aber er hatte das auch schon am Abend zuvor irgendwie gespürt. Für 15 Minuten saß er auf einer Bank, dann ging er wieder zurück ins Treiben, um sich ein Eis zu holen. Vanillesofteis mit Schokoüberzug. Das hatte er als Kind immer schon am liebsten gehabt. Es war auch sehr lecker, aber irgendwie zu teuer. 4€ für ein normales Eis. Weil die Sonne so stark schien, schmolz es schneller als er es essen konnte, sodass er sich seine Kleidung damit einsaute. So gut wie möglich reinigte er alles und machte sich dann auf der anderen Seite des Hafens auf den Weg, noch die letzten Stände und Geschäfte an zu sehen. Am Ende stand ein Riesenrad, aber das war ihm zu teuer.

Stattdessen entschied er sich, mit diesem Ding zu fahren, das immer im Kreis fährt, dabei über verschiedene Wellen im Boden. Vielleicht hat das auch einen Namen, er kennt diesen jedoch nicht. Er hatte da sehr lange drüber nachgedacht, denn eigentlich findet er sowas zu teuer. 4€ für eine Fahrt. Aber er sah eine Runde zu und erinnerte sich daran, wie er als Kind mit seiner Oma in diesem Fahrgeschäft gesessen hatte. Und er wollte diese Kindheitserinnerung nochmal erleben. Dadurch dass es noch Nachmittag war und der Andrang nicht so groß war, ging die Fahrt auch relativ lang. Auf jeden Fall hatte er dabei den Spaß seines Lebens und war froh, sich entschieden zu haben, heute auf das Fest zu gehen. Manchmal fällt es ihm nicht so leicht, zu lachen.

Danach setzte er sich nochmal kurz ans Wasser, neben ihm saß ein Paar, das auf dänisch mit einander sprach. Der Protagonist spricht auch dänisch und fand es direkt lustig, sie belauschen zu können. Dänisch hört sich auch immer witzig an. Und in dem Moment lief sie dann tatsächlich an ihm vorbei, die Bewerberin. Mit ihrer Freundin zusammen. Sie scheint also lesbisch zu sein, oder bisexuell, oder was auch immer, nicht hetero. Der Protagonist glaubt, dass sie ihn nicht erkannt hat, mit seiner Sonnenbrille. Trotzdem lächelte er sie an und irgendwie machte sie das ganze noch sympathischer. Nur seinem Chef darf er das nicht erzählen, der hält nicht so viel von queeren Menschen.

Auf dem Rückweg probierte er noch einen Greifarmautomaten aus. Dreist war das, denn die Kralle ging sofort runter, ohne dass er etwas gedrückt hatte. Das Geld war eingeworfen und das Ding ging direkt runter. Das ist Abzocke. Es war aber niemand vor Ort, bei dem er sich hätte beschweren können, also akzeptierte er den Verlust und hoffte, es würde nicht noch jemand darauf reinfallen. Als er mit dem Bus wieder zuhause angekommen war, holte er sich noch einen Döner, er wollte heute nicht kochen.

Morgen will er seine Handtücher waschen, putzen und lesen.

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