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Tag 90, nur noch 10 Tage. Ein komisches Gefühl. Der Protagonist war gegen 4 Uhr mit Augenschmerzen aufgewacht. Die Wattierung seiner Schlafmaske hatte sich so verschoben, dass nun fast der ganze Inhalt auf dem linken Auge lag, sodass dieses gedrückt wurde. Egal was er versuchte, er konnte auf dem linken Auge erstmal nur verschwommen sehen. Aber das sollte ein Problem für später sein, er schob die Wattierung zurück und schlief noch ein paar Stunden. Als er dann morgens aufgewacht war, fühlte sich alles wieder an als wäre nichts gewesen.

Er hatte davon geträumt, dass er zu einem Schulpraktikum gehen müsste. Aus irgendeinem Grund hatte er einen bunt gefärbten Bob, der bis zu seinem Kinn ging. Er trug außerdem eine orangene Schlaghose aus Cord. Das Problem war, dass er gar nicht wusste, wo er das Praktikum machen würde, deshalb war er, wie jeden anderen Morgen auch, einfach zur Schule gefahren. Bevor er das Gebäude betreten konnte, war er jedoch aufgewacht und bestimmt 5 Minuten lang irritiert. Das letzte mal, dass er die Schule betreten hatte, ist schon einige Jahre her, wie kommt sein Gehirn jetzt auf sowas?

Den Morgen hatte der Protagonist mit Putzen verbracht. Es war auch endlich mal wieder Zeit, den Boden zu wischen, denn gerade im Sommer, wenn er oft Barfuß ging, konnte man schnell Fußspuren auf dem Holzboden sehen. Weil das mal wieder alles relativ lang gedauert hatte, konnte er erst gegen 12 Uhr frühstücken. Es gab drei Mini-Laugenbrötchen und dazu ein Omlette. Und die letzten beiden Stücke von der Schokolade. Außerdem hatte er sich einen Apfel in kleine Stücke geschnitten und Kekse eingepackt, damit er diese morgen bei der Arbeit essen könnte.

Den ganzen Tag hatte er schon damit verbracht, darüber nachzudenken, was es eigentlich bedeutet, erwachsen zu sein. Das Thema hatte ihn so sehr beschäftigt, dass er nicht anders konnte, als ein Kapitel darüber zu schreiben. Aber es sollte vernünftig sein, es sollte am Ende auch ein Ergebnis haben. Deshalb hatte er gegooglet und bestimmt 2 Stunden daran gesessen, seine Gedanken zu perfektionieren. Als er halbwegs zufrieden war, war es bereits 15 Uhr.

Den ganzen Morgen hatte es geregnet, deshalb war er eigentlich ganz froh gewesen, nichts weiter geplant zu haben, außer zu lesen. Aber nun kam die Sonne raus und er hatte das Gefühl, er müsste das Wetter nutzen. Auch wenn er dadurch weniger Zeit zum Lesen haben würde, entschied er, einen Spaziergang zu machen. Er startete seine gewohnte Runde, ging aber dieses mal gegen den Uhrzeigersinn. Dabei hörte er Musik und dachte nach. Als er noch an seiner Masterarbeit gesessen hatte, war er jeden Tag spazieren gewesen. Mehrere Stunden, teilweise war er 16.000 Schritte am Stück gelaufen.

Damals war das wichtig für ihn, weil er so das Gefühl hatte, vor seinen Emotionen davon laufen zu können. Er hatte extrem viel bei seinen Spaziergängen verarbeitet, was auf diese Art und Weise in seinem Zimmer gar nicht möglich gewesen wäre. Vor allem aber hatte er einen Weg gefunden, mit seiner Angst vor der Zukunft umgehen zu können. Seit er seine Masterarbeit abgegeben hat und das Wetter besser geworden ist, hatte er keinen größeren Spaziergang mehr unternommen. Es gab gar keine Notwendigkeit dafür. Aber heute hatte er das Gefühl, der Spaziergang hatte ihm gut getan. Wahrscheinlich sollte er das wieder häufiger machen.

Zurück zuhause wollte er dann doch noch die 50 Seiten lesen. Dadurch würde sich sein Abendessen etwas verschieben, aber das war ihm egal. So wirklich viel Sinn machte die Geschichte für ihn nicht und je weiter er gelesen hatte, desto verwirrender wurde es. Das liegt aber wahrscheinlich nicht an der Geschichte sondern an seinen Sprachkenntnissen. Der Protagonist macht sich inzwischen schon Sorgen darüber, wie er denn eine Rezension zu einem Buch schreiben sollte, das er nicht verstand. Aber es bleibt die Hoffnung, dass das ganze noch irgendwie Sinn ergeben würde, wenn er weiter lesen würde. Wie frustrierend das mal wieder war.

Zum Abendessen gab es gefüllte Gnocchi mit einer Tomaten-Käse-Soße. Die Soße hatte er eigentlich nur gekauft, weil darauf die Sendung mit der Maus abgebildet war. Besonders lecker fand er sie nicht, aber immerhin hatte er es mal probiert. Während des Essens bekam er Kopfschmerzen. Er schiebt das jetzt auf das Wetter, eigentlich waren sogar zwei Gewitter angekündigt gewesen. Bis auf Sturm und Regen war davon aber nichts zu sehen gewesen. Trotzdem liegt es vielleicht an der Luft. Genug getrunken hatte er, genauso genug gegessen und genug geschlafen. Stress könnte es auch nicht sein, den hatte er heute nicht gehabt.

Sein Handgelenk tut ihm immer noch weh, aber dennoch will er heute wieder versuchen, etwas zu tanzen. Gestern hatte er außerdem angefangen, die Socken für seine Mutter zu stricken. Wirklich zufrieden war er nicht damit, wie das Muster nun mit der Sockenwolle aussah. Aber er strickt erstmal etwas weiter, bevor er entscheiden kann, ob er alles noch einmal auf macht und neu anfängt.

Heute war er nicht dazu gekommen, weiter an seiner neuen Buchidee zu arbeiten, aber das muss auch nicht sein. Vielleicht würde eine kleine Pause gar nicht schlecht sein. Nun will er sich noch einmal genauer damit auseinander setzen, was er seinem Chef morgen bei der Gehaltsverhandlung erzählen will. Hoffentlich würde der das nicht vergessen, denn morgen würde so oder so viel anstehen, jetzt wo er aus dem Urlaub zurück kommt.

Morgen möchte er nach der Arbeit lesen, wieder 50 Seiten. Auch wenn er erst spät nachhause kommt, denn davon geht er eigentlich aus. Sein Chef würde bestimmt viele Aufgaben für ihn haben, wenn er morgen nach dem Urlaub zum ersten mal seine ganzen Mails lesen würde. Immerhin müsste der Protagonist die Zeit dann nicht mit Sudoku überbrücken, es wäre auch mal ganz angenehm, etwas zu tun zu haben. Ansonsten gibt es nichts, was er erledigen muss. Weiter nach Jobs suchen könnte er noch. Eigentlich hat er auch relativ viele Pfandflaschen zuhause, aber es ergibt noch keinen Sinn morgen einkaufen zu gehen. Dafür hatte er noch zu viele Lebensmittel zuhause, der Kühlschrank ist ja auch nur klein. Vielleicht hat er ja morgen sogar Zeit für einen kleinen Spaziergang.

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