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Es scheint eine wiederkehrende Sache zu sein, dass der Protagonist Mittwochs erst 20 Minuten vor seinem Wecker aufwacht. Normalerweise ist er davon irritiert, aber da er wusste, sein Chef wäre heute nicht da und eine Verspätung würde nicht auffallen, blieb er ruhig und war dann dennoch pünktlich im Büro. Wahrscheinlich macht er sich zu oft Sorgen in Momenten, in denen es überhaupt keinen Grund zur Sorge gibt.

Kurz nach Arbeitsbeginn wurde der Protagonist angerufen. Von dem Kunden, der gestern vor Ort war, um seine Bestellung zu stornieren. Er würde nun doch gerne wieder buchen, weiß aber noch nicht, wann er kommt. Wenn er bis Ende August nicht vorbei gekommen ist, dann solle der Protagonist das als Zeichen sehen, dass er doch nicht bucht. Auf die Bitte, er solle seine Kontonummer einreichen, damit zumindest ein Teil des Geldes zurück gezahlt werden könnte, sagte der Kunde nur, dass der Protagonist diese ja schon hätte. Nein hat er nicht, aber das wollte der Kunde ihm nicht glauben. Ist auch nicht sein Problem, wenn er das Geld haben wollen würde, würde er sich schon nochmal melden.

Danach rief schon der nächste Kunde an, der seine Bestellung ändern wollte. Wie kann das eigentlich sein, dass im Moment jeder Kunde, der demnächst Abgabetermin hat, noch eine Änderung oder Stornierung will? Da die Änderung heute noch nicht möglich war, wegen eines IT-Problems, ist der Protagonist froh, diese Aufgabe an seine Kollegin morgen weiter geben zu können.

Als er hörte, wie jemand die Treppe hoch kam, hätte sich der Protagonist am liebsten versteckt. Wer kommt die Treppe hoch, wenn nicht ein Kunde? Und es war: sein Chef, der ja eigentlich Urlaub hat. Der tatsächlich als Kunde da war. Und der Protagonist glaubt jetzt, wo er wieder zuhause ist und alles nochmal überdacht hat, dass er seinem Chef vielleicht Müll erzählt hat. Er war schon kurz davor, nach seinem Feierabend nochmal zurück zur Arbeit zu gehen, um zu überprüfen, ob er alles richtig gemacht hatte. Es ist nicht einfach, aber er kann sich zurück halten. Denn er macht diesen Ablauf jeden Tag, warum sollte es ausgerechnet heute, wo er seinen Chef als Kunden hatte, falsch laufen? Ganz sicher wird er in seiner Freizeit nicht zurück gehen und nachsehen. Vielleicht könnte seine Kollegin morgen einmal drüber schauen. Und selbst wenn nicht, der Protagonist wird am Freitag ja sehen, ob alles geklappt hat oder nicht. Er hatte alles wie gewohnt gemacht, wo sollte der Fehler sein?

Bei der Arbeit hatte er dann wieder relativ wenig zu tun, nachdem die drei Sachen erledigt waren. Also spielte er Sudoku und suchte nach freien Jobangeboten. Nichts fiel ihm wirklich ins Auge. Es gab ein paar passende Stellen, die jedoch an Orten waren, an die er nicht gerne ziehen würde. Und so war er auf dem Weg nachhause froh, dass er auch den zweiten Teil seiner To-Do-Liste erledigt hatte.

Zuhause aß er eine Scheibe Brot, das ging ganz gut. Aber er hatte ganz bewusst nur eine gegessen, weil die Probleme meistens erst bei der zweiten auftraten. Dazu gabs noch eine Kiwi und dann bereitete er sich ein kleines Lunchpaket für die Zugfahrt morgen früh vor. Während ein paar Youtube Videos liefen, schälte und schnitt er Karotten, die er heute Abend kochen wollte, um eine Hälfte direkt zu essen und die andere im Kühlschrank auf zu bewahren für einen der nächsten Tage, an dem er keine Lust haben würde, lange in der Küche zu stehen.

Eigentlich war das Wetter viel zu nett, um heute nicht noch einmal raus zu gehen. Der Protagonist hatte nur einfach keine Lust, denn es war viel zu windig, um am Hafen zu lesen, die Seiten würden die ganze Zeit von alleine umgeblättert werden. Er könnte seinen gewohnten Gang durch die Innenstadt machen, aber da er das morgen wohl mit seinem Clon schon machen würde, wollte er heute etwas anderes machen. Das Ergebnis war dann, dass er in dem neuen Buch laß, welches auf einer seltsamen Sprache geschrieben ist. Natürlich auf Finnisch, aber die Figuren sprechen alle in unterschiedlichen Dialekten und selbst die Erzählstimme enthält unzählige Lehnwörter aus dem Schwedischen. Teilweise sprechen auch einige Figuren Schwedisch und Finnisch in einem scheinbar willkürlichen Wirrwarr. Nach einer Seite hatte der Protagonist gefühlt einen Schlaganfall, aber mit der Zeit gewöhnte er sich daran.

Es ist nun auch eindeutig: das Problem ist nicht die finnische Sprache, sondern der Schreibstil von Eeva Joenpelto, deren zwei Bücher er zuletzt weniger gut verstanden hatte. Einerseits beruhigend, andererseits ärgert es ihn. Es ärgert ihn aus zwei Gründen: 1. Er möchte gerne alles verstehen, unabhängig vom Schreibstil. 2. Er hat noch zwei weitere Bücher von Joenpelto im Regal stehen, die er lesen muss. Oder lesen möchte, ihn zwingt ja keiner. Er selbst wird sich jedoch zwingen.

Während er seine Karotten kochte, laß er noch ein paar Seiten, was nicht besonders intelligent war, denn das Wasser kochte über. Das ist auf dem Herd immer scheiße, weil das ja Touch ist. Und wenn da heißes Wasser drauf ist, dann kann man da eben schlecht drauf fassen. Und vor allem  macht sich das ganze dann oft selbstständig. Wer hat sich sowas ausgedacht? Naja, er hat es geschafft, alles ohne weitere Vorfälle zu kochen. Zu den Karotten gab es heute Kartoffel-Kräuter-Taschen und Hollandaise. Das war seine vorletzte Packung Hollandaise, diese Marke gibt es ja leider nicht mehr. Die Hälfte steht noch im Kühlschrank und dann hat er noch eine im Regal, aber danach würde er diese Soße nie wieder essen können. Das gleicht einer Tragödie, aber da kann man nichts machen.

Sein Rucksack für den Ausflug morgen ist schon gepackt. Es fehlen natürlich noch ein paar Sachen, die er erst morgen einpacken kann, so wie seine Brotdose zum Beispiel. Aber ansonsten ist alles vorbereitet und der Wecker ist so gestellt, dass er ohne Probleme den Zug bekommen würde. Gegen 11 Uhr würde er dann auch ankommen, abends fährt er wieder nachhause. Weil der Ausflug so lang geht, nimmt er sich auch nichts weiteres vor. Wenn er Glück hat, kommt er mit neuen Flipflops nachhause, davon wird er dann morgen berichten.

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