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Nur noch 7 Tage. Der Protagonist ist irritiert, denn eigentlich hätte er ab morgen Wochenende. Das wird erstmal länger nicht vorkommen, denn mit dem neuen Arbeitsvertrag wird er auch Donnerstags arbeiten. Aber da dieser erst ab dem 15. August gültig ist, wäre heute noch ein letztes mal bereits der Abend vor dem Wochenende. Nur bekommt er morgen Besuch und Freitag muss er für die Arbeit nach Dänemark für einen dämlichen Workshop. Sein Wochenende wird zum ersten mal seit vielen Monaten erst Samstag beginnen. Ist das nicht komisch?

So richtig kann er sich gar nicht mehr erinnern, wie er geschlafen hatte. Vor dem Schlafen war ein Käfer über sein Bett gekrabbelt, was ihn dazu veranlasst hatte, das ganze Bett und alles darunter zu durchsuchen, ob irgendwo noch mehr sein könnten. Das war innerhalb der letzten 3 Wochen schon der dritte Käfer der gleichen Art gewesen, alle waren immer in der Nähe seines Betts gewesen. Aber es ließ sich kein weiterer Käfer finden. Auch Google beruhigte ihn, denn angeblich haben diese Käfer einfach gerade Paarungszeit, wodurch mehr davon auftreten.

Die Arbeit war verwirrend. Als er morgens ankam, stand auf dem Hof ein Verkaufsstand mit Slush-Eis. Überraschend, aber irgendwie auch nicht. Nach über zwei Jahren bei seinem Chef überrascht ihn fast gar nichts mehr. Irgendwie hatte sein Chef seinen neuen Arbeitsvertrag direkt als Anlass genommen, um ihm noch mehr Aufgaben zu geben. Aufgaben, die es so vorher in dem Unternehmen noch gar nicht gegeben hatte. Der Protagonist kann es nachvollziehen, dass mit einer Gehaltserhöhung auch neue Aufgaben dazu kommen, aber sein Vertrag ist wie gesagt noch gar nicht gültig. Egal, ab heute ist er also auch Presseabteilung. Den ersten Zeitungsartikel durfte er auch direkt schreiben. Eigentlich verdient er jetzt schon wieder zu wenig, wenn man Gehalt und Aufgabenbereiche im Verhältnis betrachtet. Kann ja nicht sein, dass er das Kunden-Büro leitet, Assistenz des Chefs ist, Buchhaltung, Housekeeping, Marketing, Grafiker, Social Media & Webseiten Manager und Pressestelle ist und das für nur 3€ mehr die Stunde. Und scheinbar verkaufen sie jetzt auch noch Slush-Eis.

Heute hatte er dann den halben Arbeitstag mit Marketing verbracht, bevor er den Rest des Tages an seinem neuen Pressetext gesessen hatte. Sowas kann nicht so schwer sein, denkt man auf den ersten Blick. Wenn man aber derjenige ist, der den ersten Pressetext des Unternehmens schreibt, kann man sich an keinem Vorgänger orientieren und vor allem ist man maßgeblich daran beteiligt, wie sich das Unternehmen nach außen präsentiert. Am Ende war er ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Natürlich hatte sein Chef den Text noch gekürzt, denn je kürzer der Text, desto günstiger der Druck in der Zeitung.

Ausnahmsweise war er pünktlich zuhause, was natürlich nichts brachte, weil sein Chef ihn 20 Minuten später schon wieder angerufen hatte. So als ob es nicht möglich wäre, dass einmal etwas passiert, ohne dass man den Protagonisten dafür fragen muss. Eigentlich ist das Gehalt wirlich noch immer nicht gerechtfertigt, wenn man betrachtet, wie aufgeschmissen alle wären, wenn er dort nicht mehr arbeiten würde. Aber gut.

Nach einem kurzen Mittagessen saß er schon unten am Hafen. Das Wetter ist mal wieder unnormal, die Sonne knallt total ins Gesicht. Aber das gute ist, dass der Protagonsit inzwischen so oft Sonnenbrand hatte, dass seine Haut endlich braun genug geworden ist, dass er keinen Sonnenbrand mehr bekommt. Zumindest nicht von einer Stunde in der Sonne. Er hatte sein Buch fertig gelesen, wurde dabei aber abgelenkt. Zur üblichen Zeit kam das Rundtour-Schiff zurück. Ganz knapp an ihm zog auf einmal ein Typ auf seinem Fahrrad vorbei. Wenn er seine Beine nicht rechtzeitig weggezogen hätte, hätte das schlecht ausgehen könnten. Der Fahrradfahrer hatte sichtlich Probleme, sich auf den Füßen zu halten, stieg auf das Schiff und pöbelte herum. Als der Kapitän ihn endlich vom Schiff bekommen hatte, setzte er sich auf die Bank neben den Protagonisten. Er roch ganz streng nach Alkohol und fing an, mit sich selbst zu sprechen. Darüber, dass der Kapitän keine Ahnung von der Seefahrt hätte. Davon, dass er das Schiff mit einem Uboot abknallen würde. Mit einer etwas später folgenden Ergänzung, dass er dies nur tun würde, wenn kein Mensch drauf wäre. Er beschwerte sich, dass die Titanic bereits 1912 untergegangen sei und nicht 1914 (wie er darauf gekommen ist, ist ein Rätsel). Dann schrie er dem Kapitän wieder irgendwas hinterher, als dieser sein Schiff verließ.

Irgendwie hatte der Protagonist es aber doch noch geschafft, das Buch zuende zu lesen. Und weil es noch nicht so spät war, entschied er, noch ein Stück spazieren zu gehen. Heute ist er seine gewohnte Runde im Uhrzeigersinn gegangen. Dabei lief vor ihm die ganze Zeit derselbe Mann, der sich immer wieder umdrehte. Dabei sah er dem Protagonisten immer wieder tief in die Augen. Deshalb glaubt der Protagonist, dass sich dieser Typ von ihm verfoglt gefühlt hatte. Aber er konnte ja auch nichts dafür, dass er zufälligerweise genau die gleiche Runde lief. Irgendwann, nach etwa 15 Minuten, war ihm das so unangenehm, dass er absichtlich einen Umweg ging. Das änderte nichts daran, dass sie 5 Minuten später wieder direkt hinter einander liefen. Erst kurz vor seiner Wohnung trennten sich wieder ihre Wege.

Was es zum Abendessen gab, können sich alle denken. Aber es war heute mal ein ganz neues Focaccia. Mit Zwiebeln und Käse. Wirklich nach viel schmeckte es aber nicht. Dazu gab es einen Grillkäse. Außerdem hatte er noch Wassermelone übrig und machte sich zum Nachtisch ein Vanilleeis mit Eiswunder. Am Abend muss er jetzt noch saugen und etwas putzen für den Besuch morgen. Außerdem will er eine Stunde tanzen.

Weil sein Besuch morgen relativ früh kommt, muss er tatsächlich mal um die Uhrzeit aufstehen, zu der er sowieso immer aufwacht. Nur mit dem Unterschied, dass er sich einen Wecker auf genau diese Uhrzeit gestellt hat. Mal schauen, ob er dann dieses mal bis zum Weckerklingeln schläft. Morgen will er außerdem Geschenkpapier kaufen, damit er das Geschenk für seine Mutter verpacken kann. Und er muss seine Brotdose für Freitag vorbereiten, weil er dann sogar noch früher aufstehen muss, zwei Stunden früher als normal.

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