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Anders als angekündigt, war heute gar kein Gewitter. Inzwischen wird dieses stattdessen für morgen angezeigt. Den schönen Tag wollte der Protagonist deshalb, ebenfalls anders als angekündigt, draußen verbringen. Morgens hatte er seine Wäsche angestellt, um kurz vor 6 war er aufgewacht und hatte das erledigt. Aber er wollte sich nochmal hinlegen und stelle die Maschine deshalb so ein, dass sie erst gegen 10 Uhr fertig sein würde.

Naja, dann wurde er um 8 von der Waschmaschine geweckt, die ihren Schleudergang startete, was also auch nicht unbedingt zum Ausschlafen beigesteuert hat. Aber er wachte langsam auf, sah sich die Videos an, die seine Mutter ihm von Vögeln geschickt hatte, die um 7 Uhr morgens zum ersten Mal das Nest verlassen hatten, und spielte Quizduell. Ist das so eine App, die gefühlt nur Menschen über 50 nutzen? So langsam kommt es ihm nämlich so vor, aber egal.

Um 10 hängte er seine Handtücher auf dem Balkon auf. Eines der Tücher fiel aufgrund des Winds immer wieder herunter, aber er versucht nach Möglichkeit immer auf Wäscheklammern zu verzichten. Deshalb änderte er nichts daran, sondern hob es in regelmäßigen Abständen wieder auf. Er goss noch etwas Wasser in seine Vogeltränke, die von den Vögeln aus irgendeinem Grund immer noch nicht akzeptiert wurde, dann begann er mit dem Putzen. Er fand, dass es besser wäre, erst alles fertig zu machen, und danach dann zu frühstücken.

Das hatte dazu geführt, dass er schon starken Hunger hatte, als er gegen 12 Uhr endlich dazu kam, sich ein Brot zu schmieren. Dazu hatte er sich, wie jeden Sonntag, noch ein Rührei gemacht, heute mit dem neuen Gewürz, dass er bei Rewe gekauft hatte. Das andere, das er vorher immer benutzt hatte, war seiner Meinung nach besser, aber das gab es leider nicht mehr. Zumindest nirgendwo in seiner Stadt.

Nach seiner Corona Erkrankung hat er immer noch Probleme dabei, Brot zu essen. Er dachte erst, das sei irgendwie ein Scherz seines Gehirns. Kann es auch immer noch sein, denn es ist eindeutig etwas psychisches. Immer, wenn er ein paar Bissen genommen hatte, wurde ihm von der Konsistenz direkt schlecht. Und das ist unabhängig vom Belag. Jetzt sind schon einige Wochen vergangen und er hatte verschiedene Brote ausprobiert, aber wirklich funktionierte es mit keinem, außer mit dem Saatenbrot. Die Konsistenz der Körner lenken sein Gehirn davon ab, dass er gerade Brot isst. Er findet nur eigentlich, dass sein Karottenbrot besser schmeckt. Fast die ganze Packung wartet noch darauf, gegessen zu werden. Danach wird er sich wieder ein anderes kaufen müssen, eins mit mehr Körnern. Oder vielleicht sollte er für eine Zeit lang auf Müsli umsteigen. So wirklich eine Lösung hat er noch nicht gefunden, aber das wird schon noch.

Nach dem Frühstück erstellte er sich eine Übersicht davon, wie viel Geld er gerne von seinem Chef bekommen wollen würde, wenn er demnächst mit ihm eine Verhandlung über sein Gehalt starten würde. Es ist wohl noch zu früh, um zu sagen, dass die Leute von dem Bewerbungsgespräch am letzten Dienstag ihn mit Sicherheit nicht nehmen werden, wahrscheinlich sollte er zumindest noch bis Dienstag warten, um ihnen eine Woche Zeit zu geben, aber es könnte auch nicht schaden, möglichst bald mit seinem Chef zu reden, damit man eventuell schon ab August eine neue Vereinbarung hat. Der Protagonist überlegt, wie viele Stunden er vielleicht offiziell mehr arbeiten könnte (im Moment macht er ja immer viele Überstunden), und wie viel Geld er dafür mindestens haben möchte, bzw. wie viel er im Idealfall gerne hätte.

Eigentlich ist er mit dieser Lösung nicht zufrieden, aber es wäre wohl die beste Idee, sich wenigstens mehr bezahlen zu lassen, während man nach weiteren Jobs sucht. Der Protagonist hat sich auch seit etwa einem Monat nirgendwo mehr beworben, weil er das psychisch im Moment nicht kann. Sobald er nur darüber nachdenkt, ein weiteres Anschreiben zu formulieren, blockiert sein Gehirn. Eine Pause wäre wohl ganz gut, einfach ein paar Wochen, ohne über sowas nach zu denken, bevor es dann im Herbst weiter gehen kann. Aber gleichzeitig fühlt er sich deswegen dumm. Er ist schließlich in einem Alter, in dem man sowas schaffen sollte. Auch wenn er sich nicht erwachsen fühlt. Andere schaffen es auch irgendwie. Aber es ist schwierig. Die Leute wollen alle immer so viel Arbeitserfahrung, die der Protagonist gar nicht haben kann, da er sieben Jahre lang studiert hat und das erst 3 Monate her ist, dass er damit fertig geworden ist. Während dieser 7 Jahre hat er immer nebenbei gearbeitet, aber scheinbar reicht das nicht als Erfahrung. Er weiß auch nicht mehr wirklich weiter, denn um Erfahrung zu sammeln, müsste er halt eingestellt werden.

Für etwa 1 1/2 Stunden hatte er sich dann noch an den Hafen gesetzt. Langsam kennt er die Gesichter dort, die Leute, die dort arbeiten. Es gefällt ihm, dass immer alles gleich ist. Und heute hatte er sich sogar eingecremt. Auf das Schiff, dass Rundfahrten anbietet, wartete er heute vergeblich. Wahrscheinlich kommt deren Abfahrt durcheinander, wegen des Fischerfests, an dem das Schiff auch vorbei färht. Im Moment muss man wohl länger warten, bis man mit seinem Schiff durch die Klappbrücke fahren kann, denn die meiste Zeit ist sie für die Besucher des Fests herunter geklappt. Dafür konnte er eine alte Retro-Bahn beobachten, die ausnahmsweise auf einer alten Strecke zwischen Hafen an der Innenstadt und Hafen in dem kleinen Vorort, wo das Fest stattfindet, pendelte. Diese hupte dabei auch immer ganz wild, denn es gab genug Menschen, die davon nichts wussten und wie sonst auch immer über die Gleise liefen. Seit Jahren ist dort nämlich schon kein Zug mehr gefahren.

Zum Abendessen gab es heute Tortellini mit dem Rest Pesto. Sein übliches Pesto ist zwar doppelt so teuer, schmeckt aber viel besser, deshalb wird er das beim nächsten mal wieder kaufen. Zum Nachtisch gabs ein Sandwicheis, dieses mit der lappigen Waffel. Aus irgendeinem Grund mochte er das im Moment wieder richtig gerne und hatte innerhalb eines Monats schon drei Packungen vernichtet.

Morgen hat er nichts vor, außer zur Arbeit zu gehen und weiter in seinem Buch zu lesen.

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