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Heute hatte der Protagonist gar keinen Muskelkater. Aber er hatte auch nicht ausprobiert, wie es sich anfühlen würde, heute wieder aufs Fahrrad zu steigen. Dafür hat er einen Sonnenbrand an den Beinen. Dort hatte er sich nicht eingecremt, wofür auch? Er trug eine lange Hose. Aber weil er mit den Füßen im Wasser war, hatte er sie hochgekremelt und so war es dann passiert. Im Prinzip hat er jetzt rote Socken an den Füßen.

Gegen 4 Uhr war er das erste mal aufgewacht, aber wenn er dann die Wäsche angestellt hätte, wäre diese um kurz nach 6 fertig gewesen und er fand es deshalb sinnvoller, bis zum nächsten Aufwachen zu warten. Da er schlecht schläft, wird er normalerweise alle 2 Stunden wach. Aber: falsch gedacht, er war kurz vor 9 das nächte mal aufgewacht, die Uhrzeit, zu der seine Wäsche eigentlich schon draußen hängen sollte.

Naja, zu sehr wollte er sich darüber nicht ärgern, denn auch wenn es kälter war als gestern, dadurch dass es den ganzen Tag bewölkt war, er könnte seine Wäsche trotzdem ohne Probleme bis Abends auf dem Balkon stehen haben. 

Auch den heutigen Tag wollte er als Wochenende feiern. Deshalb hatte er sich Eier gekocht, eins für heute und eins für morgen. Das Saatenbrot schmeckte ihm wieder sehr gut und er entschied, dass er wirklich erstmal dabei bleiben würde. Zumindest so lange, bis ihm auch das nicht mehr schmeckt.

Die Wäsche war dann kurz nach 11 fertig, er hing sie draußen auf. Und danach verließ ihn die ganze Motivation, mit der er in den Tag gestartet war. Er dachte an sein letztes Vorstellungsgespräch und daran, dass man ihm eine Rückmeldung eine Woche nach dem Gespräch versprochen hatte, spätestens aber zwei Wochen später. Nun sind schon 2 1/2 Wochen vergangen und er fragt sich, warum bisher alle Unternehmen so gehandelt hatten. Jedes Unternehem, bei dem er ein Vorstellungsgespräch hatte, ließ ihn länger als die angegebene Zeit warten. Aber die längste Wartezeit von genau einem Monat gilt es noch zu toppen. Es gibt auch immer noch keine neuen freien Stellen, die auf ihn passen würden.

Weil er nicht den ganzen Tag verschwenden wollte, machte er sich gegen 12 Uhr fertig, um zu Lidl zu gehen. Eigentlich hatte er den Grund, aus dem er zu Lidl gehen wollte, und nicht zu irgendeinem anderen Geschäft, wieder vergessen. Lidl ist von allen Geschäften am weitesten weg, warum hatte er das nochmal ausgewählt? Aber er erinnerte sich, als er in den Online-Prospekt blickte. Dort sollte es sein momentantes Lieblingseis im Angebot geben. Er stapfte also los, bis zu Lidl, um dort festzustellen, dass das Eis dort nicht im Tiefkühlregal lag. Weder bei den Angeboten, noch im normalen Eisregal. Nicht jeder Laden führt jedes Produkt, wahrscheinlich hatte er einfach Pech und es gibt dieses Eis dort einfach nie.

Auf dem Rückweg kam er bei Netto vorbei, wo er das Eis stattdessen holen wollte. Er ärgerte sich darüber, denn dann hätte er auch direkt nur zu Netto gehen können, das wäre schneller gewesen. Und anstatt dort nur das Eis zu kaufen, holte er auch noch einige andere Sachen, die er nicht brauchte. Erdbeeren zum Beispiel. Lange hatte der überlegt, denn eigentlich kauft man keine Erdbeeren aus dem Supermarkt. Die schmecken dort nicht. Aber: als er letztes mal bei der Erdbeerbude welche geholt hatte, hatten die auch nicht geschmeckt. Deshalb dachte er, die von Netto sind günstiger, es ist einen Versuch wert.

Wieder zuhause angekommen, packte er seine Einkäufe in den Kühlschrank. Inzwischen kann er stolz von sich behaupten, einen Kindheitstraum wahr gemacht zu haben. In dem Tiefkühlfach in seinem Kühlschrank befindet sich nur Eis. Verschiedene Sorten, 9 verschiedene Sorten. Der Protagonist hatte immer schon Eis geliebt, an manchen Tagen, an denen es ihm nicht so gut geht, ist Eis das einzige, das er isst. Eigentlich hatte er sich auch vorgenommen, nach dem Einkaufen eins zu essen, aber nun würde es mehr Sinn ergeben, Abends mit den Erdbeeren etwas Vanilleeis zu essen.

Als auch die Erdbeeren fertig klein geschnitten und gezuckert waren, griff er sein Buch und seinen Schlüssel, um sich auf den Weg an den Hafen zu machen. Auch wenn die Sonne nicht schien, kalt war es trotzdem nicht. Insgesamt hatte er 30 Seiten gelesen, wobei er immer wieder von Leuten unterbrochen wurde, die sich auf die Bank neben ihm setzten und sich laut unterhielten. Klar, die Öffentlichkeit ist ein Platz für alle, aber wenn ich mich laut unterhalten will, muss ich mich dann ausgerechnet neben die Person setzen, die gerade still liest? Kann ich dann nicht eine Bank weiter gehen? Aber so hatte er immerhin mehr über das Sexleben einer heterosexuellen Frau und eines homosexuellen Mannes erfahren. Nicht, dass es ihn interessiert hätte, aber er hatte gar keine Wahl.

Eigentlich wollte er 50 Seiten lesen, aber er musste dringend pinkeln, also ging er schon früher zurück. Es würde nichts bringen, weiter zu lesen, wenn man an nichts als die eigene Blase denken könnte. Deshalb hatte er die 20 Seiten, die er nicht geschafft hatte, zuhause auf seinem Sessel zuende gelesen. Von dem finnischen Buch versteht er nun mal wieder kaum etwas. Er fragt sich, was ein Muttersprachler über diese Autorin denken würde. Aber da er die Bücher alle zusammen in einer zu verschenken Kiste gefunden hatte, musste jemand die Autorin gerne gelesen haben. Wer sonst hat so viele Bücher von einer Autorin? Andererseits waren die Bücher aussortiert worden, was nicht unbedingt für ihre Qualität spricht.

Was der Protagonist zum Abendessen hatte, kann sich jeder denken. Danach gabs eine Hälfte der Erdbeeren mit Vanilleeis. Weil er das Focaccia mit Aioli gegessen hatte, schmeckte er nun kaum noch etwas. Aber die Geschmacksneutralität der Erdbeeren könnte auch einfach davon kommen, dass sie eben doch aus dem Supermarkt sind. Wer weiß das schon? Wenn er die andere Hälfte morgen gegessen hat, würde er darauf antworten können.

Ein Kapitel für sein Buch ist auch schon geschrieben, es fehlt nur noch eins, um auf sein Minimum-Ziel zu kommen. Das wird er dann wohl morgen erledigen. Außerdem will er in dem finnischen Buch bis Seite 100 lesen.

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