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Tag 100, letzter Tag, ist das nicht krass? 100 Tage hinter einander hat der Protagonist immer 1000 Wörter geschrieben, darüber wie sein Tag abgelaufen ist. Aber es soll nun noch kein Fazit geben, das folgt in Kapitel 101. Das soll heute noch nicht kommen, weil der Protagonist sich noch etwas Zeit nehmen will, um über alles nach zu denken. In Kapitel 101 kommen dann die fehlenden 900 Wörter von dem Tag, als er Corona hatte und sich kaum bewegen konnte. Wahrscheinlich wird das morgen oder übermorgen passieren. Zu viel Abstand würde wohl auch dazu führen, dass er einiges schon wieder vergessen würde.

Erneut war der Protagonist zu früh aufgewacht, heute aber nur etwa 1 1/2 Stunden, was nicht ganz so schlimm ist. Die Zeit ließ sich einigermaßen füllen, sodass er zur gewohnten Zeit bei der Arbeit angekommen war. Heute war erneut nichts zu tun. Wie seltsam das sein kann? Entweder macht er nach einer Stunde auf der Arbeit gar nichts mehr oder er muss direkt länger bleiben, etwas dazwischen gibt es gefühlt nicht. Er hatte sich heute nur gefragt, wie es werden soll, wenn er noch länger dort sitzen müsste als eh schon. Klar, man wird für seine Anwesenheit bezahlt, aber irgendwann muss man echt kreativ werden, um die Stunden zu füllen. Immerhin war das "extrem" Sudoku heute richtig schwer, sodass er allein dafür eine Stunde gebraucht hatte. Noch mehr laminieren könnte er nicht, das würde wohl irgendwann auffallen.

Sein Chef hatte offensichtlich genauso viel zu tun, denn er ging einfach zwischendruch Brombeeren sammeln. Der Protagonist war kurz davor, zu fragen, ob er mitkommen könnte, aber das wäre wahrscheinlich seltsam. Vor allem würde das aber bedeuten, dass sein Chef mitbekommen würde, dass es nichts zu tun gibt. Natürlich kam dann auch direkt jemand vorbei, der zu seinem Chef ins Büro wollte. Der Protagonist hatte sich noch nie so seltsam gefühlt wie in dem Moment, in dem er sagen musste "Der ist hier irgendwo, der ist Brombeeren pflücken".

Na immerhin kennen eigentlich alle, die vorbei kommen, seinen Chef schon ein paar Jahre, sodass sie sich darüber nicht wundern sollten (hoffentlich). Aber als der Protagonist nachhause ging, fühlte er sich so seltsam unproduktiv. Auf dem Weg hatte er noch seinen Chef getroffen und sich etwas aus dem Arsch gezogen, was er ihm erzählen konnte, was morgen unbedingt gemacht werden müsste. Und das alles nur, damit er beschäftigt wirkt. Immerhin kommt morgen gegen 13 Uhr noch seine neue (bereits gekündigte) Kollegin vorbei, so kann er sich wenigstens unterhalten.

Nach der Arbeit hatte er wie immer seine zwei Scheiben Brot und eine Kiwi gegessen. Er fühlte sich überhaupt nicht motiviert, nochmal raus zu gehen. Man schwitzt ja schon im sitzen. Aber es sollte ab morgen schlechter werden, für das Wochenende ist Regen angekündigt. Also zwang er sich, mit seinem Buch an den Hafen zu gehen. Das Schiff, das die Rundtouren macht, war verspätet. Sie kamen erst an, als er sein Buch schon aufgeschlagen hatte, also bestimmt 15 Minuten zu spät. Aber das gefiel ihm gut, er schaut gerne dabei zu, wie das Schiff im Hafen wendet und anlegt. Irgendwas daran begeistert ihn so sehr, er könnte den ganzen Tag nur bei sowas zusehen.

Wegen seiner Begeisterung für Schiffe und das Meer hatte er inzwischen schon überlegt, ob er sich nicht im Hafen bewerben sollte, um dort zu arbeiten. Das passt überhaupt nicht zu allem, was er bisher in seinem Leben gemacht hatte, meistens wäre sowas ja auch körperliche Arbeit. Aber er könnte sich sehr gut vorstellen, den Rest seines Lebens am Wasser zu arbeiten. Wahrscheinlich verdient man dabei zu wenig? Er sollte sich mal schlau machen.

50 Seiten hatte er wie geplant gelesen. Wieder zuhause lagen drei Briefe im Briefkasten. Er wartet noch auf die Nebenkostenabrechnung von der Vermieterin, die sonst immer im Juni kommt. Er wartet auch noch auf eine Info von der Krankenkasse. Es lag tatsächlich ein Brief der Krankenkasse im Kasten, aber enttäuschenderweise nur eine Information zur Krebsvorsorge. Na, und das kurz nachdem er noch darüber nachgedacht hatte, sich einen Termin beim Arzt zu machen.

In den Zetteln stand etwas, das ihn irritiert hatte: Man solle nicht zu viele zusätzliche Untersuchungen machen lassen, weil auffällige Befunde nur unnötige Sorgen bereiten könnten. Ja, das will er doch wohl hoffen, dass auffällige Befunde Sorgen bereiten? Hä? Soll er jetzt keine Untersuchungen machen, falls da ein Befund auffallen könnte? Er dachte, dafür sind diese Untersuchungen da. Es ergibt schon Sinn, dass man sich nicht zu viele Sorgen machen sollte, man sollte nicht zum Hypochonder werden. Aber so wie sie es geschrieben hatten, war es seltsam. Dazu noch die Info, dass er sich keine Sorgen machen müsste, wenn er keine Forsorge machen würde und dann Krebs bekommen würde, würden sie seine Behandlung trotzdem bezahlen. Ja, das will er ebenso hoffen? Dafür zahlt er ja in die Kasse.

Der zweite Breif war Werbung und der dritte von seiner Haftpflichtversicherung. Eigentlich auch nur Werbung. Wieder keine Nebenkostenabrechnung. Was macht man eigentlich, wenn man keine bekommt? Eigentlich könnte es auch nicht schaden, wenn es verjährt. Das würde ihm bestimmt einiges sparen.

Zum Abendessen gabs Focaccia, ja schon wieder. Man müsste das wirklich nachzählen, wie viele Focaccia-Brote er in diesen 100 Tagen gegessen hat. Gefühlt 50. Der Protagonist wusste ja schon vorher, dass er sich sehr einseitig ernährt, aber dass es so schlimm ist, war ihm nicht klar. Aber er hat auch keinen Grund, etwas daran zu ändern.

Am Abend will er noch etwas tanzen, vielleicht keine ganze Stunde, weil es nun schon später ist als sonst. Danach stricken. Duolingo muss er auch noch machen. Und morgen will er nach der Arbeit einkaufen gehen, dafür hat er sich extra schon seinen Rucksack neben den Beutel gelegt, den er immer mit zur Arbeit nimmt. Dann hätte er mehr Platz, um sich Wasser zu kaufen. Wasser und Eis. Und Brot. Apfel und Kiwi braucht er auch.

Wahrscheinlich ist er dann erst spät zuhause, vielleicht kommt er gar nicht dazu, etwas zu lesen? Das wird nie jemand erfahren, weil er morgen ja nicht mehr schreibt. Komisch oder?


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