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„Jonas, Schatz, kommst du mal bitte?" rufe ich laut genug, dass er mich auch aus dem Wohnzimmer hören kann. Mein Herz klopft leicht vor Aufregung, als ich auf den Bildschirm meines Laptops schaue. Die Location, die ich gefunden habe, sieht einfach traumhaft aus.

Sekunden später erscheint Jonas in der Tür zum Schlafzimmer und lehnt sich mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen. Ein sanftes Lächeln umspielt seine Lippen. „Was gibt's, Babe?" Seine Stimme ist warm, aber auch ein wenig müde.

„Schau mal, was hältst du von dieser Location?" Ich drehe den Laptop so, dass er den Bildschirm sehen kann. Die Bilder zeigen eine wunderschöne, rustikale Scheune mit weißen Holzbalken, die von Lichterketten umrahmt werden. Draußen eine große Wiese mit Rosenbögen, unter denen die Gäste Platz nehmen könnten. Es sieht genauso aus, wie ich es mir immer vorgestellt habe – romantisch, aber nicht kitschig.

Jonas tritt näher, beugt sich ein wenig vor und betrachtet die Bilder einen Moment lang. Dann zuckt er mit den Schultern. „Von mir aus. Sieht nicht schlecht aus." Seine Stimme klingt neutral, fast gelangweilt.

Ich blinzele überrascht. Habe ich mir gerade eingebildet, dass er nicht mal wirklich hingesehen hat? Ich beiße mir auf die Unterlippe, versuche, die leichte Enttäuschung herunterzuschlucken. Vielleicht ist er einfach müde. Oder gestresst von der Arbeit.

„Also soll ich einen Termin vereinbaren, damit wir sie uns mal anschauen können?" frage ich nach und versuche, meine Begeisterung beizubehalten.

Jonas nickt, greift schon nach der Fernbedienung, die auf der Kommode liegt. „Ja, mach das. Aber denk dran, ich muss am Wochenende arbeiten. Dann lieber Mittwoch oder Donnerstag."

Bevor ich noch etwas sagen kann, dreht er sich um und verschwindet wieder im Wohnzimmer.

Ich starre ihm einen Moment lang nach, mein Blick bleibt auf seinem Rücken haften. Dann seufze ich leise und klappe meinen Laptop zu.

Seit drei Wochen kann ich an nichts anderes denken als an unsere Hochzeit. Seitdem er mir den Antrag gemacht hat, bin ich wie in einer Blase aus Glück, schwelge in Vorstellungen davon, wie unser Tag aussehen wird. Ich habe mir immer vorgestellt, dass es genauso aufregend für ihn sein wird wie für mich – aber vielleicht ist das ja auch normal? Vielleicht sind Männer einfach nicht so euphorisch, wenn es um Hochzeitsvorbereitungen geht.

Und trotzdem... eine kleine, bittere Stimme in meinem Hinterkopf fragt sich, ob seine Begeisterung mit der Zeit nicht nachgelassen hat.

Aber nein. Ich liebe ihn. Und er liebt mich. Daran kann nichts schiefgehen.

„Schatz, ich muss los zur Arbeit. Denkst du später an die Wäsche?" Ich schlinge mir meine Jacke über die Schultern, während Jonas noch immer auf der Couch sitzt, die Augen auf den Fernseher gerichtet.

Er murmelt ein „Klar, Babe, mach ich", ohne mich wirklich anzusehen.

Ich zögere einen Moment. „Wie lange musst du heute arbeiten?"

Endlich hebt er den Blick zu mir. „Du hast doch Nachtdienst, oder? Dann kommst du morgen erst gegen zehn nach Hause."

„Genau." Ich sehe ihn prüfend an. „Ist alles okay?"

Er zuckt mit den Schultern. „Schon. Ich finde nur deine Arbeitszeiten scheiße."

Ich presse die Lippen zusammen. Wir hatten diese Diskussion schon oft. „Du weißt doch, dass mir der neue Job viel mehr Spaß macht."

„Ja, aber vorher warst du spätestens um fünf hier. Jetzt bist du manchmal die ganze Nacht weg." Seine Stimme klingt angespannt. „Ich hasse es, allein im Bett zu liegen."

Ich seufze. „Du gewöhnst dich daran. Außerdem habe ich dann morgen den ganzen Tag frei."

Jonas sagt nichts mehr. Stattdessen schaut er wieder auf den Fernseher.

Ich beuge mich zu ihm hinunter, küsse ihn auf die Wange. „Bis morgen, Babe."

Er murmelt ein knappes „Bis morgen", ohne mich wirklich anzusehen.

Auf dem Weg zu meinem Auto liegt mir die Unterhaltung schwer im Magen. Ich verstehe, dass er meine neuen Arbeitszeiten nicht mag – aber ich habe mich für diesen Job entschieden, weil ich ihn liebe. Und weil ich nicht die Frau sein wollte, die alles für ihn aufgibt, während er in seiner Karriere als Fotograf aufblüht.

Trotzdem kann ich das Gefühl nicht abschütteln, dass irgendetwas zwischen uns anders geworden ist.

Ich parke vor dem Jugendwohnhaus und steige aus. Es ist kühl draußen, die Straßen sind um diese Uhrzeit fast leer.

Ich liebe meinen Job. Die Jungs, mit denen ich arbeite, sind auf dem besten Weg, Profifußballer zu werden. Sie haben ein Ziel, einen Ehrgeiz, den ich bewundere. Und ich bin ein Teil davon.

„Hey Fabian, gibt's irgendwas Wichtiges für heute Nacht?" frage ich meinen Kollegen, als ich ihn beim Hinausgehen treffe.

„Hey Olivia. Nichts Großes. Nur Jamie wurde zur ersten Mannschaft eingeladen, du musst ihn gegen Mitternacht abholen."

Ich grinse. „Wirklich? Er hat es endlich geschafft?"

Fabian nickt. „Jap. Die Adresse liegt oben."

Oben im Büro angekommen, lasse ich mich auf den Stuhl fallen und seufze. Ich bin müde – aber irgendwie auch zufrieden. Ich blättere durch die Trainingspläne der Jungs, bis es an der Tür klopft.

„Ja, komm rein!" rufe ich, und Tom steckt den Kopf ins Büro.

„Hey Olivia, kannst du mir bei Mathe helfen?"

Ich lache. „Na klar. Gleichungen?"

Er nickt mit einem gequälten Seufzen.

„Okay, dann setzen wir uns mal ran."

Wir arbeiten eine halbe Stunde zusammen, bis er zufrieden nickt und wieder in sein Zimmer verschwindet.

Ich lehne mich zurück, schließe für einen Moment die Augen.

Alles scheint in Ordnung. Doch das wird sich in wenigen Stunden ändern.

Um 23:30 steige ich ins Auto und fahre los, um Jamie abzuholen. Die Straßen sind ruhig, die Lichter der Stadt spiegeln sich auf dem feuchten Asphalt.

Als ich an unserem Haus vorbeifahre, fällt mir auf, dass das Licht im Wohnzimmer noch brennt.

Ich runzle die Stirn. Jonas ist um diese Zeit normalerweise längst im Bett.

Ich fahre weiter, versuche, mir nichts dabei zu denken – doch dann passiert es.

Im Augenwinkel sehe ich, wie eine junge Frau aus unserer Haustür tritt.

Mein Atem stockt.

Ich trete automatisch auf die Bremse, mein Herz rast.

Und dann sehe ich ihn.

Jonas. Oberkörperfrei.

Er steht in der Tür, sein Blick auf die Frau gerichtet. Sie lacht. Und dann...

Dann küsst er sie.

Meine Welt zerbricht in diesem Moment in tausend Stücke.

Ein eiskalter Schauer läuft mir den Rücken hinunter. Mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen.

Ich will mir einreden, dass ich mich täusche. Dass das alles ein Missverständnis ist.

Doch das Bild bleibt in meinem Rückspiegel bestehen.

Mein Verlobter küsst eine andere Frau.

Tränen schießen mir in die Augen. Mein Körper fühlt sich taub an.

Das kann nicht sein. Das kann einfach nicht sein.

When we meet againWhere stories live. Discover now