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Der Morgen hatte eigentlich so gut angefangen. Die Ruhe auf dem Trainingsgelände war immer das Beste, frische Luft, ein bisschen Vogelgezwitscher, und ich konnte für einen Moment einfach abschalten. Aber das war's dann auch mit der Ruhe, sobald die Jungs aus der Umkleide gestürmt kamen. Gefühlt zehn Sekunden und schon war alles voll mit Gelächter, Sprüchen und einem Haufen zu lauter Stimmen. Ganz ehrlich, wie kann man so viel Energie haben? Es war noch nicht mal Elf.

Ich hab versucht, mich auf das Training zu konzentrieren, aber wie immer war das leichter gesagt als getan. Besonders, wenn Julian in meiner Nähe ist. Ich hab ihn kurz beobachtet, wie er mit Marius geredet hat, und sofort gemerkt, dass was nicht stimmt. Irgendwas war anders. Seine Schultern waren so ein bisschen eingeknickt, und dieses Lächeln, das er draufhatte, das war einfach nicht echt. Es hat mich so genervt, weil ich keine Ahnung hatte, was los ist. Und weil er die letzten Tage sowieso so komisch zu mir war. Nicht wirklich kalt, aber irgendwie distanziert. Ich hab mich nicht mal getraut, ihn darauf anzusprechen. Was, wenn es an mir liegt?

Ich stand ein bisschen abseits und hab weiter beobachtet. Dann hab ich Marius laut und deutlich gehört: „Na, Jule? Wie läuft's so mit deiner neuen Glücksbringerin?"

Ich bin erstmal stehen geblieben, wie angewurzelt. Super, genau das hab ich gebraucht. Ein paar der Jungs haben sofort losgelacht, und Julian? Tja, der hat sich zu einem dieser halbherzigen Lächeln gezwungen, das mir fast körperlich wehgetan hat. Ich meine, ich kenne ihn. Und dieses Gesicht hat geschrien: Ich will hier nicht sein.

Mein Herz hat einen kleinen Satz gemacht und nicht den guten. Marius hatte aber natürlich noch nicht genug: „Wir wissen doch alle, dass du jetzt doppelt motiviert bist. Deine Freundin auf der Tribüne macht sicher einen Unterschied, was?"

Die anderen haben wieder losgelacht, und ich hätte schwören können, dass mein Gesicht in dem Moment knallrot geworden ist. Ich meine, klar, wir wussten beide, dass die Jungs sich irgendwann einen Spaß draus machen würden. Aber warum? Und warum so?

Ich hab versucht, ruhig zu bleiben, aber innerlich hab ich gekocht. Julian hasst es, wenn er im Mittelpunkt steht vor allem bei sowas Persönlichem. Und ich? Ich hasse es genauso. Am liebsten hätte ich Marius angebrüllt, aber das hätte alles nur noch schlimmer gemacht. Trotzdem konnte ich nicht einfach gar nichts tun.

Ich bin einen Schritt vorgetreten und hab mich bemüht, locker zu klingen. „Marius, solltest du nicht lieber trainieren, anstatt hier Klatsch und Tratsch zu verbreiten?"

Er hat sich umgedreht, dieses breite Grinsen im Gesicht, bei dem ich am liebsten meine Augen verdreht hätte. „Ach komm, Olivia. Wir wissen doch alle, was Sache ist. Kein Grund, das zu verstecken. Außerdem, ich unterstütze euch beide. Ich bin schließlich ein Teamplayer."

Die anderen haben natürlich wieder gelacht, und ich hab gemerkt, wie meine Hände sich zu Fäusten geballt haben. Ich weiß, dass Marius es nicht wirklich böse gemeint hat, aber seine Worte waren wie kleine Nadelstiche. Und Julian? Der hat den Blick gesenkt, als könnte er sich so aus der Situation rausschleichen.

Der Rest vom Training war die reinste Katastrophe. Julian hat sich komplett abgeschottet, und jedes Mal, wenn ich versucht habe, ihm irgendwie nah zu kommen, hat er sich noch weiter zurückgezogen. Selbst, wenn er mich angeschaut hat, war es, als ob da eine unsichtbare Wand zwischen uns stand. Es war einfach nur frustrierend.

Am Ende, als die Jungs endlich in die Umkleide verschwunden sind, hab ich beschlossen, dass ich ihn ansprechen muss. Ich konnte das nicht so stehen lassen. Er hat gerade seine Wasserflasche auf die Bank gestellt. „Juli?"

Er hat sich umgedreht, und allein sein Gesichtsausdruck hat schon alles gesagt. „Hey," meinte er, aber seine Stimme war so müde, dass es mir fast wehgetan hat.

When we meet againWhere stories live. Discover now