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Meine Hand hielt noch immer feste den Türgriff, als Julian einfach gegangen war. Die Stille, die nach seinem Wortwechsel zurückblieb, war erdrückend. Ich wusste, dass ich ihn verletzt hatte, aber ich hatte einfach keinen anderen Weg gefunden, mit all dem umzugehen. Und jetzt war er weg.

Warum hatte ich ihm nicht einfach die ganze Wahrheit gesagt? Warum hatte ich so lange gewartet? Die Fragen dröhnten in meinem Kopf wie ein ständig wiederholender Alarm. Ich konnte es nicht fassen, wie ich mich selbst in diese Situation manövriert hatte.

Ich atmete tief ein und schloss die Tür hinter mir. Die Luft im Raum fühlte sich plötzlich stickig an. Als ich mich umdrehte, starrte ich auf das Bild von meiner Großmutter, das noch immer an der Wand hing. Ich hatte sie geliebt. So sehr. Und jetzt war sie weg. Ich hatte das Gefühl, ich würde langsam zerbrechen.

Aber in diesem Moment wusste ich, dass ich etwas tun musste, wenn ich nicht völlig in dieser Dunkelheit verschwinden wollte. Ich musste Julian zeigen, dass ich ihn nicht einfach verlieren wollte. Ich musste ihm zeigen, dass er mir nicht egal war, auch wenn ich ihn so behandelt hatte. Ich musste ihm beweisen, dass ich bereit war, mich ihm zu öffnen – auch wenn es schmerzhaft war.

Aber wie sollte ich das anstellen? Wie konnte ich ihm sagen, dass es mir leid tat, ohne zu wissen, ob er mir überhaupt noch zuhören wollte? Ich hatte ihn so verletzt. Ich wusste, dass Worte alleine nicht ausreichen würden, um alles wieder geradezubiegen.

Mein Herz zog sich zusammen, als ich an die Umarmung mit Marius dachte. Ich hatte ihn gebraucht, ja. Aber ich wusste auch, dass Marius nicht der war, mit dem ich diesen Schmerz hätte teilen sollen. Es war Julian. Nur er konnte wirklich verstehen, was ich durchmachte. Und doch hatte ich mich immer weiter von ihm entfernt.

Ich setzte mich auf das Sofa, starrte auf mein Handy, aber ich wusste, dass ich nicht einfach eine Nachricht schicken konnte. Es fühlte sich nicht richtig an. Julian hatte recht – wir waren in einer Beziehung, und ich hatte ihm etwas verschwiegen, was mich innerlich zerriss. Das konnte ich nicht einfach mit einer Nachricht lösen.

Ich stand auf, griff nach meiner Jacke und schnappte mir die Schlüssel. Es gab nur eine Möglichkeit, das Ganze irgendwie zu retten – ich musste zu ihm. Ich musste zu ihm gehen, ihm die Wahrheit sagen und ihn um Verzeihung bitten.

Die Fahrt zu Julians Wohnung fühlte sich endlos an. Meine Hände zitterten am Lenkrad, meine Gedanken überschlugen sich. Was, wenn ich es nur schlimmer machte? Was, wenn er mich endgültig wegstieß? Doch trotz der Zweifel wusste ich, dass ich es versuchen musste. Ich konnte nicht einfach so tun, als wäre nichts passiert. Nicht, wenn ich noch eine Chance hatte, ihn zurückzugewinnen.

Als ich vor seiner Tür stand, schluckte ich schwer. Mein Herz pochte in meiner Brust, und ich fühlte mich, als würde ich gleich ohnmächtig werden. Schließlich hob ich zögernd die Hand und drückte auf die Klingel. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis er öffnete. Sein Blick war hart, seine Haltung verschlossen.

„Olivia", sagte er knapp. Kein „Hey", keine Wärme, nur mein Name. Das tat mehr weh, als ich erwartet hatte.

„Julian, bitte", begann ich leise. „Lass mich erklären."

Er seufzte, öffnete die Tür ein Stück weiter und ließ mich herein, aber seine Augen verrieten, dass er das nur tat, weil er zu höflich war, um mich einfach stehen zu lassen. Ich trat in die Wohnung, die mir sonst so vertraut war, doch diesmal fühlte es sich kalt und fremd an.

„Ich weiß, dass ich dich verletzt habe", begann ich und verschränkte die Hände vor meiner Brust, um das Zittern zu verbergen. „Ich weiß, dass ich falsch gehandelt habe. Aber ich war überfordert. Mit allem. Mit dem Tod meiner Oma, mit meiner Mutter, mit mir selbst. Und ich wollte dich nicht auch noch belasten. Ich dachte, wenn ich es allein schaffe, dann... dann wäre alles einfacher."

When we meet againWhere stories live. Discover now