Der Koffer stand fertig gepackt neben der Tür, meine Schuhe waren zu, und ich hatte gerade den Schlüssel in der Hand, als es an der Tür klopfte. Nicht laut, aber bestimmend, so ein Klopfen, das sagt: „Mach sofort auf." Mein Herz hat kurz ausgesetzt. Niemand wusste, dass ich wegwollte. Niemand sollte es wissen.
Langsam bin ich zur Tür geschlichen und hab durch den Spion geguckt. Da stand Julian. Natürlich. Er stand da mit seiner Reisetasche, sein typisches Strahlen im Gesicht – dieses Lächeln, das immer sagt: „Alles wird gut, wir packen das schon." Nur dass ich genau wusste: Nichts wird gut. Nicht heute, nicht morgen, nicht dieses Wochenende.
Ich hätte die Tür einfach zulassen sollen. Aber ich konnte ihn ja nicht draußen stehen lassen. Also hab ich tief durchgeatmet, versucht, mich irgendwie zusammenzureißen, und die Tür geöffnet.
„Überraschung!" hat er gesagt und grinste mich an wie ein kleiner Junge, der gerade irgendeinen großen Coup gelandet hat. „Ich dachte, wir könnten das Wochenende zusammen verbringen! Einfach mal raus, ein bisschen Abstand, nur wir zwei. Ich hab alles organisiert – Hotel, bisschen Natur, ich fahr uns, alles stressfrei. Was sagst du?"
Seine Augen haben so geleuchtet, und ich hab gespürt, wie mir schlecht wurde. Weil ich wusste, dass ich das alles gleich kaputtmachen würde. Ich konnte nicht mit ihm fahren, nicht für ein entspanntes Wochenende irgendwohin. Ich musste zurück nach Wolfsburg. Zur Beerdigung meiner Oma. Die Mutter meines Vaters ist für meine Mutter wie ihre eigene geworden, als sie geheiratet hatten. LAG vermutlich daran, dass meine andere Oma ziemlich früh gestorben war. Aber wie sollte ich ihm sagen, dass ich zur Beerdigung meiner Oma fahre? Wie? Ich konnte das nicht aussprechen. Dran denken tat schon genug weh.
„Julian...", hab ich angefangen, und schon meine Stimme hat verraten, dass was nicht stimmte. „Das ist echt lieb von dir. Aber ich kann nicht. Ich hab schon was vor."
Er hat mich erst überrascht angeschaut, als hätte er mich nicht richtig verstanden. Dann hat er den Kopf ein bisschen schiefgelegt. „Was? Echt? Was denn? Arbeit? Freunde? Wir haben doch dieses Wochenende spielfrei."
Panik. Da war sie wieder. Sie hat mir die Kehle zugeschnürt, mein Herz raste, und ich hab gespürt, wie mir die Ausrede von den Lippen rutschte, bevor ich überhaupt drüber nachdenken konnte.
„Ich... äh... ich fahr nach Wolfsburg. Zu meiner Mutter."
Er hat eine Augenbraue hochgezogen, aber nichts gesagt. Also hab ich weitergeredet, zu schnell, zu nervös, aber ich musste einfach weiterreden, bevor er anfängt, Fragen zu stellen. „Wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen. Es war so eine spontane Idee. Sie hat mich diese Woche angerufen, und ich dachte, es wäre eine gute Gelegenheit."
Julian hat mich nur angesehen, ganz ruhig, und das war schlimmer, als wenn er laut geworden wäre. „Das hast du gar nicht erwähnt", hat er dann leise gesagt.
„Es war spontan", hab ich wiederholt und meine Tasche aufgehoben, als ob das alles erklären würde. „Ich hab gar nicht groß drüber nachgedacht, es war einfach... ja."
Er hat langsam genickt, aber in seinen Augen hab ich gesehen, dass er es nicht wirklich geglaubt hat. „Oh... na ja, okay. Das ist natürlich wichtig. Familie geht vor."
„Ja", hab ich schnell gesagt und versucht, dabei möglichst überzeugend zu klingen. „Und es wird wirklich Zeit, dass ich sie mal besuche."
Dann hat er plötzlich wieder gestrahlt, als hätte er eine Lösung gefunden. „Soll ich dich fahren? Dann hast du's entspannter, und wir können das Wochenende trotzdem ein wenig zusammen verbringen. Ist doch kein Problem."
„Nein!" Es ist einfach aus mir rausgeschossen, viel zu schnell, viel zu laut. Seine Augen wurden groß, und ich hab gemerkt, wie ich versuchen musste, mich zusammenzureißen. „Ich meine... das ist lieb von dir, aber das ist nicht nötig. Es ist nur eine kurze Fahrt, und... und ich brauch die Zeit für mich. Weißt du? Einfach mal ein bisschen allein sein. Und die Zeit mit meiner Mutter alleine genießen. Ich hoffe, du verstehst das."
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When we meet again
FanficMit 13 Jahren hatte ich meinen ersten Freund. Ein Jahr später, ließ er mich sitzen. Das einzige was ich von ihm bekam war eine Nachricht. „Tut mir leid" mehr als diese drei Worte standen nicht drin. Doch warum sollte ich da noch immer hinterher trau...