Mittlerweile sitze ich auf der Couch. Meine Knie Fest an mich gezogen und mein Blick starr auf die Wand über den Fernseher. Bis es klingelt. Diese zog mich raus aus meinen Gedanken. Ich wollte sie ignorieren. Doch nachdem es mittlerweile nicht nur ein klingeln ist, sondern ein ganzes Sturmkingeln, stehe ich dann doch auf. Die Tür geöffnet, sehe ich sofort den blonden vor mir stehen. Abrupt versuche ich die Tür wieder zuzumachen. Leider vergeblich, Julian schon sich direkt zu mir rein und ließ die Tür anschließend laut ins Schloss fallen. „Sag mir, was mit dir los ist" ertönt seine Stimme sofort.
Julian steht jetzt nur noch einen Schritt entfernt, seine Augen fixieren mich voller Besorgnis. Er hat das Zittern meiner Hände bemerkt und die Art, wie ich bei jeder seiner Bewegungen zurückweiche, als hätte ich Angst, nicht vor ihm, sondern vor der Erinnerung, die sich hartnäckig in meinem Kopf festgesetzt hat. Ich will stark sein, will mir nichts anmerken lassen, aber mein Körper lässt sich nicht kontrollieren. Der Gedanke an Jonas, an die Konfrontation, lässt mich erstarren.
„Olivia," seine Stimme ist sanft, kaum mehr als ein Flüstern, und als ich endlich den Mut finde, ihm kurz in die Augen zu schauen, sehe ich darin keinen Ärger mehr, sondern nur eine endlose Geduld und Zärtlichkeit. „Es bin nur ich. Du kannst mir vertrauen."
Seine Worte klingen so einfach, und trotzdem spüre ich, wie meine Kehle sich zuschnürt. Mein Herz schlägt so laut, dass ich es fast höre. Ich versuche, etwas zu sagen, aber die Worte bleiben mir im Hals stecken. Warum fällt es mir so schwer, ihm zu sagen, was passiert ist? Er ist ein Freund, vielleicht sogar mein bester Freund, und trotzdem fühle ich mich wie in einem Netz aus Angst und Scham gefangen.
Julian bemerkt mein Zögern, und anstatt mich weiter zu bedrängen, macht er einen kleinen Schritt zurück, lässt mir etwas Raum zum Atmen. Er setzt sich auf das Sofa in meinem Wohnzimmer, lässt seinen Blick nicht von mir ab und wartet einfach ab. Er gibt mir die Möglichkeit, den nächsten Schritt zu machen, wenn ich dazu bereit bin. Und das allein zeigt mir, dass er es ernst meint. Dass er hier ist, um mir zu helfen, egal, wie lange ich brauche.
Langsam lasse ich mich neben ihm auf das Sofa sinken und starre auf meine Hände, die immer noch zittern. In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken. Julian sitzt da, ruhig, geduldig, wartet. Seine Nähe fühlt sich plötzlich sicher an. Ich kann den Abstand zwischen uns spüren, aber auch die Wärme, die von ihm ausgeht. Und vielleicht ist es das, was mich letztlich dazu bringt, die Stille zu brechen.
„Ich... ich weiß nicht, wo ich anfangen soll." Meine Stimme klingt rau und leise, kaum wiederzuerkennen. Ich höre Julian tief einatmen, aber er sagt nichts, lässt mir den Raum, den ich brauche.
„Er war einfach... da," murmele ich schließlich, immer noch meinen Blick auf meine Hände gerichtet. „Jonas. Heute beim Spiel." Ich spüre, wie sich Julians Körper leicht anspannt, doch er hält sich zurück, fragt nichts, sondern wartet, dass ich weiterspreche.
„Ich dachte, ich hätte ihn hinter mir gelassen," sage ich mit einem kleinen, bitteren Lächeln. „Aber als ich ihn gesehen habe, war es, als würde all das wieder hochkommen. Alles, wovor ich weggelaufen bin."
Julian runzelt die Stirn, sein Gesicht ist voller Mitgefühl. „Hat er... hat er etwas gesagt oder...?"
Ich nicke langsam, spüre, wie die Tränen in meine Augen steigen. „Er wollte, dass ich ihm verzeihe. Dass wir... keine Ahnung, dass wir nochmal reden, alles klären. Er war der Meinung, dass ich ihm noch eine Chance schulde." Die Wut in mir flammt wieder auf, doch sie wird sofort von einem Anflug von Angst verdrängt, als ich an seine Berührungen denke, die Art, wie er mich festgehalten hat. „Aber das ist nicht alles... er hat mich berührt, einfach so. Als ob er ein Recht darauf hätte."
Julian ballt die Hände zu Fäusten, und für einen Moment scheint er nach den richtigen Worten zu suchen. „Olivia," sagt er schließlich, seine Stimme fest und entschlossen, „er hatte kein Recht dazu. Keiner hat das." Er hebt langsam eine Hand, legt sie leicht auf meinen Arm, aber diesmal zieht er sie sofort zurück, als ob er Angst hat, dass ich wieder zurückschrecke.
„Sorry," flüstert er, und ich erkenne in seinem Blick, dass er mich nicht verletzen will, dass er mir nur zeigen möchte, dass ich sicher bin. „Ich will dir helfen, aber ich weiß auch, dass es schwer ist, das alles loszulassen."
Eine Weile sitzen wir einfach nur da, beide in Gedanken versunken. Julian starrt auf den Boden, seine Hände immer noch in Fäusten, als ob er sich zurückhalten muss, nicht sofort loszuziehen, um Jonas zur Rede zu stellen. Ich atme tief ein, der Schock und die Panik von vorhin verblassen langsam, ersetzt durch eine vorsichtige, zaghafte Ruhe, die Julians Anwesenheit mit sich bringt.
„Du hast recht," sage ich schließlich, meine Stimme etwas fester. „Es ist schwer. Und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich habe so viel von mir selbst verloren durch ihn. Er hat mir das Gefühl gegeben, dass ich klein und wertlos bin." Ich starre auf meine Hände, die immer noch leicht zittern. „Und ich glaube, ein Teil von mir hat Angst, dass ich das nie loswerde."
Julian schüttelt den Kopf, sein Blick ist intensiv. „Olivia, du bist alles andere als wertlos. Und ich werde nicht zulassen, dass er dich wieder so fühlen lässt. Du hast schon so viel durchgestanden, du bist hier, und du bist... du bist so viel stärker, als du denkst."
Die Worte treffen mich tief, und ich merke, wie eine Träne meine Wange hinunterläuft. „Danke, Julian," flüstere ich. „Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde."
Er lächelt leicht, ein warmes, aufmunterndes Lächeln, das mir das Gefühl gibt, dass alles irgendwann wieder gut wird. „Du wirst dich wieder besser fühlen," sagt er leise. „Und wenn es Zeit braucht, dann werde ich die ganze Zeit da sein. Für dich. Egal, wie lange."
Wir sitzen einfach da, seine Hand ruht sanft auf meiner Schulter, eine kleine Geste der Unterstützung. Und in diesem Moment spüre ich, wie die Schwere in meiner Brust ein wenig nachlässt.
Ich kann ihm Vertrauen. So richtig vertrauen. Ich brauche keine Angst bei ihm haben.
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When we meet again
FanficMit 13 Jahren hatte ich meinen ersten Freund. Ein Jahr später, ließ er mich sitzen. Das einzige was ich von ihm bekam war eine Nachricht. „Tut mir leid" mehr als diese drei Worte standen nicht drin. Doch warum sollte ich da noch immer hinterher trau...