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Als ich gerade mit Jannis darüber sprach, wie viel sich in den letzten Jahren verändert hatte, merkte ich, wie sehr ich dieses ungezwungene Gespräch genoss. Er erzählte von seinem Fotografiestudium, wie er davon träumte, irgendwann einfach große Momente festzuhalten. Er sprach so leidenschaftlich darüber, dass ich lächelte und mich daran erinnerte, wie ich damals im Kindergarten anfing, mit keinem einzigen Gedanken daran, dass ich jemals hier, direkt an der Seite eines Bundesliga-Teams stehen würde.

„Ich war eigentlich völlig zufrieden mit den kleinen Füßen und Klebefingern der Kids im Kindergarten," erzählte ich lachend. „Ich hätte nie gedacht, dass ich eines Tages erwachsene Kerle betreuen würde, die sich manchmal kaum weniger kindisch benehmen."

Jannis grinste. „Na, aber jetzt kannst du wenigstens auf sie aufpassen und ihnen jedes Mal sagen, wenn sie Mist bauen."

Ich wollte gerade darauf antworten, als ich eine Stimme hörte. Eine Stimme, die ich nie wieder hatte hören wollen. Sie ließ mein Lächeln augenblicklich erstarren und mich stocken. Da war es, dieses komische Gefühl, das meinen Magen zusammenzog und mir den Atem nahm.

„Jannis! Komm mal her, wir brauchen dich kurz!"

Ich fror ein. Alles um mich herum schien zu verschwimmen, und mein Blick blieb auf Jannis gerichtet, aber ich sah ihn kaum noch. Diese Stimme... Sie drang in jeden Winkel meines Bewusstseins ein, löste Erinnerungen aus, die ich längst vergraben hatte. Es war Jonas.

„Olivia?" Jannis runzelte die Stirn, als er meinen starren Blick bemerkte. „Hey, was ist los? Alles in Ordnung?"

Ich öffnete den Mund, aber kein Ton kam heraus. Es fühlte sich an, als hätte mich jemand in eine andere Zeit versetzt, zurück in Momente voller Fragen, Zweifel und Enttäuschungen. Dieser Mann, der vor wenigen Monaten noch mein Verlobter war, und den ich nie wieder sehen will, ist plötzlich hier, nur wenige Schritte entfernt.

Ich schüttelte langsam den Kopf und versuchte, mich wieder zu fassen, aber mein Herz klopfte wie wild, und das Zittern in meinen Händen wollte einfach nicht aufhören.

„Olivia, du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen." Jannis legte vorsichtig seine Hand auf meine Schulter und suchte meinen Blick. Mit jedem Schritt, den Jonas näher kommt, gefriert das Blut in meinen Adern nur noch mehr. Bis er schließlich bei uns stehen bleibt.

Jonas räusperte sich, unsicher, wie er anfangen sollte, und schaute mich an. Seine Augen waren voller Reue, das konnte ich sehen, aber es machte den Moment nicht weniger schmerzhaft. „Olivia," begann er leise, erschrocken darüber, dass ich hier stehe.

Ich schluckte schwer und wich seinem Blick aus. Ich fühlte, wie der alte Schmerz, den ich so lange versucht hatte zu verdrängen, an die Oberfläche zurückdrängte. Eine Mischung aus Wut und Enttäuschung stieg in mir hoch.

„Was machst du hier?" fragt er vorsichtig, ließ mich keine Sekunde aus den Augen.
„Arbeiten" murmelte ich kaum hörbar, mehr zu mir selbst als zu ihm.

Er unterbrach mich sanft, seine Stimme eindringlicher, fast flehend. „Olivia, ich weiß, dass ich alles verbockt habe. Dass ich... dass ich dir so wehgetan habe. Das war das Letzte, was ich wollte."

Ich sah ihn jetzt an, und ich konnte das Bedauern in seinen Augen erkennen. Es war echt, das wusste ich. Aber gerade das machte es nur noch schwieriger. Die Wunde, die er damals hinterlassen hatte, war tief, und sie hat mich verändert. Ich habe mich verändert.

„Jonas," begann ich langsam, „ich bin zum Arbeiten hier, also bitte lass mich in Ruhe" entgegne ich ihm.

Er nickte, als würde er versuchen, das zu verstehen. „Meinst du nicht, wir können einen kurzen Moment miteinander sprechen? Ich vermisse dich".

Ein Teil von mir wollte ihm sagen, dass er nie die Stärke in mir gesehen hatte, dass er mich einfach nicht erkannt hatte, als wir noch zusammen waren. Aber ich hielt inne. Ihm das zu sagen würde nichts ändern und nichts heilen.

„Ich habe dir damals vertraut," sagte ich schließlich leise, „und dieses Vertrauen ist weg. Es ist vorbei."

Ich merkte, wie sich mein Blick veränderte, härter wurde, obwohl ich innerlich zitterte. „Du hast jegliches Recht verspielt, mich überhaupt vermissen zu dürfen."

Jonas wollte noch etwas erwidern, doch in diesem Moment hörte ich schnelle Schritte, und als ich zur Seite sah, stand Julian endlich da. Ich hatte garnicht bemerkt, wie Jannis gegangen ist. Er muss ihn geholt haben. Anders kann ich es mir nicht erklären.

Julian kam näher und bemerkte sofort die angespannte Stimmung zwischen Jonas und mir. Sein Blick wanderte von meinem Gesicht zu Jonas und dann wieder zurück, und ich konnte sehen, wie sich sein Ausdruck verdüsterte. Ohne zu zögern stellte er sich dicht neben mich, beinahe schützend, und legte eine Hand auf meine Schulter.

„Ist alles in Ordnung, Livi?" fragte er leise, sein Blick fest auf mich gerichtet.

Ich nickte, versuchte aber, ein halbherziges Lächeln zustande zu bringen. Julian kannte mich jedoch zu gut, um sich davon täuschen zu lassen. Er zog die Augenbrauen zusammen, dann wandte er sich an Jonas und musterte ihn skeptisch. „Und wer bist du?" fragte er, ohne die freundliche Offenheit, die er normalerweise zeigt.

Jonas blieb ruhig, seine Augen fixierten Julian. „Ich bin Jonas," antwortete er knapp, als würde der Name allein schon alles erklären.

Julian runzelte die Stirn, und ich wusste, dass es in seinem Kopf gerade klickte. Das war der Moment, in dem er realisierte, wer Jonas war. Sein Gesicht verhärtete sich, und ich konnte die Anspannung in ihm fast spüren. Es war, als würde er sich augenblicklich auf einen inneren Kampf vorbereiten, als hätte er schon alles gehört, was er über Jonas wissen musste.

„Ach, du bist also der Jonas," sagte Julian mit einem kühlen Lächeln, das so gar nicht zu ihm passte. „Ich glaube es ist besser, wenn du jetzt gehst."

Ich konnte sehen, wie Jonas innerlich mit sich rang, wie er versuchte, Worte zu finden. Doch bevor er etwas erwidern konnte, legte Julian einen Arm um meine Schultern und führte mich ein Stück von ihm weg. Ich spürte, wie er mir Sicherheit gab, wie sein Griff an mir sagte: Ich bin hier. Ich bleib an deiner Seite.

Jonas' Stimme erklang hinter uns, unsicher und flehend: „Olivia, bitte, ich will nur reden. Ich... ich wollte dir sagen, dass es mir leid tut. Meine Gefühle haben sich nicht geändert".

Ich blieb kurz stehen und schaute über meine Schulter zurück, aber ich sagte nichts. Ich atmete tief ein und schüttelte den Kopf. „Jonas," sagte ich ruhig, „es gibt nichts mehr zu sagen. Es ist vorbei."

Julian nickte stumm, nahm meine Hand und führte mich schließlich weiter weg. Als wir außer Hörweite waren, blieb ich stehen, und die Anspannung fiel von mir ab. Ich atmete schwer und versuchte, die Emotionen zu ordnen, die in mir tobten.

„Danke," murmelte ich leise, unfähig, Julian in die Augen zu sehen. Ich wusste, wie verletzlich ich gerade wirkte, aber Julian sagte nichts. Stattdessen legte er sanft eine Hand auf meinen Arm und zog mich in eine kurze Umarmung.

„Du schuldest mir kein Danke," flüsterte er und strich mir über den Rücken. „Ich bin für dich da, Livi. Immer."

When we meet againWhere stories live. Discover now