50

94 2 0
                                        

Der Montagmorgen kam schneller, als mir lieb war. Ich fühlte mich, als hätte ich keinen einzigen Moment geschlafen. So war es auch, fast zumindest. Meine Gedanken waren die ganze Nacht um meine Mutter und die Beerdigung gekreist. Das Bild von ihrem traurigen Gesicht ließ mich nicht los, genauso wenig wie der kalte Marmorstein, den ich am Grab berührt hatte.

Aber jetzt war Montag, und ich musste funktionieren.

Ich zog meine Jacke an, schnappte meine Tasche und fuhr zur Anlage. Die Jungs waren schon auf dem Platz, als ich ankam, ihre Stimmen und das Geräusch des Balles hallten über das Feld. Für einen Moment fühlte sich alles wieder normal an.

„Hey, Olivia!" begrüßte mich Edin knapp. „Hast du noch irgendwelche Fragen wegen gleich?"

„Hey Edin, nein, für mich ist alles klar." antworte ich. Gezwungen lächle ich und laufe dann mit ihm zusammen ins Gebäude.

Watzke wartete schon in der Lobby, als wir herein kam. Neben ihm stand ein großer, sportlich wirkender Mann, der nervös mit seinem Handy spielte.

„Olivia! Perfektes Timing", begrüßte Watzke mich. „Das ist Ian. Wir hoffen, dass er unsere Abwehr verstärken wird. Kannst du ihn ein bisschen herumführen? Er hat schon Interesse gezeigt, aber es ist immer gut, jemanden zu haben, der ihm alles zeigt."

Ich nickte und zwang mich zu einem Lächeln. „Klar, kein Problem."

Die nächsten Stunden verliefen wie im Autopilot. Ich zeigte Ian alles, stellte ihn den Spielern vor und beantwortete seine Fragen. Ich hatte keine Ahnung, ob ich dabei überzeugend wirkte oder nicht, ich tat einfach, was von mir erwartet wurde.

Doch innerlich war ich woanders. Meine Gedanken waren bei meiner Mutter, die jetzt allein zu Hause saß, und bei Julian, der sich wahrscheinlich fragte, warum ich mich immer noch nicht bei ihm gemeldet hatte.

Und wie aus dem nichts ertönt ein Ton von meinem Handy.
Eine Nachricht von Julian blinkte auf dem Display.

-
Wie war dein Wochenende bei deiner Mutter? Alles gut?
-

Ich wusste, dass ich antworten sollte. Aber was sollte ich sagen? Die Wahrheit? Oder wieder irgendeine Lüge? Also legte ich mein Handy einfach wieder an die Seite. Ignorieren schien mir hier die beste Lösung zu sein. Nur leider musste ich zu dem Training der Jungs. Dort müsste ich mich wahrscheinlich früher oder später Julian stellen.

Der Platz war mit den üblichen Geräuschen von Bällen, Schuhen auf dem Rasen und den lauten Rufen der Jungs erfüllt. Ich saß auf der Tribüne, den Blick starr auf das Training gerichtet. Ich war körperlich hier, aber innerlich irgendwo anders. Die letzten Tage hatten mich ausgelaugt, und ich wusste nicht, wie ich das alles länger verstecken sollte.

Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir, und bevor ich mich umdrehen konnte, setzte sich Julian neben mich.

„Hey," begann er, seine Stimme klang ruhig, aber ich konnte die Spannung darin hören. „Warum ignorierst du eigentlich meine Nachrichten?"

Ich schloss für einen Moment die Augen, bevor ich ihn ansah. Sein Blick bohrte sich in mich, voller Fragen, und ich fühlte, wie die Panik langsam in mir aufstieg.

„Ich hab sie nicht ignoriert," log ich und schüttelte den Kopf. „Ich war einfach mega beschäftigt mit dem neuen Spieler. Du weißt, Edin hat mich komplett eingespannt."

Julian schnaubte leise und lehnte sich ein Stück zurück. „Nicht mal ein ‚Ich melde mich später'? Das dauert zwei Sekunden, Livi."

„Ich hab's nicht gesehen, okay?" Ich hob die Hände, als wollte ich das Thema damit abwehren. „Es war ein hektischer Tag. Sorry."

When we meet againWhere stories live. Discover now