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Die Nacht war absolut friedlich. Kein Klopfen, keine seltsamen Geräusche, nichts, was mich aus dem Schlaf reißen konnte, nur Julians ruhiger Atem neben mir, der wie ein Anker war.

Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlug, war das Bett neben mir leer. Einen Moment lang war ich verwirrt, diese typische „Wo bin ich und was ist los?"-Verwirrung, bevor mein Verstand langsam die Lage checkte. Dann hörte ich es: das vertraute Brummen der Kaffeemaschine, das Klappern von Geschirr. Julian war schon wach. Natürlich.

Ich streckte mich ausgiebig, zog die Decke noch mal bis zur Nase hoch, genoss für ein paar Sekunden die Wärme, bevor ich mich doch überwinden konnte, aufzustehen. Meine Füße landeten auf dem kalten Boden, also schnappte ich mir einen von Julians Hoodies, der lässig über dem Stuhl hing. Keine Frage, Klamotten von Julian sind immer gemütlicher. Kapuze über den Kopf gezogen, schlurfte ich in die Küche.

Und da stand er. In Jogginghose und ohne Tshirt. Seine Haare waren völlig zerzaust, als hätte er mit einem Tornado gekämpft, er konzentrierte sich darauf, Spiegeleier zu braten. Der Anblick war irgendwie lustig und gleichzeitig unfassbar süß.

„Morgen", murmelte ich, immer noch halb im Schlaf, während ich mich an den Türrahmen lehnte.

Julian drehte sich um, sein Lächeln direkt wie ein Aufheller für den ganzen Raum. „Morgen, Schlafmütze. Kaffee ist fertig."

Kaffee. Magische Worte. Ich schnappte mir eine Tasse, ließ mich auf einen Stuhl fallen und hielt mich an dem warmen Porzellan fest, als wäre es ein Rettungsanker. „Du bist ja ungewöhnlich früh wach", stellte ich fest und nahm einen ersten Schluck.

„Frühaufsteher aus Überzeugung", antwortete er mit einem gespielt unschuldigen Gesichtsausdruck.

Ich hob eine Augenbraue. „Sicher. Und ich bin die Königin von England."

Er zuckte mit den Schultern, als wollte er es nicht weiter kommentieren, aber ich ließ nicht locker. „Okay, was ist los? Du hast normalerweise das Schlafverhalten eines Steins."

„Was soll los sein?" Er drehte sich wieder zu den Eiern, aber ich konnte an seiner Haltung sehen, dass er irgendwas verheimlichte.

„Julian." Ich verschränkte die Arme, während ich ihn durchdringend ansah. „Ich bin vielleicht nicht hellwach, aber ich bin auch nicht blind."

Er seufzte, stellte die Pfanne beiseite und wandte sich mir zu. „Es ist nichts, Livi. Ehrlich. Ich hab nur schlecht geschlafen."

„Mhm, klar." Ich nahm einen weiteren Schluck Kaffee und musterte ihn. „Du weißt, dass du mir alles sagen kannst, oder? Nur weil du immer für mich da bist, heißt das nicht, dass ich nicht auch mal für dich da sein kann."

Unsere Blicke trafen sich, und für einen Moment dachte ich, er würde auspacken. Stattdessen kam er wortlos zu mir, setzte sich auf den Stuhl neben mir und nahm meine Hände in seine.

„Ich weiß, Livi. Es ist nur... ich hab mir Sorgen um dich gemacht, mehr nicht", sagte er leise.

Ich lächelte, beugte mich vor und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Brauchst du nicht. Mir geht's wirklich besser. Aber danke."

Das Frühstück verlief in wohltuender Normalität, und danach machten wir es uns auf der Couch bequem. Julian hatte irgendeine Doku über Fußballtaktiken eingeschaltet, was für ihn offensichtlich faszinierend war, für mich aber eher wie ein Schlafmittel wirkte. Ich scrollte nur halb interessiert durch mein Handy, aber es war okay. Heute ist „nichts tun" genau das, was ich brauche.

„Wie wär's, wenn wir später spazieren gehen?" fragte er irgendwann.

Ich sah ihn überrascht an. „Spazieren? Seit wann bist du der Naturbursche?"

When we meet againWhere stories live. Discover now