Teil 51 - Wehmut

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Marco's Sicht:

"Marco?", holt mich Doktor Müller-Wohlfahrt's Stimme wieder aus meinen Gedanken, "es sieht nicht gut aus. Dein Syndesmosenband hat es erwischt. Du wirst einen Gips brauchen."
"Also war's das für mich, stimmt's?", frage ich nach um meine Vermutung noch einmal zu bestätigen.
"Es tut mir leid Marco", höre ich Müll noch sagen doch weiter höre ich ihm nicht zu, da ich schon längst wieder mit dem Kopf wo anders bin.
Die ganze Vorfreude. Die ganze Vorbereitung. Das ganze Training. Alles umsonst. Ich fahre mir mit den Händen über die Augen und atme tief durch.
"Guten Tag Herr Reus. Es tut mir leid sie bei uns begrüßen zu müssen und ich drücke Ihnen mein tiefstes Beileid aus", erklingt eine freundliche Stimme und als ich die Augen öffne steht ein noch relativ junger Arzt mit Lächeln vor mir, "wir würden Ihnen jetzt schnell den Gips anlegen, Ihnen Krüken geben und dann für Sie ein Taxi zum Flughafen bestellen wenn Sie möchten. Das Management des DFB ist schon dabei Ihre Sachen zu packen und einen Flug für Sie nach Dortmund zu buchen."
"Nein, nein, nein. Ich will noch nicht zurück nach Dortmund. Ich bin bereit für den Gips aber ich würde noch gerne eine letzte Nacht mit der Mannschaft verbringen", falle ich dem Arzt schließlich ins Wort. Der Gedanke daran Mario jetzt schon gehen lassen zu müssen bereitet mir Panik, da ich genau weiß, dass ihn das Ganze mindestens genauso mitnimmt wie mich, auch wenn er es vielleicht nicht offen zugeben will.
"Wie Sie wünschen Herr Reus. Wir sind gleich bei Ihnen", nickt mir der Arzt zu und verschwindet.
"Marco? Mario ist jetzt auf dem Platz. Soll ich das Spiel an machen?", fragt Markus, einer der Betreuer, der mit mir ins Krankenhaus gefahren ist und lächelt mich leicht an.
"Ja, bitte", gebe ich zur Antwort und augenblicklich läuft das Spiel auf dem kleinen Bildschirm in meinem Krankenzimmer.
Mario's Mine ist ernst und er sieht nicht sehr glücklich aus, aber dennoch strahlt die Überzeugung und das Selbstbewusstsein in seinen Augen.
Er ist gut im Spiel und so ist es schließlich die 81. Minute in der Lukas den Ball durch die Beine eines Abwehrspielers der Armenier direkt auf Mario's linkes Bein schießt, der ihn nur noch ins Tor schieben muss. Markus' Jubel geht durch den Raum als ich mich weiter auf Mario konzentriere. Er zeigt zunächst keine Reaktion doch nach einer Weile hebt er schließlich beide Arme und schaut in den Himmel. Sein Blick ist noch immer ernst und ich weiß genau, dass er dieses Tor an mich widmet.
Er meinte einmal zu mir, dass er diese Geste nur mache wenn er das Tor jemanden ihm wirklich wichtigen widme, weshalb es so selten vorkam.
In der 88. Minute verwandelt er den nächsten Ball mit rechts, den er von Miroslav vorgelegt bekommt. Wieder ist er danach zurückhaltend und zeigt bis auf einen ernsten Blick keine Reaktion.
Wenige Minuten nach dem Abpfiff ist mein linkes Bein schließlich grün eingegipst und ich darf das Krankenhaus mit Krüken und Markus im Schlepptau verlassen. Schnell werde ich wieder zurück ins Hotel gefahren und in mein Zimmer beordert. Als ich mich schließlich auf das Bett fallen lasse ist von Mario und dem Rest des Teams noch keine Sicht auszumachen und so lege ich mein Bein hoch und schließe für einen Moment die Augen.
Mein Traum von der Weltmeisterschaft in Brasilien ist ausgeträumt. Was soll ich denn jetzt die ganzen Wochen daheim machen?
In diesem Augenblick bemerke ich mein vibrierendes Handy in meiner Hosentasche wieder. Talentfrei fische ich es hervor und entsperre es.
Eine neue Nachricht von Forni: "Hey Wood. Was machst du denn nur für Sachen du Affe? Wie geht's dir?"
Etwas erschöpft seufze ich und antworte ihm.
Forni: "Hey, aber dafür können wir drei jetzt nach Ibiza fliegen und uns die Spiele da gechillt vor der Glotze reinziehen ;)", kommt die abrupte Antwort und ich denke darüber nach.
Etwas Ablenkung würde mir jetzt wirklich gut tun und was wäre da besser als ein entspannter Urlaub in einem Ferienhaus in Ibiza? Marcel und Robin hatten das Haus sowieso schon für die nächsten drei Wochen vorgemietet und da es insgesamt drei Schlafzimmer besaß, würde es keinen Unterschied machen wenn ich die zwei jetzt doch begleitete.
"Klingt nach ner guten Idee. Ich brauch eh mal etwas Abstand und muss weg von hier", tippe ich als Antwort in mein Handy und schicke sie ab.
"Alles klar Oberaffe ;) wir holen dich morgen am Flughafen ab und machen noch ein Ticket startklar", schreibt Marcel darauf zurück und zufrieden lächle ich und lege mein Handy beiseite.
Vielleicht würde dieser Urlaub mich doch noch auf andere Gedanken bringen, vor allem weil ich meine zwei besten Kumpels dabei hatte um mich abzulenken.
Seufzend legte ich meinen linken Vorderarm über meine Augen. Das war alles so anders gelaufen als ich es geplant hatte. Vor allem jetzt wo ich Mario endlich für mich hatte, musste ich ihn alleine nach Brasilien reisen lassen und dabei zusehen wie er den Sommer seines Lebens durchlebt, während ich an Krüken, Bett und Sofa gebunden bin.

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