Wiedersehen Teil 8

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Erschrocken schrie ich auf: „Remus?" „Guten Tag, Ria. Du hast dich wirklich kaum verändert. Kann ich reinkommen? Ich muss mit dir reden." „Klar... Komm rein. Es ist aber nicht aufgeräumt." Remus' Lächeln wirkte etwas gezwungen, als er meine Wohnung betrat. „Setz dich doch. Möchtest du was trinken?" „Nein, danke." Er ließ sich auf einem Sessel nieder und ich setzte mich gegenüber. „Worüber wolltest du sprechen?" „Also..." Und Remus erzählte mir alles, was geschah. Harry und seine Freunde hatten viel erlebt, Voldemort ist zurück an die Macht gekommen, deshalb wurde der Orden des Phönix wieder einberufen. „Deshalb bin ich hier: Ich wollte dich fragen, ob du uns unterstützen würdest. Deine Erfahrungen mit Flüchen könnte uns sehr helfen, außerdem könntest du Harry kennenlernen." „Wie seid ihr ausgerechnet auf mich gekommen?" „Jemand hat dich vorgeschlagen." „Und wer?" „Sirius." Wie bitte?" „Er ist aus Askaban entkommen und lebt im Hauptquartier. Als wir über Flüche sprachen, hat er sofort deinen Namen genannt, und ich wurde zu dir geschickt." „Aber, aber... Sirius lebt noch?" „Ja. Hör zu. Es vielleicht viel auf einmal, aber du würdest uns wirklich helfen können. Deshalb frage ich dich jetzt als dein Freund: Willst du mit mir kommen und versuchen deine alte Welt wieder aufzubauen, oder willst du hierbleiben und an der Vergangenheit hängen?" Er sah mich durchdringend an. „Ich will... ähm... Ich würde wirklich gerne helfen, aber Harry und Sirius zusehen..." „Ich weiß es ist schwer, aber du solltest es probieren." „Was ist, wenn Sirius mich nicht mehr erkennt?" „Er redetet seit Tagen nur noch von dir. Und ich habe Harry erzählt, dass er eine Tante hat. Er drängte mich seit Wochen, dass du endlich vorbei kommst." Mir fiel ein Satz ein, den James einmal gesagt hatte. Er wollte mich überreden, mit ihm auf einen Baum zu klettern. Am Ende waren wir runtergefallen. Ich hatte einige Prellungen und er einen verstauchten Fuß. Damals hatte er gesagt: „Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren." Ich habe den Mut, etwas zu riskieren! „Ich komme mit dir, Remus."

Mit einem Koffer in der Hand stand ich neben Remus und warf ihm unsichere Blicke zu. „Hier, lies." Er gab mir einen Zettel. Das Hauptquartier des Phönixordens befindet sich am Grimmauldplatz Nummer zwölf, London. „Fidelius-Zauber", riet ich. „Richtig. Jetzt kannst du das Hauptquartier betreten und sehen. Dumbledore ist der Geheimniswahrer." „Verstehe, sehr clever." Vor uns bewegten sich die Häuser. Sie glitten nach rechts und links und ein weiteres Haus schob sich dazwischen. „Dieses Haus ist eins der besten geschützten Gebäude in London, aber wollen wir nicht reingehen?" Remus hielt mir die Tür auf und ich betrat das dunkle Haus. „Einfach weitergehen", flüsterte Remus. „Wieso flüsterst du?" „Ich will sie nicht aufwecken." „Wen aufwecken?" „Wirst du schon noch sehen." Ich tastete mich weiter nach vorne, doch in diesem halbdunkeln konnte man fast nichts erkennen. Mein Fuß stieß gegen etwas Festes und es fiel zu Boden. Augenblicklich ertönte ein ohrenbetäubendes Geschreie: „BLUTSVERRÄTER, SCHLAMMBLÜTER IN MEINEM HAUS!!! ABSCHAUM BESUDELT MEIN HAUS!!!!" Remus seufzte. „Wer ist das?" Doch bevor er mir antworten konnte, ging eine Tür auf und ein Mann mittleren Alters stürmte auf die Lärmquelle zu. Er hatte lange Haare und war groß, aber recht gut gebaut. „Halt die Klappe", grummelte er und ich zuckte zusammen. Ich kannte diese Stimme. Der Mann hantierte an etwas herum und es wurde wieder still. Er drehte sich zu uns um, und mein Herz setzte kurzzeitig aus. Es war Sirius. Er war gealtert und Askaban hatte ihm zugesetzt, trotzdem erkannte ich ihn sofort. Er warf Remus, der mittlerweile vor mir stand, einen genervten Blick zu. „Hättest du nicht aufpassen können?" „Ich war das nicht." „Und wer sonst? Ich sehe hier niemanden mehr." Remus trat einen Schritt zur Seite und schob mich nach vorne ins Licht. „Hallo, Sirius", sagte ich leise. „Ria..." Ich zitterte leicht. Remus räusperte sich kaum hörbar und verschwand lautlos. Sirius und ich starrten uns immer noch an, und niemand sagte ein Wort. Langsam und zögernd machte er einen Schritt. Diese kleine Bewegung riss mich aus meiner Starre. Ich rannte auf ich zu und fiel ihm um den Hals. „Sirius", schluchzte ich leise an seine Schulter. Er strich mir übers Haar. „Ich dachte, du wärst tot", murmelte ich. „Ich habe mich nie lebendiger gefühlt." „Aber wie bist du entkommen? Und wie hast du überlebt?" „Der Gedanke an meine Unschuld hat mich bewahrt verrückt zu werden, und... du." „Ich?" „Ich wollte dich nochmal im Arm halten. Das hatte ich mir geschworen." „Ohh, Sirius." „Schhhh. Komm mit, es gibt jemanden, der dich gerne kennenlernen würde." Er zog mich mit sich in eine Küche. Dort saßen bereits einige Personen. Eine rothaarige, energische Frau stand am Herd. Am Tisch saßen Remus, eine Frau mit bonbonfarbenen Haaren, ein gruseliger Mann mit einem Auge, den ich als Mad-Eye Moody identifizierte. Ein junges Mädchen mit roten Haaren saß neben einem Jungen mit den gleichen Haaren. Zwei Jungen, die sich aufs Haar glichen saßen ihnen gegenüber. Dann waren da noch ein Mädchen mit buschigen braunen Haaren und ein dunkler Mann mit einem strengen Gesicht. Alle hatten sich erstaunt umgedreht, als wir die Küche betreten hatten, aber mein Blick galt einem Jungen, der am Ende des Tisches saß und mich aus großen, grünen Augen ansah. Er hatte verstrubbelte, schwarze Haare und trug eine runde Brille. Es war fast, wie in einen Spiegel zu sehen. Harry sah aus wie James. Erstaunt blickte er zu mir. „Wenn jetzt schon alle da sind, kann ich euch gleich Adriana vorstellen. Sie ist eine Fluchbrecherin, die Beste, die ich kenne." Sirius lächelte leicht. Harry war aufgestanden: „Du siehst aus, wie ich." „Nein, wir sehen beide aus wie James." Ich lächelte wehmütig. „Also sind sie... bist du meine Tante. Die Zwillingsschwester meines Vater." „Ja, ich bin Ria." Das Mädchen mit den braunen Haaren stieß Harry in die Seite. „Du bekommst immer mehr von deiner Familie zurück. Einen Patenonkel und eine Tante." Harry lächelte leicht. „Ähmm das hört sich vielleicht seltsam an, aber ich würde dich gerne umarmen, wenn es dir nichts ausmacht", sagte ich leicht verlegen. Harry strahlte: „Nein, es macht mir nichts aus." Ich drückte meinen Neffen fest an mich und Sirius lachte. „Bei einer Familienumarmung will ich auch mitmachen." Er schlang seine Arme um Harry und mich. Die Zeit schien stillzustehen, während ich die Beiden in meinen Armen hielt. Meine Familie. Ein seltsames Geräusch ließ uns auseinanderfahren. Die Frau mit den rosa Haaren schnäuzte sich in ein Taschentuch, welches ihr Remus gereicht hatte. „Tut mir leid, aber es ist so ein schöner Moment." Alle mussten lachen. „Vielleicht machen wir eine kleine Vorstellungsrunde", schlug der dunkle Mann vor. Ich nickte. „Setz dich doch, Ria." Sirius rückte mir einen Stuhl zurecht und blieb hinter mir stehen, die Hände auf meine Schultern gelegt. Remus konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Wir sollten noch kurz warten, Arthur kommt gleich." Der Mann nickte. „Dann hat Harry noch etwas Zeit. Ich kann mir vorstellen, er hat viele Fragen an seine Tante." Ich sah zu Harry und er nickte. „Nur, wenn du nichts dagegen hast." „Nein, hab ich nicht." Alle vertieften sich in Gespräche und ich beugte mich zu Harry. „Meine Mutter war doch eine gute Freundin von dir, oder?" „Ja." „Wie war sie denn so?" „Ganz anders, als dein Vater. Ich hätte nie gedacht, dass sie mal heiraten. Naja, ab der sechsten Klasse, waren die Beiden unsterblich ineinander verliebt. Lily wollte es James nicht zu einfach machen, sie war sehr clever. Er musst sie wirklich anstrengen, um sie für sich zu gewinnen." „Aber war es nicht seltsam, dass deine beste Freundin mit deinem Bruder zusammen war?" „Nein, umgekehrt war es genauso." „Das verstehe ich nicht." „Das heißt, dass ich mit dem besten Freund deines Vaters zusammen war." Sirius' Hände auf meinen Schultern verkrampften sich. „Aha." Harry warf Sirius einen langen Blick, aber ich konnte seine Reaktion nicht sehen.

Die nächste viertel Stunde fragte mich Harry über seine Eltern aus. Er wollte alles wissen, und ich freute mich, über Lily und James nachzudenken. So seltsam das auch klang, doch ich spürte kaum noch Schmerz. Ich wollte die Erinnerungen an die Beiden aufrechterhalten. Jeder schöner Moment, und nicht die schlechten. Die Küchentür öffnete sie und ein Mann mit roten Haaren betrat die Küche. Wieso hatten hier alle rote Haare? Er grüßte fröhlich und gab der Frau mit den roten Haaren einen Kuss. „Jetzt, wo alle da sind, sollten wir uns wirklich vorstellen", sagte Remus. Ich nickte und machte den Anfang. „Ein paar von euch kenne ich noch von früher. Ich bin Adriana Potter. Remus hat mich eingeladen, um euch zu unterstützen. Wie genau, wollte er mir leider nicht verraten." „Ist auch richtig so", knurrte der Mann, den ich für Mad-Eye hielt. „Alastor Moody", sagte er kurz angebunden. Wusste ich es doch. „Ich bin Tonks." „Nur Tonks?" „Eigentlich Nymphadora, aber Tonks ist besser." Ich lächelte. „Ich bin Molly Weasley und das ist mein Mann Arthur." Beide nickten freundlich. „Kingsley Shacklebolt. Freut mich sie kennenzulernen.", er reichte mir seine Hand. „Ich bin Ginny Weasley." Das junge Mädchen lächelte. „Ich heiße Hermine Granger. Herzlich Willkommen. Der Junge neben mir ist Ron Weasley." Ron wurde so rot, wie seine Haare. „Ich kann für mich selbst reden." „Wir sind Fred" „Und George", stellten sich die Zwillinge vor. Mir wurde etwas schwer ums Herz. Hoffentlich werden sie nicht das gleiche Schicksal haben, wie James und ich. „Wenn ihr jetzt fertig seid, können wir zu Wichtigerem kommen", knurrte Moody. „Zum Beispiel dem Abendessen", unterbrach ihn Mrs. Weasley und mit einem Schlenker ihres Zauberstabs standen dampfende Schüsseln und Teller auf dem Tisch. Moody schüttelte den Kopf.

Das Essen war köstlich und die Gesellschaft großartig. Allerdings wurde es sehr warm in der Küche, da ein Feuer im Kamin brannte. Dabei hatten wir gerade mal Ende August. „Wenn ihr morgen wieder zurück in die Schule geht, werdet ihr eine Eskorte haben. Sicher ist sicher. Tonks, Molly, Arthur, Remus und ich", begann Moody nach dem Essen. „Kingsley, du bist im Ministerium. Sirius und Adriana bleiben hier." Sirius, der neben mir saß, sah wütend zu Moody. „Man würde mich nicht erkennen!" „Sirius, das Thema hatten wir schon mal. Dumbledore hat Nein gesagt, und dabei bleibt es!", schimpfte Molly. Ich grinste leicht. Er hatte sich wirklich kaum verändert. „Eure Koffer und Eulen bleiben hier. Ich werde sie nachkommen lassen", sprach Moody weiter. „Ihr haltet euch alle an den Plan. Falls jemand stirbt, oder verletzt wird, geht es einfach weiter." Alle nickten. „Wenn der Zug abgefahren ist, geht jeder seinen Tätigkeiten nach." Wieder nickte jeder. Moody erhob sich. „Wünsche eine gute Nacht." Gleichdarauf hörte man die Haustür. „Es ist wirklich schon spät. Los, Kinder! Ins Bett, ihr müsst morgen früh raus." Ginny und die Zwillinge meckerten, doch ansonsten verschwanden sie. Da fiel mir etwas ein. „Wo soll ich eigentlich schlafen?" Molly sah zu mir. „Ich habe ein Zimmer bereits von Ungeziefer befreit, dort kannst du einziehen." „Vielen Dank." „Ich werde jetzt auch gehen", sagte Tonks. Remus erhob sich rasch. „Dann schließ ich mich an." „Gute Nacht", lächelte ich. „Ich werde mich auch verabschieden", entschied Kingsley Shacklebolt. Er nickte mir zu und verabschiedete sich bei dem Rest. Als er die Küche verlassen hatte, sah mich Sirius an. „Soll ich dir dein Zimmer zeigen?" „Ja, dass wäre nett. Ich hole nur schnell meinen Koffer." Mit einem Zauber ließ ich mein Gepäck neben mir schweben, und folgte Sirius durch das Haus. Es war uralt, dreckig und kaputt. „Hier", er hielt mir eine Tür auf. Das Zimmer dahinter war etwas sauberer und sogar das Bett war frisch bezogen. „Kann ich dir noch helfen?" „Nein, danke. Ich werde noch auspacken und dann schlafen gehen." „In Ordnung." Er blickte mich zärtlich an. „Wenn wir ab morgen das Haus für uns haben, können wir uns bestimmt mal unterhalten. Es gibt da vieles, was ich wissen will." „Einverstanden." „Schlaf gut, Ria." Ich lächelte ihm zu. Er schloss die Tür und ich war alleine. Wieder hatte eine Kleinigkeit mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt, nur diesmal konnte es nur besser werden.

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