Sirius Black 4

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Mein Kopf tat weg. Ich konnte mich kaum bewegen. Jeder Knochen meines Körpers schien zu schmerzen. Mein Hals brannte. Hustend schlug ich die Augen auf und versuchte mich aufzurichten. Dies gelang mir allerdings nicht, da mir Tonks mit einem lauten Aufschrei um den Hals fiel. „Du bist wach! Geht es dir gut? Tut dir etwas weh? Was ist passiert?" „Dora, lass sie los. Du erdrückst sie ja noch." Moody musterte mich eindringlich. Er schien erleichtert zu sein. Remus lächelte leicht und Sirius grinste mir fröhlich, wie immer zu. „Kann ich was zu trinken haben?", fragte ich. „Sofort", Sirius sprang auf und eilte in die Küche. Gleich darauf kam er mit einem Glas Wasser wieder. Hastig trank ich aus. „Willst du uns vielleicht erzählen was passiert ist?" Remus sah mich lange an. Mit kratzendem Hals und brüchiger Stimme berichtete ich über die vergangene Nacht. Ich endete mit der Frage, wie ich hierhergekommen war. Remus erklärte es mir. „Also habe ich dir mein Leben zu verdanken?" Er nickte etwas verlegen. „Danke." Ich lächelte. Sirius räusperte sich. „Kacie, möchtest du vielleicht hier bleiben? Ich meine, zurück nach Hause kannst du ja nicht." „Das wäre nett von dir, Sirius." „Ich kann dir ein Zimmer herrichten." „Danke." Remus und Moody blieben noch bis abends. Nachdem sich Tonks fünfmal versichert hatte, dass es mir halbwegs gut ging, verabschiedete sie sich auch. Ich hatte mich den ganzen Tag über sehr zusammengerissen und so getan, als ob es mir gut ging, aber eigentlich würde ich mich gerne hinlegen und nie wieder aufstehen. Wie erschlagen lag ich auf meinem Bett, während die Tränen, die ich solange zurückgehalten hatte, über meine Wangen liefen. Ich nahm nicht war, wie sich die Tür geöffnet hatte und erst als Sirius mich in den Arm nahm, bemerkte er mich. Wie ein kleines Kind hielt er mich fest, strich sanft über mein Haar und lies mich weinen. „Möchtest du mir erzählen, was dich beschäftigt?", fragte er nach einer Weile. Ich nickte schwach, brauchte aber noch ein paar Minuten, bis ich meine Worte wieder fand. „Das Haus, mein ganzer Besitz, ist zerstört." „Aber es war doch nur ein Gebäude." „Nein, war es nicht! Es war das Letzte, was ich von meiner Familie besessen habe. Und das haben mir die Todesser auch noch genommen." „Die McKinnons wurden im ersten Zauberkrieg getötet." Ich nickte. „Ich kannte Marlene McKinnon. Sie war in meinem Jahrgang in Gryffindor." Ich schwieg. „War sie deine Schwester?", fragte Sirius leicht panisch. „Nein, meine Cousine. Mum war ihre Tante. Marlene und ich hatten einen Altersunterschied von dreizehn Jahren und sie hat mich immer vor allem beschützt. Sie war wie eine Schwester für mich!" Neue Tränen liefen mir über die Wangen, als ich daran dachte. „An dem Tag... Ich war bei meiner Großmutter, Mum und Dad waren mit dem Orden unterwegs. Genau wie der Rest meiner Familie. Granny konnte nicht, sie war schon sehr alt. Auf jeden Fall kamen meine Eltern nicht wieder. Wir haben uns große Sorgen gemacht." Zitternd holte ich Luft.

„Liebling, öffne bitte die Tür! Es hat geläutet!" „Sofort Granny!" Das junge Mädchen beeilte sich zur Haustür zu laufen. Hoffnungsvoll öffnete sie diese und blickte in kalten Augen eines Zauberers. „Kacie McKinnon?", fragte er. „Ja." „Ich würde gerne mit dir und deiner Großmutter sprechen. Ist sie da?" Die Kleine nickte. „Kacie, wer ist da?", hörte man eine Stimme aus dem Wohnzimmer. „Ein Mann, der mit uns sprechen will." Der Mann folgte Kacie ins Wohnzimmer. Sobald ihre Großmutter den Mann sah, sank sie auf ihrem Sessel zusammen und vergrub ihr Gesicht in den Händen. „Nein", flüsterte sie leise. „Mrs. McKinnon, es tut mir wirklich leid." „Granny, was ist denn? Geht es Mum und Dad nicht gut? Und was ist mit Marlene?" Der Mann sah zu Kacie und mit einem traurigen Lächeln sagte er: „Sie sind alle tot, Kacie. Sie kommen nicht mehr wieder." Für über eine Minute starrte das Mädchen ihn an, unfähig sich zu bewegen. Ihre Großmutter blickte voller Sorge zu ihrer Enkelin. „Kacie?", fragte sie leise. Ohne etwas zu erwidern, drehte Kacie sich um und rannte aus dem Zimmer. Sie hörte nicht, wie ihre Oma nach ihr rief. Sie hörte nicht, wie der Mann versuchte sie zu stoppen. Sie verließ das Haus und rannte über eine Wiese auf einen nahelegenden Wald zu. Sie rannte so schnell, wie sie konnte. Es schien, als wollte sie den eben gehörten Worten entfliehen. Am Waldrand sank sie keuchend auf die Knie und begann leise zu schluchzen. Ihre Finger schlossen sich um eine Kette, die sie um ihren Hals trug. Eine Erinnerung zuckte durch ihren Kopf. Wie ihre Eltern ihr dieses Schmuckstück gekauft hatten, Marlene war auch dabei gewesen. Kacie saß dort am Waldrand, bis es dämmert, dann eilte sie zurück zu dem Haus. Ihre Großmut saß in dem gleichen Sessel, ihre Schultern zuckten leicht und man hörte ein leises Schluchzen. „Granny?" Die Kleine kniete sich vor ihre Oma und sah sie aus großen Augen. „Sie hätten nicht gewollt, dass wir traurig sind." Kacie legte ihre Arme um die alte Frau. „Wir schaffen das zusammen", flüsterte die Kleine. Ihre Oma umarmte ihre Enkeltochter fest, als ob sie sie nie wieder loslassen wollte.

Sirius sah mich abwartend an. Ich erzählte stockend weiter: „Es war ein schwerer Schlag für meine Großmutter und mich. Sie musste jetzt ein Kind großziehen. Zum Glück kam ich im nächsten Jahr nach Hogwarts und konnte so allem entfliehen und das Schicksal etwas vergessen. Granny war immer lieb zu mir, aber sie war schon zu alt. Ihr Herz hat das irgendwann nicht mehr mitgemacht. Die Sorgen um mich, die Trauer um ihre Familie. Als ich sechszehn war, ist sie gestorben. Ich habe alles geerbt. Von da an war ich mir sicher: Ich wollte Auror werden und meine Familie rächen. Tatsächlich bekam ich die Chance mich von Mad-Eye ausbilden zu lassen. So habe ich auch Tonks kennengelernt. Und jetzt haben diese verfluchten Todesser mir das letztes Stück genommen, was mich mit meiner Familie verbinden!" Schluchzend ließ ich mich gegen Sirius fallen. „Das stimmt nicht", sagte er leise. „Was? " „Die Todesser haben dir nicht das letzte Stück deiner Familie genommen. Sie wird immer bei dir sein, auch ohne Haus. Sie sind hier." Er deutete auf mein Herz. „Die Erinnerungen kann dir niemand nehmen." Ich fiel ihm um den Hals. Zwischen Tränen flüsterte ich ein „Danke." „Schon gut", erwiderte er. Einige Zeit blieben wir einfach sitzen. Er hielt mich im Arm und ich weinte leise. „Geht es wieder?" Ich nickte. „Ich werde rübergehen. Wenn etwas ist, komm einfach zu mir." Er stand auf und ging zur Tür. „Sirius?" „Ja?" „Ich muss dir was sagen. Ich..." Lächelnd unterbrach er mich. „Sag es mir morgen. Du solltest jetzt schlafen." „Du hast vielleicht Recht." Er grinste frech. „Ich habe immer Recht." Ich lachte leise. „Träum weiter, Black." Er lachte, als ich ein Kissen nach ihm warf. „Gute Nacht, Kacie." „Nacht, Sirius."

Ich schlief unruhig, aber tief. Trotzdem war ich früh wieder wach. Ich schlurfte in die Küche und kochte etwas Tee. Ich fand ebenfalls Brot und Butter. „Ein wirklich fürstliches Mal." „Führst du öfters Selbstgespräche?" Erschrocken ließ den Teller fallen, den ich in der Hand hielt. Er zersprang klirrend auf dem Boden. Sirius lachte leise und fügte die Scherben mit einem Schwenker seines Zauberstabs wieder zusammen. „Wieso bist du schon wach?", fragte ich, nachdem ich mich an den Tisch gesetzt hatte. „Bin ein Frühaufsteher." Er setzte sich mir gegenüber und beobachtete mich aufmerksam, während ich mein Brot aß. „Ist was?" „Deine Haare sind blond-braun und deine Augen braun. So farblos habe ich dich noch nie gesehen." „Ich habe gerade keine Energie, mich um mein Aussehen zu kümmern." „Also siehst du so normalerweise aus?" Ich nickte. „Hübsch." Ich wurde rot. „Danke", murmelte ich. Sirius grinste mir zu. „Was wollen wir den ganzen Tag machen?", fragte er schließlich. „Ich weiß nicht." „Ich schon! Es ist nicht sonderlich anspruchsvoll, kann aber lustig werden!" „Und was?" „Wir putzen das Haus!"

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