Weiterleben 5

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Umso näher der Vollmond kam, umso nervöser wurden wir. Remus versuchte immer wieder uns davon abzuhalten, mitzukommen. Wir verneinten jedes Mal. Am Vollmondabend schlichen wir hinter Remus in die heulende Hütte und verwandelten uns. Als Remus zum Werwolf wurde, sträubte sich mein Fell. So etwas Grauenvolles hatte ich noch nie gesehen. Peter versteckte sich hinter einem Schrank, doch Sirius und James blieben relativ ruhig. Der Werwolf knurrte und bleckte die Zähne. Er sprang auf die Tür zu und verschwand nach draußen. Rasch folgten wir ihm zu dritt. Peter saß immer noch unter dem Schrank. Remus raste in den Verboten Wald, dicht gefolgt von uns. Auf einer Lichtung blieb er stehen und sah zum Mond. Ein langes Heulen durchschnitt die Nacht. Der Werwolf sah zu uns, und knurrte. Sirius stellte sich vor mich und James richtete sein Geweih auf ihn. Ich fauchte. Langsam entspannte sich der Werwolf etwas. Er schien uns nicht angreifen zu wollen. Vorsichtig ging ich auf ihn zu. Er knurrte leise. Ich lief an ihm vorbei und er folgte mir. Ich spazierte langsam weiter in den verboten Wald. Die Jungs folgten mir. Es muss wirklich ein seltsames Bild sein. Ein schwarzer Panther, gefolgt von einem Werwolf, einem Hirsch und einem Hund. Irgendwann rannten wir durch den Wald. Ich liebte meine Animagus-Gestalt. Ich konnte so schnell rennen und weit springen. Einmal kletterte ich auf einen Baum. Sirius winselte. Er hatte Angst, dass ich runterfalle, aber Panther waren hervorragende Kletterer. Allmählich versank der Mond und Remus verwandelte sich unter Schmerzen zurück. Kaum lag er vor uns, wurden wir wieder zu Menschen. „Alles in Ordnung? Habe ich jemanden verletzt?" „Nein, alles gut." „Es war fantastisch", jubelte James. „Niemand kann uns erwischen und wir haben jede Freiheit, die wir wollen." „Wo ist Peter?" „In der heulenden Hütte." „Er... lebt aber noch, oder?" „Ja, er hatte bloß große Angst." „Kann ich verstehen." „Mensch Moony", Sirius klopfte seinem Freund auf die Schulter. „Lasst uns hoch zum Schloss gehen. Sonst sieht uns noch jemand."

Und so verbrachten wir die nächsten Monate. Jeden Vollmond begleiteten wir Remus, selbst Peter kam endlich mit. Niemand kannte das Gelände von Hogwarts zu gut, wie wir. Die Schüler mussten einige Streiche von uns aushalten. Leider begann bald der Prüfungsstress, die ZAGs standen an. Außerdem mussten wir zu einigen Gesprächen über unsere berufliche Zukunft. Dazu kam noch ab und an Nachsitzen, weil man uns mal wieder bei einem Streich erwischt hatte. Was mich aber am meisten beschäftigte, war das Sirius sich mir gegenüber immer seltsamer verhielt. Manchmal starrte er mich ohne Grund an und bekam nichts mit. Dann wurde er rot und drehte sich um. James grinste ziemlich oft über das Verhalten seines Freundes. Dieser zählte es ihm immer heim, sobald Lily Evans in der Nähe war. James hatte sich ziemlich in sie verliebt, aber sie wollte nichts von ihm wissen. Als ob das noch nichts langen würde, hatte jemand Mistelzweige aufgehängt. Es war bald Weihnachten. Aber diese Misteln hatten einen Nachteil: Wenn man jemanden nicht küsste, wenn man sich unter den Zweigen traf, bekam man einen ziemlich fiesen Fluch aufgehalst. Ich verfluchte diese Idee und auch, dass einige Jungs Mädchen abpassten und unter einen Mistelzweig zogen. Ich hätte gewettet, Sirius würde das auf jeden Fall machen, aber er wich dem Grünzeug meistens aus. Anscheinend war ich mit meinen langen braunroten Haaren und den großen grünen Augen recht hübsch, denn immer wieder musste ich Jungen, oder Misteln ausweichen. Völlig genervt betrat ich den Gemeinschaftsraum, Bücher unter meinen Arm. Eigentlich wollte ich nur ein Buch in die Bibliothek bringen, aber war unter drei Mistel geraten. Da ich mich geweigert hatte, irgendjemanden zu küssen, bekam ich zwei Beinklammerflüche und einen Kitzelfluch ab. Ich ließ mich neben Remus aufs Sofa fallen. „Ich brauche Geheimgänge. Durch die Flure kann man nicht mehr laufen." James grinste. „Tja, Shadow, hättest halt nicht so eine Schönheit werden sollen." „Halt die Klappe, Krone." „Geheimgänge", murmelte Sirius. Remus sah von seinem Buch auf. „Alles klar, Tatze?" „Ich habe eine Idee! Keiner kennt sich in Hogwarts so gut aus, wie wir. Wir kennen jeden Geheimgang, jede Abkürzung, jedes Versteck. Allerdings werden wir bald nicht mehr auf dieser Schule sein. Wir sollten dieses Wissen für künftige Generationen aufbewahren." „Willst du ein Buch schreiben? Die Geheimnisse von Hogwarts, geschrieben von den Rumtreibern." Sirius schüttelte den Kopf. „Ich dachte an etwas Geheimeres. Etwas was nur wir, und solche, die uns ähnlich sind, verstehen. Etwas Verschlüsseltes. Wie..." „Eine Karte", unterbrach ich ihn. „Eine Karte von Hogwarts, verschlüsselt mit einem Passwort. Die Karte des Rumtreiber!" „Ihr seid genial!" jubelte James. „Wir müssen das machen!" „Wir müssen unser Wissen aufschreiben!" „Bevor ich es vergesse", warf Remus ein. „Gestern suchte ich einen ruhigen Ort zum Lesen. Unser Zimmer war dafür nichts sonderlich geeignet", er warf einen bösen Blick zu James und Sirius, „also bin ich durch Hogwarts gelaufen. Plötzlich tauchte eine Tür auf. Dahinter lag ein kleiner gemütlicher Raum. Ein Feuer flackerte im Kamin und ein gemütliches Sofa stand davor. Nachdem ich gelesen hatte, bin ich in die Bibliothek gegangen. Ich habe nichts gefunden, aber ich bin mir sicher, ich kann ihn wieder finden. Das wäre ideal für uns, falls wir diese Karte machen wollen." „Großartig, wie kommen wir in den Raum?" „Ich war im 7. Stock gegenüber dem Wandteppich von Barnabas, dem Bekloppten." „Worauf warten wir noch? Los!" Ich sprang auf und die Jungs folgten mir. Wir flitzten in den 7. Stock und standen gleich darauf vor dem Wandteppich. „Vielleicht erscheint er bald", murmelte Remus. Er lief nervös auf und ab. Ich sah mich um, als es einen leisen Knall gab. Genervt sah ich nach oben. Dort war tatsächlich eine Mistel erschienen. „Jungs, wer von euch steht am nächsten von mir? Ich habe keine Lust auf noch einen Fluch." „Das ist wohl Tatze", grinste James und stupste seinen besten Freund zu mir. „Tut mir leid, Tatze", sagte ich leise und legte meine Lippen auf seine. Zu meinem Erstaunen erwiderte er den Kuss sehr leidenschaftlich. Der Mistelzweig musste längst verschwunden sein, doch keiner unterbrach den Kuss. Sirius war ein sehr guter Küsser. Er hatte auch deutlich mehr Erfahrung, als ich, obwohl ich in der Vierten zwei Freunde hatte. Jemand räusperte sich und mir wurde schlagartig klar, was ich machte. Ich küsste meinen besten Freund! Und es gefiel mir! Rasch löste ich mich von Sirius. Er war etwas rot im Gesicht und sein Atem ging schnell. James grinste. „Tut mir leid, ihr beiden, aber Moony hatte Erfolg." Remus stand vor einer schlichten Tür und sie hielt lächelnd auf. „Wie hast du das gemacht?" „Ich habe daran gedacht, dass wir einen ruhigen Ort brauchen, um die Karte zu schreiben. Während ich hier langlief habe ich ganz fest daran gedacht. Plötzlich tauchte die Tür auf." „Genial." Vorsichtig trat ich ein und sah mich um. Die Jungs folgten mir. Es war ein kleiner gemütlicher Raum. In der Mitte stand ein Tisch mit fünf Stühlen. An den Wänden standen Regale mit Pergamenten, Tintenfässern, Büchern und Federkiele. „Das ist unglaublich." Auf dem Tisch lag ein beschriebenes Pergament. Willkommen im Raum der Wünsche, verehrte Rumtreiber Moony, Tatze, Wurmschwanz, Krone und Shadow. 

Harry Potter - Lange KurzgeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt