Rules Are Made To Be Broken

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Es war Samstag Abend und ich lag mit Jogginghose auf meinem Bett.

Ich wollte Barrie gerade schreiben, dass ich nicht kommen konnte, da hörte ich ein Poltern auf den Treppen, das immer lauter wurde. Drew öffnete die Tür und kam außer Atem herein.

Er stützte seine Arme auf die Knie ab. "Carmen", hechelte er. "Ich werde in Florida gebraucht. Sie wollen mich zum DEA befördern." Wahrscheinlich war er so außer Atem, weil er gerade vom Laufen kam. Das verrieten auf jeden Fall sein Sportanzug und das Schweißband um seiner Stirn.

"DEA? Was bedeutet das?", fragte ich perplex.

"Drug Enforcement Administration. Ich werde endlich mal für dickere Fische gebraucht. Diese Kleinstadt-Delikte gehen mir sowas von auf den Sack", murrte er mit seiner tiefen, rauchigen Stimme. "Die Drogenkartelle hinter Gitter zu bringen, das reizt mich viel mehr."

"Herzlichen Glückwunsch", sagte ich und strahlte ihn an. "Das freut mich wirklich für dich." Aber eine Frage brannte mir auf der Zunge. "Du hast Florida gesagt. Heißt das, wir ziehen um?"

"Niemals ziehen wir um", sagte er und ging auf mein Fenster zu. "Für dieses Haus haben deine Mutter und ich uns den Arsch abgearbeitet. Dieses Haus bedeutet mir alles. Sieh dir das Meer an, das bekommt man sonst nur im Urlaub zu sehen, wenn man Glück hat."

"Oh", sagte ich, und merkte wie enttäuscht das klang. Mich erschrak es, dass ich eigentlich sogar die Uni wechseln wollte, seit dem es irgendwie an meiner jetzigen nicht lief. Umziehen war für mich bis zu irgendeinen Punkt in meinem Leben kein Problem mehr, sondern ein Abenteuer. Erst wohnte ich hier mit meiner Mom und meinem Dad, dann wohnte ich mit meinem Dad in Miami, dann in LA, und selbst in LA hatten wir mehrere Wohnsitze und er hatte auch immer wieder neue Lebensgefährtinnen.

Ich wusste zwar zu schätzen, hier zu sein. Aber an meiner Uni wollte so wirklich keiner mit mir Kontakt aufnehmen. Keiner, bis auf Barrie...

Der Uni-Alltag ödete mich aber langsam an.

Jeden Tag hob ich mit der Greifzange den Müll auf dem Hof auf. Jeden Tag musste ich mir Jared's schelmisches Grinsen einhandeln - doch seit neustem nicht mehr. Er schien mich zu ignorieren, nicht mehr zu kennen. Dafür war ich ihm irgendwie dankbar. Damit konnte ich zehn mal besser umgehen als mit dem Jared, der mich vor den anderen demütigte.

Stace konnte das mit dem ignorieren noch nicht so gut. Sie warf mir immer wieder giftige Blicke zu, warum auch immer.

"Ich werde erst nächste Woche wieder kommen. Im Kühlschrank liegt genug Essen, falls etwas fehlt, habe ich dir 10$ auf den Küchentisch gelegt."

"Du- du lässt mich übers Wochenende allein?", fragte ich überrascht. "Ich bin ein 17-Jähriges Mädchen. Vertraust du mir etwa so?"

"Gibst du mir einen Grund, es nicht mehr zu tun, wirst du dein blaues Wunder erleben", sagte er in einem ruhigen, aber bedrohlichen Ton.

"Na- natürlich...", murmelte ich eingeschüchtert von seiner plötzlichen Strenge.

"Dann bis nächste Woche." Ohne auf eine Antwort zu warten, verschwand her wieder die Treppen hinab und ich hörte dann nur noch, wie die Haustür ins Schloss fiel.

Ich rang mit mir selbst. Sollte ich Barrie schreiben, dass ich Zeit und Lust hatte, mir seine Band live anzuhören? Oder sollte ich ihm schreiben dass ich keine Zeit hatte? Dies würde zur Folge haben, dass auch er sich von mir entfernen würde und ich dann gar keine Freunde mehr hier hatte.

Aber war das unbedingt schlecht? Vielleicht war es besser so und ich würde mich dann besser auf die Uni konzentrieren können.

Feiern, Nachtclubs und Pubs waren sowieso nie meine Orte. Eher Secondhand shops, Bibliotheken und gut bepflanzte Gemüsegärten. Katzencafes. Oder der Strand. Ja, am liebsten war ich am Strand. Und das, obwohl ich es hasste, ins Wasser zu gehen.

Vielleicht war es trotzdem besser, einmal hinzugehen. Einfach um noch mal für mich bestätigt zu haben, dass sowas wirklich nichts für mich war.

Und mein Dad hätte mir niemals solche Regeln gegeben. Nicht, dass er es müsste. Ich bin sowieso jeden Abend Zuhause gewesen und habe gebadet und dabei ein Buch nach dem anderen verschlungen. Wenn Dad hier wäre, würde er sagen: "Los, geh schon! Was hockst du hier noch rum, du depressiver, naiver Teenager. Verpiss dich, hab Spaß und geh mir nicht auf'n Sack!"

Ja, das mochte sich grob anhören und es hätte meine Gefühle verletzt, wenn ich ihn nicht kennen würde. Aus seinem Mund wäre selbst das grausamste Schimpfwort witzig gewesen. Und weil mich die Erinnerung an ihn zum grinsen brachte, stand mein Entschluss, zum Ocean pub zu gehen, sogar noch fester.

Dad wäre stolz auf meine Rebellion gegen meinen Stiefvater. Ich schluckte mein schlechtes Gewissen runter und schwor mir, die ganze Nacht nicht an diese blöden Regeln zu denken. "Regeln sind da, um gebrochen zu werden", hätte mein Vater mich ermutigt.

Also schrieb ich ihm. Und er holte mich eine Stunde später bei mir Zuhause ab.




Catch me if I fallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt