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Hätte ich gewusst, wie der Tag gestern enden würde - hätte ich trotzdem nichts anders gemacht?

Ich hätte nichts - rein gar nichts - verändert. Trotz der Schläge von Drew, die den süßen Tag bitter ausklingen ließen. Die schönen Dinge im Leben hatten immer ihren Preis.

Ich saß in meiner Badewanne und ließ das Wasser über mich prasseln. Meine Wange tat höllisch weh. Vor allem, wenn ich mein Gesicht bewegte.

Konnte er mich nicht irgendwo schlagen, wo es nicht so sichtbar war? Wo ich nicht mit einem Blick in den Spiegel daran denken musste, was für ein krankes Schwein er war?

Als ich aus der Wanne stieg und in den Spiegel sah, prankte direkt ein grünlich-grauer Fleck an meiner Wange.

Wenigstens hatte er mich erst geschlagen, als Jared schon längst weg war. Das wäre sowas von demütigend gewesen. Aber Drew war nicht dumm. Er wusste, wie er sich vor anderen Menschen benehmen musste. Um so kranker war sein Verhalten hinter geschlossenen Türen.

Ich föhnte meine Haare und zog mir eine enge Jeans und ein weißes Shirt an. Dann schlüpfte ich in meine Chucks, bevor ich meine Tasche nahm und das Haus verließ.

Was, wenn das Gestern für Jared schon längst vergessen war. Ich Vollidiot bin mit dem Gedanken eingeschlafen, dass seine Hand so lange die meine gehalten hatte. Für ihn war das bestimmt nichts wichtiges. Ich meine, er hatte schon oft Sex. Ein bisschen Händchen halten hatte für ihn weniger Bedeutung als sich eben mal den Kopf zu kratzen.

Auf dem Weg zur Uni tauchte die Sonne alles in ein besonderes, goldenes Licht. Die Blätter an den Bäumen waren an einigen Stellen schon gelb und auch die Luft roch schön nach einer Mischung aus Sommer und Herbst. Leichte Windbriesen trugen das Aroma der Birken durch die Luft.

In der Uni angekommen holte ich meine Notizen aus meinem Schließfach heraus. Als ich das Fach zu schlug, stand plötzlich jemand neben mir.

Die kaugummikauende Lo. Ihr braunes Haar war zu zwei kleine Dutts gebunden. Sie trug ein neonpinkes Shirt und einen Minirock.

"Du wurdest gestern mit Jared gesehen", sagte sie und machte darauf hin eine Kaugummiblase, die sie dann zum platzen brachte.

"Und?", gab ich unbeeindruckt von mir. "Gibt es sonst noch was?"

"Nun ja", lachte sie sarkastisch und versperrte mir den Weg. "Hast du was mit ihm?"

"Nein, wieso?"

"Ich will dich nur warnen", sagte sie und zog eine perfekt gezupfte Augenbraue in die Höhe.

"Vor was denn?", fragte ich belustigt. "Vor Jared?"

"Nicht nur. Auch vor Stace. Er gehört ihr schon seit dem sie ihn das erste Mal gesehen hat."

"Jared gehört niemanden. Er hat selbst gesagt, er hat keine festen Beziehungen." Als ich das so sagte, kam ich mir selber total dumm vor. Wieso war für mich der Tag gestern so wichtig, wenn Jared schon von vorn herein klar gemacht hatte, dass er keine Beziehung will. Aber wollte ich denn überhaupt eine Beziehung? Vielleicht nicht jetzt, aber...

Sie zuckte mit ihren zierlichen, blassen Schultern. "Sie sieht das aber anders und wäre ziemlich pissed auf dich, wenn sie herausfinden würde, dass du dich mit ihm triffst. Aber erfahrungsgemäß hält das mit dir und ihm sowieso nicht lange. Du kennst Jared nicht."

Wusste sie, dass Jared gerade familiäre Probleme hatte? Wusste sie, dass er eine schwierige Kindheit hatte? Wusste sie, was er sich für seine Zukunft wünschte? Ich schüttelte schnell den Kopf. "Ich weiß. Aber du kennst ihn genauso wenig", zischte ich zurück.

Sie verdrehte nur die Augen und kehrte mir den Rücken zu. Ich ging zu meinem Kurs.

Als der Kurs endete, wollte ich die Zeit nutzen, um in der Cafeteria etwas zu essen. Ich wusste ja, dass Vanessa weg war. Und auch Barrie rief mich nicht zu seinem Tisch. Also setzte ich mich alleine an einen freien Platz neben einer Gruppe von Studenten, die sich untereinander alle kannten.

Ich sah Jared, wie er mit Stace, Lo, Ash, Barrie und den anderen an einen der Tische saß und es versetzte mir einen Stich.

Ich aß die Pommes mit den Fingern, während ich an das dachte, was Lo gerade gesagt hatte. Es passte einfach perfekt ins Bild. Jared, der Fuckboy. Der, der sich die Mädels reihenweise klärte. Wieso nur, hatte ich ihn so an mich ran gelassen? Er ist mir nicht mal nahe gekommen, doch seelisch befand er sich schon unter meiner Haut.

Ich verspürte den Drang, in seiner Nähe zu sein, war aber nicht mutig genug, diesem Drang zu folgen. Ich musste an Vanessa's Worte denken. Sie meinte mal zu mir, dass Jared eher auf schlagfertige und bissige Mädchen steht, nicht auf ruhige und schüchterne.

Deshalb verwirrte es mich um so mehr, warum er mir gestern so nahe war. Er hätte mich beinahe geküsst, wenn Drew nicht wäre.

Und eigentlich war ich sogar dankbar, dass der Kuss nicht passiert ist. Es wäre viel zu schnell und ich wäre nur noch verwirrter, als ich es jetzt schon war.

Als ich so gedankenverloren meine Pommes in den Ketchup tunkte, hörte ich plötzlich wie ein Tablett auf die Tischseite gegenüber von mir geknallt wurde. Als ich aufzuckte, sah ich, wie Jared sich mit seinen Armen auf der Tischplatte abstützte und sich zu mir lehnte. Erst sah er aus, als würde er was sagen wollen, ließ es dann aber.

Er musterte mich genauer. "Was ist passiert?", fragte er mit skeptischem Blick.

Fragend sah ich ihn an und schluckte meine halbgekaute Pommes herunter. "Was meinst du?", fragte ich und zog verwundert meine Augenbrauen zusammen.

Er deutete langsam auf seine Wange und beäugte mich besorgt.

"Oh!", sagte ich prompt. "Du kennst mich doch", tat ich es mit einem Schulterzucken ab. "Manchmal falle ich von Treppen oder knalle gegen Türrahmen..." Ich lachte verlegen und schnappte mir zur Ablenkung noch eine Pommes.

Zweifelnd kräuselte er die Stirn.

"Ja, es tut weh", sagte ich scherzhaft und zog dabei eine theatralische (und schmerzhafte) Grimasse. Ich wollte es ins lächerliche ziehen. Das letzte, was ich gebrauchen konnte, war sein Mitleid.

Anstatt dass er mitlachte, sah er nur noch besorgter aus. Jedoch sagte er dazu nichts mehr.

Dann schüttelte er einfach seinen Kopf. "Heute Abend hole ich dich ab", sagte er lässig und sah mich testend an.

Direkt legte ich meine Stirn in Falten und schüttelte schnell den Kopf. Doch bevor ich etwas sagen konnte, kam mir Lo zu vor, die sich neben Jared stellte und ihm leicht gegen die Schulter klopfte. "Mach ihr keine Hoffnungen", sagte sie leise und verschwand darauf hin genau so schnell, wie sie gekommen war.

"Ich kann nicht", sagte ich schnell. Ich tat so, als hätte ich sie überhört.

Ich dachte an das, was Drew mir gestern angetan hatte. Ich durfte mir keine Fehltritte mehr erlauben. Und laut ihm war ein Fehltritt schon, Abends weg zu gehen oder zu spät zu kommen.

Damit Jared es aber nicht falsch auf fasste, fügte ich rasch hinzu: "Würde ich zwar gerne, aber ich kann heute Abends nicht." Genau genommen gar keine Abende mehr.

"Und...", sagte er und zog eine Augenbraue fragend in die Höhe,  "Wie wäre es mit jetzt?"

"Jetzt?", fragte ich verwirrt.

Er nickte. "Was spricht dagegen?"

"Ähm..", stammelte ich. "Vielleicht will ich keinen Kurs mehr verpassen?"

"Du hast die Wahl", sagte er und lächelte verführerisch. "Langweiliger Vortrag von Harris oder ne Spritztour mit mir."

Sein Grinsen war ansteckend.

Catch me if I fallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt