A Sad Fairy Tale

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"Wenn ich dich an deine Träume erinnere, warum küsst du dann sie?", fragte ich und wollte dabei nicht verletzt sondern herablassend wirken. Natürlich verfehlte es völlig die Wirkung, als ich merkte, wie meine Stimme zitterte.

Jared zuckte gelassen die Schultern. "Sie zu küssen ist wie Kaffee trinken", erklärte er. "Ich muss es nicht unbedingt tun - es ist aber eine Angewohnheit, die schmeckt."

Das war eine Sache, die er mit seinem Bruder gemeinsam hatte - er würde lieber ehrlich verletzen als unehrlich zu schmeicheln.

Ich fragte mich, wie Stace sich für ihn anfühlte. Wahrscheinlich besser als ich.

"Was sind denn deine Träume gewesen?", fragte ich heiser und räusperte mich.

Er schwieg eine Zeit lang und starrte in die Ferne aus dem Fenster.

"Kann ich eine rauchen?", lenkte er ab und zog eine Schachtel Marlboro aus seiner Hosentasche.

"Bitte auf dem Balkon", flüsterte ich und deutete auf die Tür, die offen stand und auf den Balkon führte. Ich flüsterte, weil ich fürchtete, dass meine Stimme brechen würde.

Er erhob sich von meinem Drehstuhl und ging auf den Balkon, um sich eine Kippe anzuzünden. Eigentlich sollte ich ihm folgen, doch ich konnte irgendwie nicht. Immer wieder ließ ich mich von ihm verletzen.

Es sah sexy aus, wie er sich gegen das Geländer lehnte und das Feuerzeug aufflammen ließ. Wie er mit gerunzelter Stirn an seiner Zigarette zog und die Asche in den Wind schnippte. Wie er sich durch sein dunkelbraunes Chaos fuhr, das man auch Haar nannte. Wie sein großes weißes Shirt an seinen Schultern herunter hing. Es war nicht schwer, sich in ihn zu verlieben. Ich war ganz sicher nicht die einzige.

Ich spürte beim ausatmen, wie mein Atem zitterte. Schluckend öffnete ich den Brief und holte das alte Stück Papier heraus.

Beim auffalten, zitterten meine Finger. War es eine gute Idee, den Brief jetzt zu lesen? Wahrscheinlich nicht. Aber ich konnte es nicht mehr abwarten.

Ich rutschte mich weiter hinten auf mein Bett, so dass ich mich gegen die Wand lehnen konnte.

Dann überflogen meine Augen den Brief. Ich erkannte direkt, dass es sich um einen Brief an meinen Vater handelte und bekam ein ganz flaues Gefühl im Magen.

Auch die schönsten Märchen, haben etwas bitteres an sich, Pablo.

Arielle zum Beispiel, sprang in den Tod als sie sah, wie ihr Mann der Träume eine andere heiratete. Man vergisst das, lässt die Schattenseiten der Liebe weg - lässt einzig allein dem Happy End eine Chance auf der großen Leinwand. Ich sah das schon immer anders. Die große Liebe trägt immer sein persönliches Gift mit sich, denn nicht umsonst sind die sonnigsten Tage auch die, die die größten Schatten werfen.

Und ich habe nicht nur das Süße an der Liebe genossen, sondern auch das Gift. Ich habe es geschluckt, als wäre es der Wein in meiner Hand, von dem ich nie genug bekam.

Für dich bin ich durchs Feuer gegangen, für dich schreibe ich diese Zeilen. Du bist es noch immer, nach all den Jahren.

Es tut verdammt weh, zu lieben, ohne geliebt zu werden. Es tut weh, dir alles zu geben und nichts zurück zu erhalten. Wenn du wüsstest wie oft ich vor dem Spiegel stand und mich selbst anschrie.

Anschrie dafür, dass ich so grässlich zu dir war und anschrie dafür, dass ich mir dein Verhalten immer wieder gefallen lassen musste.

Während ich diese Worte nieder schreibe zittern meine Hände vor Panik. Eine Zigarette kaue ich im Mundwinkel, im Aschenbecher neben mir liegen fünfzehn weitere - alle mit meinem dunkelroten Lippenstift am Ende des Stummels markiert. Sie haben das, was du gerne hättest - meinen Abschiedskuss.

Aber weißt du was, du wirst diesen Brief nie erhalten, weil ich viel zu stolz bin. Nachdem ich diese Worte nieder geschrieben habe, werde ich mein Feuerzeug nehmen und den Brief mit einem bitteren Lächeln im Gesicht verbrennen. Es wird mir Genugtuung geben, schließlich symbolisiert der Brief nur meine Liebe und Verzweiflung nach dir.

Nie wirst du erfahren was für ein Gefühl meinen ganzen Körper durchströmte als ich wusste, dass du der Mann sein würdest, der mein Herz in Ehre brechen würde. Du warst immer ganz weit weg, hast mit Freunden deine Witze gemacht. Hast deine scheiß Drogen verkauft.

Mich kanntest du nicht - du kanntest meinen Namen und meinen Körper. Doch was meine Seele betraf - dafür warst du blind. Dabei war ich so verzweifelt und habe mich vor dir offenbart.

Du sahst mich nicht.

Ich hingegen, kannte jeden deiner Gesten auswendig - jeder deiner Blicke prägte sich in mein Herz ein. Es war klar, dass ich unsichtbar war, für einen so strahlenden Menschen wie dich.

Aber jetzt müsstest du mich sehen - wie mir Tränen runter laufen und ich gleichzeitig lache!

Du hast meine Liebe nie zu schätzen gewusst. Wie auch? Sie war so groß, du musstest erstmal lernen sie überhaupt zu begreifen.

Vielleicht hat sie dich überwältigt, war zu tief um dich zu erreichen. Meine Liebe zu dir ist so tief, sie ist das, was mich bewegt. Sie ist mein Antrieb - das wofür es sich zu leben lohnte. Doch seit dem ich weiß, dass sie dir nichts wert ist, wieso sollte ich da noch weiter machen?

Meinen Stolz so untergraben zu lassen für jemanden, der einen Fick von mir bekam und dann einen Fick auf mich gab.

"Du bist so tiefgründig, so bitter und so geheimnisvoll", hattest du an jenen Abend gesagt, als wir ein Glas Wein zu viel tranken. Doch die Wahrheit ist, nie war ich je tiefgründig, denn ich redete wie ein offenes Buch. Nie war ich bitter, denn die Traurigkeit die mich begleitete sah ich nicht als Feind an, sondern eher als jemand, der mir zeigte, wie schön das Leben sein könnte - egal, wie schwierig die Situation war. Nie war ich geheimnisvoll, denn ich trug mein Herz schon immer auf der Zunge - vor allem bei einem Glas Wein zu viel.

Du warst es - der Geheimnisvolle - denn du konntest mir nie erklären, was du für mich empfandest. Du hattest die Worte nicht finden können, die mich beleben würden, also verreckte ich an deiner Emotionlslosigkeit.

Das Leben ist ein Geben und Nehmen - das jedoch, hast du nie wirklich verstanden. Ich gab dir mein Leben in deine Hände - meine einzige Tochter.

Wenn ich klug wäre, hätte ich dein Drogengeschäft verpfiffen, damit sie dir das Sorgerecht wegnehmen. Ich hätte sie bei mir behalten sollen. Aber ich konnte es ihrer wegen nicht. Sie war so fixiert auf dich. Wer kann es ihr verübeln, du warst vielleicht kein guter Mann für mich, doch für deine Princessa hast du Berge versetzt.

Ich frage mich, wie es wohl wäre, wenn sie bei mir wäre. Jetzt ist sie schon sechs Jahre alt und ich bekomme sie so gut wie nie zu Gesicht. Und ich will sie nicht sehen, denn möglicherweise würde ich meine Meinung ändern - und nicht den Tod wählen.

Ich lebe mit einem Mann zusammen, der mich sieht. Der mir alles gibt, was du mir nie geben konntest. Und trotzdem bist es du, von dem ich träume.

Trotzdem male ich mir immer wieder ein Leben aus, in dem wir drei zusammen leben. Ohne euch ist mein Leben nichts wert. Ich jage nur diesen Träumereien nach, doch ist es fatal.

Ob tot oder lebendig, meine Liebe zu euch beiden wird niemals sterben.

Wie Arielle, befinde ich mich gerade an einem Abgrund. Es gibt kein Zurück.

In tiefer Liebe,
Agnes

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Hallo ihr Lieben ♥

Ich mache demnächst mal eine Lesenacht. Noch bevor ich nach Amerika fliege, versprochen 😌. Ich werde dann vier oder fünf Kapitel im Stundentakt veröffentlichen.

Was denkt ihr, wie es weiter gehen wird? 😏

Catch me if I fallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt