Zum ersten Mal, seit dem ich wieder hier in New Jersey war, wachte ich in einer fremden Wohnung auf.
Ich war begraben in einem Berg von Tagesdecken und Sofakissen. Durch die weißen Gardinen schien sanftes Sonnenlicht hindurch.
Auf dem Glastisch lag ein Zettel.
Fühl dich wie Zuhause!! (aber ohne mich zu wecken) ;)
Ich ging in Vanessa's Bad und wusch mich. Selbst ihr Bad hatte etwas kitschiges an sich. Ihr Waschbecken war, genau wie Kloschüssel und Wanne, komplett in rosa. Es standen Buddhastatuen herum und einige Pflanzen hingen von der Decke.
Ich wusch mich, ging auf die Toilette und bürstete mir das Haar. Mit meinem Finger putzte ich mir sogar die Zähne.
Durch einen Perlenvorhang gelang ich in ihre kleine Küche. An der Wand hing eine Pinnwand mit kitschigen Spruchkarten und Fotos. Auf einem Bild standen sie und Drake unter Palmen und machten lachend das West Coast Zeichen mit ihren Finger - was bei ihr einfach nur peinlich aussah. Auf einem weiteren Foto trug sie Braids, was ihr einfach mal mega stand. Sie zeigte stolz ihr sweet sorrow Tattoo auf ihrem Unterarm in die Kamera und hatte dabei eine herzförmige Sonnenbrille auf. Auf einem weiteren Foto war Drake mit Dobbie zu sehen. Drake saß und blickte aufs Meer und Dobbie posierte vor der Kamera.
Als ich den Wasserkocher anstellte und eine weiße Tasse mit altmodischen Blumenmuster aus dem Regal nahm, ertönte plötzlich von ihrem Zimmer aus das Lied Gangsters Paradise. Und das überraschende daran war, dass sie den Text komplett ohne Pause mitrappte.
Sie tanzte hüftschwingend in die Küche und rappte sogar weiter, als sie mich sah. Sie holte sich eine pinke Tasse herunter und legte einen Teebeutel in ihre und in meine Tasse.
"Hab ich dich geweckt?“, fragte ich besorgt.
"Quatsch. Es ist schon fast ein Uhr. Selbst wenn, wäre es keine Schande", sie zuckte mit den Achseln. "Soll ich uns hier ein Frühstück zaubern, oder sollen wir uns in der Stadt in ein Café setzen?"
Mit der Selbstverständlichkeit die sie das fragte, konnte ich mich bei ihr nur wohl fühlen. Selbst dass sie mich vor Stace hängen gelassen hatte, konnte ich ihr nicht krumm nehmen. Das hatte bestimmt seine Gründe.
Wir verbrachten den ganzen Tag zusammen, und selbst als ich nach Hause gehen wollte, konnte sie mich nicht gehen lassen.
"Wir wollen doch noch auf eine Party", sagte sie so, als wüsste ich was von ihren Plänen. Sie nahm einen Löffel Sahne von ihrem Eisbecher und schaute mit zusammengekniffenen Augen in die untergehende Sonne.
"Was? Nein. Eigentlich müsste ich schon längst Zuhause sein. Wenn Drew was hier von erfährt dann bin ich tot."
"Komm schon", sagte sie und stieß mich leicht an. Wir saßen beide im Sand und hatten unsere Füße im Wasser. "Wenn du zu uns gehören willst, musst du eingeweiht werden."
"Eurer Sekte will ich ja gar nichz beitreten. Ist es nicht schon abtrünnig genug von dir, dass du dich mit mir ab gibst?" Ernsthaft. Ich dachte, solchen Stress sei man nach der High School los. Der Stress, ob man zu den Beliebten gehörte oder nicht. Aber irgendwie wurde es nur schlimmer. Ich habe solche Dramen schon immer gehasst. Ich trug meine Rolle der langweiligen Außenseiter mit Stolz.
"Ach, Carmen", seufzte sie und richtete ihren Sommerhut. Ihre langen, glatten Beine waren zum neidisch werden. Sie sah aus, als käme sie gerade aus einem Werbespot für Rasierer. "Wer an Jared's Geburtstagsparty erscheint, der braucht sich über seinen Status keine Gedanken mehr zu machen. Jedenfalls während des restlichen Uni-Lebens hier."
"Mein Status ist mir doch sowas von egal. Ich war auf meiner High School in LA ein Außenseiter und hier bin ich wieder einer. Wenn mir Ansehen wichtig wäre, dann würde ich nicht rumlaufen, wie ich rumlaufe." Ich spielte mit den Fransen meiner Jeans herum.
"Nun ja", säuselte sie und hob ihren Brustkorb gegen das letzte bisschen Sonnenlicht, das hinter dem Horizont zu verschwinden drohte. "Es hat schon seine Vorteile, beliebt zu sein. Connections sind EVERYTHING im Business. Kennst du keinen kannst du noch so talentiert sein - du wirst nichts erreichen. Kennen dich alle, so kannst du mit den banalsten Sachen im Rampenlicht stehen. Was das betrifft, wird sich die Menschheit niemals ändern."
Da war was wahres dran. Aber ich wollte bei diesem falschen Spiel der Gesellschaft nie mitspielen. Vielleicht aus Stolz, vielleicht aber auch, weil ich wusste, dass ich es verlieren würde.
"Aber wieso ist Jared so beliebt? Ich kann das gar nicht nachvollziehen, so unsympathisch wie er ist."
"Dich überrascht es?", fragte sie verblüfft und senkte ihre Herz-Sonnenbrille. "Mich kein bisschen." Sie leckte genussvoll an ihrem Eislöffel. "Er hat alles - wirklich all das, was man braucht, um beliebt zu sein. Sein Badboy Gehabe. Sein markantes Gesicht. Und diese Augen..." Vanessa verlor sich in ihren Gedanken. Dann riss sie sich zusammen und schwärmte weiter. "Sein Körper, die Art wie er sich verhält. Aber am wichtigsten - das, was Jared so weit gebracht hat in seinem Leben - ist sein Nachname. Er ist ein Chandler. Nicht viele wissen, dass er adoptiert wurde. Nicht viele wissen, dass Drake sein Adoptivbruder ist. Das wissen nur die wirklich Nahestehenden. Und da ich Drakes Freundin bin, erklärt sich von selbst warum ich alles weiß."
Das überraschte mich. Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu erwidern, doch ich wusste nicht, was.
"Du fragst dich bestimmt, was die Chandlers so besonders macht?", sagte sie mit süffisantem Grinsen. "Sie sind einer der wohlhabensten Familien hier in der Gegend. Mr. Chandler hat ne Menge Immobilien und ist Gründer verschiedener Unternehmen. Mrs. Chandler ist weltberühmte Geigerin. Sie reisen beide viel, also haben die Chandler-Geschwister die Villa oft für sich allein. Die Villa ist das Herz aller Jugendlichen, die einen ähnlichen Status haben wie sie. Dort finden die Partys statt - und was für welche." Sie schwärmte so, als wäre es nicht Jared, sondern The Great Gatsby. Ich kicherte.
"Nenn mir einen Grund, warum ich auf die Geburtstagsparty dieses Snobs gehen sollte“, forderte ich, während ich die Spitzen meiner Haare zwischen meinen Fingerkuppen
Nachdenklich legte sie sich ihren Finger an den Mund.
"Horizonterweiterung."
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Catch me if I fall
ChickLitAbgeschlossen ✔️ Er verachtet sie. Er schmeckt sie. Er stürzt sie in den Abgrund. Sie fällt. Wir lagen auf den Rücken und brauchten nichts zu sagen. Ich glaubte, genau das brauchte er gerade - und ich konnte klar verstehen, wieso. Was immer ihn bedr...