Naked Truth

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"Letzte Chance, Carmen", sagte Jared, als er den Griff der Tür in die Hand nahm. "Ich hab dich in meine Karten schauen lassen. Jetzt bist du an der Reihe. Erzähl mir alles. Warum Eliah. Warum Vince. Warum zur Hölle der Strich und warum Heroin."

Ich wollte reden, doch ich konnte kein Wort über meine Lippen bringen. Meine Augen waren zu sehr darauf fokussiert, dass er da an der Tür stand und mich wieder verlassen wollte. Ich hatte mich selber in Sicherheit gewogen, als ich mir dachte, dass ich die ganze Nacht Zeit hatte, ihn zu berühren.

Natürlich nicht, das wäre auch zu schön gewesen.

Aber er ging nicht. Er stand weiterhin an der Tür. Ich sah herunter auf meine Hände und wartete auf das Klicken der Tür, doch es kam nichts.

"Wieso gehst du nicht?", schniefte ich und verdeckte vor Scham meine nackten Brüste.

Er ließ die Türklinke los und kam auf mich zu. "Fuck, weil ich dich nicht noch einmal verlieren will." Seine Finger hoben mein Kinn an, so dass ich ihm in seine verzweifelten Augen sah. "Seit wann spritzt du es dir?"

Als ich nicht antwortete, fassten seine Hände an meine Schultern und rüttelten mich leicht. "Rede mit mir", forderte er. Doch so einfach war das nicht.

Er würde mich wieder verlassen. Vielleicht würde er mich sogar bei Drew verpetzen. Er würde sich vor mir ekeln.

"Seit zwei oder drei Wochen", murmelte ich und betrachtete das Muster des Teppichs, der inmitten des Zimmers lag.

"Jeden Tag?"

Ich nickte.

"Scheiße, warst du gerade im Bad, um dir eine Dosis zu geben?", zischte er fassungslos.

Ich nickte wieder.

Er fuhr mit seiner Hand über sein Gesicht. Seine Augen waren geschlossen und sein Gesichtsausdruck war gequält.

"Was für ein Bastard", fluchte er zwischen zusammengebissenen Zähnen.

"Er ist nicht schuld", verteidigte ich Eliah. "Es war meine Entscheidung."

"Eine verfickt dumme Entscheidung, Carmen. Eine hirnverbrannte, naive Entscheidung", fluchte er und raufte sich das Haar. "Hast du noch mehr von dem Zeug?"

Reflexartig schüttelte ich den Kopf, obwohl das eine Lüge war. Ich hatte noch genug für eine weitere Dosis. Doch ich wollte seine Reaktion nicht wissen, wenn er das wüsste.

Aber innerlich wusste ich, dass ich nicht wollte, dass er es mir weg nahm. War ich schon so tief gesunken? Ich dachte, ich wäre nicht süchtig. Warum hatte ich dann solche Gedanken?

Misstrauisch sah er mich an, nickte aber. "Gut."

Aus dem Nichts blinkte Jareds Handy neben mir auf. Ich sah auf dem Sperrbildschirm, dass Vince ihm ein Bild gesendet hatte.

Meine Atmung setzte aus, als mir klar wurde, was das vielleicht bedeutete.

Ich griff nach seinem Smartphone, schneller als Jared danach greifen konnte und öffnete den Chat. Eine eisige Kälte rann mir die Wirbelsäule herunter.

Ich schloss die Augen, denn wollte ich das Bild nicht sehen. Er nahm mir das Handy aus der Hand, bevor ich das Foto löschen konnte.

Als ich meine Augen wieder öffnete, konnte ich sehen, wie ihm die Farbe aus seinem Gesicht wich. Seine Hand zitterte, mit der er das Smartphone festhielt.

Ich wollte nicht, dass er mich so sah. Ich war zwar gerade nackt vor ihm, doch das Foto zeigte mich in einem so verletzlichen, traurigen Moment. Es zeigte mich in einem Moment, in dem ich gar nicht sein wollte.

"Wie viel Geheimnisse hast du noch?", flüsterte er mit seiner dunklen Stimme.

Während sich Jared dieses Bild ansah, fühlte es sich an, als würde meine Welt noch mehr zusammenbrechen als sie es vorher schon war.

"Ich werde ihn umbringen", sagte er ruhig, so als würde er zu sich selbst sprechen. "Ich werde ihn weichprügeln, bis er zu Matsch zerfällt und nur noch Blut kotzt. Ich werde seine Eier abhacken und sie ihm in seine Zahnlose fresse stopfen. Ich werde -"

"Mach das. Ich stehe dir nicht im Weg. Aber wenn du denkst, dass ich was mit ihm habe, dann enttäuschst du mich", unterbrach ich ihn flüsternd.

"Erklär es mir", forderte er. Jeder Zentimeter von ihm strahlte eine Wut aus, die mir Angst machte.

"Er hat mir scheinbar was ins Getränk gemixt, okay? Ich hab keine Ahnung, wie es passiert ist." Seufzend ließ ich meine Hände auf meine Oberschenkel fallen und setzte mich in den Schneidersitz. "Erinnerst du dich an den Tag, als wir uns im Secondhandshop gestritten haben?"

Er nickte ungeduldig.

"An dem selben Abend noch hat Eliah mir den Vorschlag gemacht, dass er verschwindet, wenn ich diese Nacht mit ihm feiern ginge und ihn zurück fuhr."

Ich runzelte die Stirn, als ich in den tiefen meiner Erinnerungen grub. Leider konnte ich aus dieser Nacht nicht viele Erinnerungen mitnehmen. Vielleicht war das auch gut so.

"Er hat mir was ins Glas gemixt, oder so. Und dann hat er mich zu sich gefahren. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was genau passiert war, aber Eliah kam noch rechtzeitig und hat mich mit zu sich genommen."

Jareds Gesichtsausdruck sah entsetzt aus, verstört sogar. "Das war der Abend, als du mir geschrieben hast", sagte er mit belegter Stimme, als würde er neben sich stehen. "Und ich habe dich blockiert."

Ich zog die Augenbrauen zusammen und schüttelte den Kopf. "Ich hab dir geschrieben?"

Er hielt mit sein Display hin und zeigte mit unseren Chatverlauf.

Brauche Nummer von Eliah. ASAP.

Darunter waren nur Nachrichten von ihm, die ich nie zu Gesicht bekommen hatte, da ich mein Handy seit dieser Nacht nicht mehr gesehen hatte.

"Mach dir keine Vorwürfe", beschwichtigte ich ihn. "Ich habe nicht deutlich genug gemacht, dass es sich um einen Notfall gehandelt hat. Und Eliah hat ja trotzdem seinen Weg zu mir gefunden."

"Wieso hast du mir die ganze Zeit über nichts gesagt?", wisperte er. Seine Stimme zitterte vor Wut.

"Ich wusste bis heute nicht, dass es Vince war. Erst, als er mir das Foto gezeigt hat. Ich konnte mich an nichts erinnern, vergessen?"

"Aber du hattest den ganzen Nachmittag, den ganzen Abend und die ganze Nacht Zeit, mir das zu erzählen. Heute. "

"Denkst du, das sagt sich so einfach? Hey Jared, ach übrigens, Vince hat mich unter Drogen gesetzt und Nacktfotos von mir gemacht!"

Er biss sich hörbar seine Zähne aufeinander, weil er sich wahrscheinlich selber eingestehen musste, dass das ziemlich unrealistisch klang.

Langsam bekam ich eine Gänsehaut. Leider hatte ich meine Schlafsachen vergessen. Ich rieb mir mit meinen Händen über meine Oberarme.

"Lass gut sein", sagte Jared und zog sein T-Shirt aus und warf es mir zu. "Es ist spät."

Es landete auf meinen Schoß und direkt stieg mir sein einzigartiger Duft in die Nase. Ich hielt mir das Shirt an die Nase und kassierte mir einen fragwürdigen Blick aus Jareds Richtung.

"Danke", sagte ich zögerlich. Ich zog es über mich. "Und wie schläfst du?"

Er deutete auf seine nackte Brust. "So", sagte er und zog sich seine Jeans wieder aus.

Ich spürte, dass die Wirkung des Heroins langsam komplett meinen Körper verließ. Eigentlich nahm ich es direkt vor dem Einschlafen, da mich so keine Alpträume quälen konnten.

Ich gähnte und erhob mich von seinem Bett. "Ich gehe jetzt schlafen."

Müde trottete ich zu meinem Bett und schlüpfte unter die Decke.

"Du wirst den Schlaf für Morgen brauchen", sagte Jared und schaltete das Licht aus, bevor er sich in Richtung seines Bettes machte.


Catch me if I fallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt