Heaven

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Mit einem letzten, quälenden Blick an mich, verschwand Vince wieder in der Menschenmenge. Erleichtert atmete ich auf. Warum auch immer er mich in Ruhe ließ, ich war dem Universum dankbar dafür.

Aber eigentlich konnte mir hier sowieso nichts passieren. Ich meine, hier standen in jeder Ecke wahrscheinlich Securitys, die nur darauf warteten, dass jemand jemanden provozierte.

Ich drehte mich zu meiner Cola zurück und trank ein paar Schlücke aus ihr, so dass das Glas halbleer war. Oder halbvoll. So wie man es sehen wollte. Dann stellte ich das Glas wieder ab.

Der etwas korpulentere Typ neben mir, unterhielt sich so lebhaft mit seinem Gegenüber, dass er versehentlich mein Glas umstieß und die ganze Cola auf meinem Kleid landete.

Seine hellen Augen weiteten sich und schockiert blickte er von der Cola zu mir. "Es tut mir so leid!", formte er mit seinen Lippen und schlug seine dicklichen Finger vor dem Mund.

Er schien erschrocken über diese Situation zu sein, als ich.

Ich schüttelte schnell den Kopf. "Nein, kein Problem!", rief ich über die Musik hinweg. Der Arme Typ, das konnte jedem doch mal passieren.

Er lehnte sich vor und sah mich besorgt an, so dass sich seine schmierige Stirn in Falten legte. "Liebes, ich bestelle dir ein neues Getränk!", sagte er und wedelte mit seinen Händen.

Ich schüttelte schnell den Kopf. "Nein, nein! Das geht schon, ich brauche kein Neues." Ich erhob mich und sah an mir herunter. Das Kleid war fürs erste hinüber. Ich drehte mich und sah mich um. Wenn ich nur wüsste, wo das Bad wäre.

Der dicke Mann erhob sich ebenfalls. "Das Bad ist da drüben. Warte, ich begleite dich!"

Heftig schüttelte ich den Kopf. "Schon gut, das schaffe ich auch alleine", lachte ich.

Zu meiner Erleichterung setzte sich der Mann wieder auf den Barhocker, anstatt mir zu folgen.

Ich drängelte mich an den tanzenden Menschen vorbei, in die Richtung, die der Mann mir gezeigt hatte.

Als ich es endlich ins Bad hinein geschafft hatte, sah ich in den Spiegel.

Meine braunen Augen hatten Augenringe bis nach Timbuktu. Ich fragte mich, wann ich das letzte Mal richtig ausgeschlafen hatte. Ich hatte mich nicht mal so richtig geschminkt. Nur meine Wimpern und etwas Concealer. Schließlich hatte ich ja nicht mal Lust, hier zu sein. Warum sollte ich mich dann großartig herausputzen?

Ich befeuchtet ein paar Papiertücher und wischte damit über das Kleid. Das Kleid bestand aus einem seidigen Stoff, weshalb die Flüssigkeit abperlte. Der Colafleck aber, blieb sichtbar.

Wenn meine Waschmaschine den Fleck nicht rausbekam, musste ich mir überlegen, wie ich das Vanessa erklärte, ohne dass sie sich darüber empören würde, dass ich ohne sie feiern war.

Ich warf die Papiertücher mit einem hoffnungslosen Seufzen in den überfüllten Mülleimer und ging hinaus, zurück an die Bar.

Der Typ, der mich versehentlich nass gemacht hatte, saß noch auf seinem Platz und unterhielt sich vertieft mit dem Mann neben ihm. 

Als ich mich an meinen alten Platz setzte, drehte er sich zu mir. Auf dem Platz vor mir stand eine große Cola.

"Ich habe dir eine neue bestellt!“, rief er, als er mich ansah. "Mit einem Metallstrohhalm." Er hob stolz seine Augenbrauen.

Eigentlich hatte ich nicht wirklich durst und es war mir unangenehm, das Getränk eines Fremden anzunehmen. Aber seine blauen Kuhaugen blickten mich so erwartungsvoll an, dass ich das Glas in die Hand nahm und den Inhalt mit Hilfe des Metallstrohhalms trank.

Er holte etwas aus seinem Portmonee und wollte mir Scheine in die Hand drücken. Ich schüttelte den Kopf und wedelte verneinend mit meiner Hand.

"Für die Reinigung!", rief er über die Musik hinweg. Ich schüttelte abermals den Kopf. Dann drehte ich mich mit meiner Cola weg von ihm, damit er mich nicht weiter nerven konnte.

Gott sei Dank ließ er mich nun in Ruhe.

Irgendwie, als ich mir die tanzenden Menschen ansah, überkam mich das Gefühl von Verbundenheit. Wir waren alle irgendwie eins - jeder war ein Tropfen im Ozean der Menschheit. Ich brauchte keine zu Angst haben. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen und ein wohliges Kribbeln breitete sich in mir aus. Wow.

Es war so warm und so... hell. In mir. Falls das Sinn machte. Aber ich spürte es, diese Liebe. Es fühlte sich an, als hätte ich einen Teil von mir gefunden, den ich lange schon begraben hatte. Zum ersten Mal seit sechs Jahren spürte ich so ein tiefes Gefühl von Glück. Mein Herz Schlag lebendig und kräftig in der Brust. Es war mehr als Zufriedenheit. Mehr als Freude. Es ging viel tiefer, umhüllte mich mit einem goldenen Schleier und ließ die Welt um mich in genau diesem Farbton erscheinen. Alles hatte seinen Glanz. Selbst das schnelle, bunte Licht, das auf der Tanzfläche flackerte.

Ich nahm noch einen Schluck der Cola. Sie schmeckte besonders süß und lecker, so dass ich ihren Geschmack noch nach Minuten in meinem a Mund spüren konnte. Ich erhob mich und mischte mich unter die Menschen. Ich war wie sie. Ein Teil von ihnen...

Ich begann zu tanzen und liebte jeder meiner Bewegungen. Warme Hände lagen an mir und ich lehnte mich gegen diese Berührung - sie fühlte sich wie unendliches Licht an. Ich sah Lichter, auch wenn ich die Augen schloss. Es war merkwürdig und schön. Das Licht berührte mich an meinen Hüften und ich stöhnte auf, als ich dem Licht hinter meinen geschlossenen Augen das Gesicht von Jared verlieh.

Ich spürte seine Wärme an meinen Seiten, meinem nackten Rücken und dann an meinen Brüsten. Schamlos lehnte ich mich ihm entgegen. Dann fühlte ich ihn an meiner Taille, an meinem Po. Ich atmete schneller und mein Puls beschleunigte sich. Mein Herz schlug immer kräftiger.

Ich wollte seinen Geruch riechen, doch ich roch weder Minze noch Zigarette. Ich roch Whisky, Schweiz und etwas zu starkes Aftershave.

Doch ich besaß die Fähigkeit, diese Gerüche mit Minze und Rauch auszutauschen. Solange ich meine Augen geschlossen hielt, war ich in Sicherheit. Also ließ ich sie geschlossen, als Jareds Hände meinen Körper betasteten. Ich keuchte und konnte mich kaum beherrschen.

Meine Finger gruben sich in das Shirt meines Gegenübers, sie krallten sich fest. Meine Füße fühlten sich an, als wären sie auf Wolken. Seine Hand strich mir über mein leicht gelocktes Haar und drückte meinen Kopf an seine Brust.

Sein Herzschlag war langsam. Und mein eigener schnell. So schnell, wie der Beat der Musik. Ich fühlte mich wie in Watte gepackt. Sein Arm stützte mich und als ich meine Augen aufschlug, sah ich, dass ich noch im Club war. Um uns tanzten Menschen, sie beachteten uns nicht. Vielleicht war ich unsichtbar. Der Gedanke gefiel mir und brachte mich zu kichern. Ich streckte meine Hand vor mich aus und stellte enttäuscht fest, dass ich nicht unsichtbar war. Ich versuchte meine Finger zu zählen, kam aber nicht weiter als drei. Ich prustete los.

Wie merkwürdig. Wieso war ich überhaupt hier? Ich spürte Schmerz an meinen Wangen, da ich hemmungslos grinste. Mein Grinsen wurde zum Kichern und mein Kichern zum Lachen.

Ach, Jared. Du bist eigentlich nicht so scheiße. Vielleicht doch, aber ich mag dich trotzdem. Du bist unverschämt... unverschämt heiß.

Es ist wohl doch frischer geworden. Der Nachthimmel über mir sah aus wie ein gigantischer Teppich. Ich konnte meinen Blick nicht davon lösen, bis ich das Gefühl hatte, dass ich auf diesem Nachthimmelteppich spazieren ging. Ich lief auf den Wolken spazieren und lachte, weil das so einen Spaß machte.

Ich wollte mein Glück ausdrücken, doch als ich gerade sprechen wollte, konnte ich meinen Kiefer kaum bewegen. Heraus kam nur ein Lallen, das ich selber nicht verstand.

Oh, jetzt wurde es wärmer. Ich legte mich hin - oder wurde besser gesagt von den warmen Lichthänden persönlich auf eine flauschige Wolke abgelegt. Und als der Motor aufheulte, hatte ich das Gefühl, ich würde fliegen. Meine Augen waren zu, doch ich hatte das Gefühl, dass ich weit über der Erde flog. Es fühlte sich so real an, aber ich hatte keine Angst. Irgendwie war es ein schönes Gefühl, so weit oben zu sein. So high.

Catch me if I fallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt